So etwas nennt man wohl Fehlstart. Selten hat ein Jahr wirtschaftlich mit so vielen schlechten Nachrichten begonnen wie 2016. Nach Krisenmeldungen aus China brachen die Aktienmärkte ein, die Währungen vieler Schwellenländer stehen massiv unter Druck, der Ölpreis fiel streckenweise auf den niedrigsten Stand seit zwölf Jahren (was Autofahrer freut, aber in den Förderstaaten politische und ökonomische Verwerfungen provoziert). Der Jahresauftakt an den chinesischen Aktienmärkten gleiche „einem Alptraum“, schreibt die Commerzbank. Mehrfach setzte im Reich der Mitte ein neuer Notmechanismus ein, der den Aktienhandel aussetzt, wenn die Verluste zu groß werden. Hinzu kommen die weltweite Verunsicherung nach den Attentaten von Paris und Istanbul, die explosive Lage im Nahen Osten und die Strukturkrisen vieler Schwellenländer.
Das sind auch für Deutschland keine guten Nachrichten, zumal die hiesigen Unternehmen eigentlich (noch) in guter Stimmung sind. Laut einer ifo-Umfrage wollen die Betriebe ihre Investitionen 2016 um sechs Prozent hochfahren (wobei es freilich überwiegend große Firmen sind, die sich neue Maschinen, Fahrzeuge und Produktionsanlagen zulegen – im Mittelstand ist die Skepsis bereits gewachsen). Beim Ex- und Import rechnet der Außenhandelsverband BGA in diesem Jahr gleichermaßen mit einem Allzeithoch. Während die Ausfuhren laut optimistischer BGA-Schätzung um bis zu sechs Prozent auf 1191 Milliarden Euro klettern, könnten die Einfuhren um vier Prozent auf 947 Milliarden Euro zulegen.
Auch der Earlybird-Frühindikator, den die Commerzbank exklusiv für die WirtschaftsWoche ermittelt, tendiert nach oben. Er ist im Dezember den dritten Monat in Folge gestiegen, wenn auch nur leicht. Das Barometer hat einen Vorlauf gegenüber der Realwirtschaft von sechs bis neun Monaten. Es erfasst den Außenwert des Euro, die kurzfristigen Realzinsen sowie (als Messgröße für die Lage der Weltwirtschaft) einen Welteinkaufsmanagerindex, in den die nationalen Einkaufsmanagerindizes der USA, des Euro-Raums und Chinas eingehen.
Grund für den aktuellen Anstieg sind gesunkene Realzinsen. Allerdings treten die Commerzbank-Ökonomen nachdrücklich auf die Euphorie-Bremse. „Die Rahmenbedingungen für die Konjunktur in Deutschland haben sich eher verschlechtert. Dies liegt in erster Linie an der schwächeren Weltwirtschaft – aber auch der Rückenwind vom Devisenmarkt hat abgenommen“, heißt es in ihrer Analyse für die WirtschaftsWoche. Trotz des jüngsten Anstiegs liege der Earlybird immer noch niedriger als in der ersten Jahreshälfte 2015.
Konjunkturindikatoren
Der vom Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) herausgegebene Index beruht auf der Befragung von 350 Analysten und Finanzmarktexperten. Sie geben dabei ihre Einschätzung über die künftige Wirtschaftsentwicklung ab. Der Index zur mittelfristigen Konjunkturentwicklung ergibt sich aus der Differenz der positiven und negativen Erwartungen über die künftige Wirtschaftsentwicklung. Er wird zur Monatsmitte erhoben.
Der international beachtete Index basiert auf einer Befragung von etwa 7000 Unternehmen aus Bau, Einzelhandel und Industrie. In einem Fragebogen beurteilen sie ihre gegenwärtige Geschäftslage sowie die Erwartungen für die Zukunft. Beide werden im Geschäftsklima zusammengefasst. Der Index ergibt sich aus dem Saldo der Antworten „gut“ und „schlecht“.
Wird von der britischen Forschergruppe Markit erhoben. Er beruht für Deutschland auf Umfragen unter Einkaufsmanagern von 500 repräsentativ ausgewählten deutschen Industrieunternehmen. Bestandteile des Index sind Auftragseingänge, Preise und Beschäftigung. Der Index hat einen relativ kurzen Vorlauf gegenüber der Produktion.
Umfasst den Bargeldumlauf und die Sichteineinlagen, wie zum Beispiel Sparbücher. Da die in M1 enthaltenen Bestandteile direkt für Transaktionen zur Verfügung stehen, deutet ein Anstieg darauf hin, dass die Kaufbereitschaft der Konsumenten und Unternehmen steigt. Der Indikator hat einen Vorlauf von zwei bis drei Quartalen.
Der BDI ist ein Preisindex für die Verschiffungskosten wichtiger Rohstoffe wie Stahl, Eisenerz, Kohle und Getreide auf Standardrouten. Er wird durch das Angebot an frei stehendem Schiffsladeraum und die Hafenkapazitäten beeinflusst. Da Rohstoffe als Vorprodukte am Anfang der Wertschöpfungskette stehen, ist der BDI ein guter Frühindikator für die Weltkonjunktur.
Der Index des Nürnberger Marktforschungsinstituts GfK prognostiziert die Veränderung der monatlichen privaten Konsumausgaben. Hierfür werden 2000 repräsentativ ausgewählte Personen nach ihren Einkommens- und Konjunkturerwartungen befragt.
Nicht wenige Auguren glauben daher: Das Schicksal der deutschen Konjunktur liegt 2016 in den Händen der Verbraucher. Ein starker Konsum könnte mögliche Einbußen im Auslandsgeschäft kompensieren. Für Januar vermeldet das Nürnberger Forschungsinstitut GfK einen Anstieg des Konsumklima-Barometers um 0,1 auf 9,4 Punkte. Zuvor hatte sich die Stimmung der Verbraucher vier Monate hintereinander eingetrübt. „Die Terroranschläge in Paris und die damit auch in Deutschland gestiegene Terrorgefahr scheinen bei den Verbrauchern keinen Eindruck zu hinterlassen“, sagt GfK-Experte Rolf Bürkl. Die Bürger bewerten die wirtschaftlichen Aussichten wieder besser als im langjährigen Durchschnitt, ihre Bereitschaft zu größeren Anschaffungen bleibt deshalb groß.
Grund für die Kauflust sind neben der stabilen Arbeitsmarktlage – im Dezember sank die Arbeitslosenzahl saisonbereinigt um weitere 14.000 – auch signifikante Lohnzuwächse. Nach einer Übersicht der Hans-Böckler-Stiftung lagen die Tarifabschlüsse 2015 meist zwischen 2,5 und 3,0 Prozent. In der Metall-und Elektroindustrie konnten sich die Beschäftigten über eine Lohnerhöhung von 3,4 Prozent freuen. Da die Inflationsrate niedrig blieb, hatten die Arbeitnehmer auch real deutlich mehr im Portemonnaie.
Fragt sich nur, wie lange die Konsumenten angesichts von Flüchtlingskrise und wachsender Terrorgefahr so unbeschwert bleiben und ihre Geldbörsen offen halten.