Beispiel Kriminalität
Als junger Professor kam Becker einmal zu spät zu einer Prüfung, der Student wartete bereits. Becker fand keinen kostenlosen Parkplatz. Nun hatte er die Wahl, ins weit entfernte (kostenpflichtige) Parkhaus zu fahren oder seinen Wagen vor der Uni im Halteverbot abzustellen. Instinktiv wog er die Wahrscheinlichkeit, ein Knöllchen zu bekommen, mit den Alternativkosten ab, nämlich dem Preis eines Parktickets und dem zusätzlichen Zeitverlust. Dies war die Geburtsstunde seiner „ökonomischen Theorie des Verbrechens“.
Für Becker sind nicht vordringlich soziale Verwahrlosung und gesellschaftliche Versäumnisse schuld daran, dass Menschen straffällig werden. Nach seiner Ansicht vergleicht ein potenzieller Verbrecher rational die möglichen Erträge einer Tat mit der Gefahr des Erwischtwerdens und der drohenden Strafe. Schätzt er seinen Nutzen höher ein als die Risiken, begeht er die Straftat. Nach dieser Logik können harte Strafen die Kriminalität insgesamt zurückdrängen, weil nur noch sehr renditeträchtige Delikte begangen werden. Becker hält hohe Geldstrafen daher in der Regel für ökonomisch effizienter als Haftstrafen, wo der Steuerzahler auch noch für Kost und Logis aufkommen müsse. Bei Kapitalverbrechen spricht sich Becker offen für die Todesstrafe aus, was ihn in Europa als Sympathieträger endgültig unmöglich machte. „Ich bin für die Hinrichtung von als Mörder verurteilten Personen, weil – und nur weil – ich glaube, dass damit andere abgeschreckt werden, zum Mörder zu werden.“
Literatur von und über Gary Becker
Die Bücher Beckers sind sehr theoretisch gehalten; wer sie lesen will, sollte über volkswirtschaftliche und mathematische Kenntnisse verfügen. Einsteigen kann man mit dem von ihm anlässlich der Nobelpreisverleihung gehaltenen Vortrag „The Economic Way of Looking at Life“, oder mit einem Besuch des interdisziplinären Internet-Blogs, den Becker mit dem Jura-Professor und langjährigen Richter Richard Posner von der University of Chicago Law School führt. Die beiden zanken sich dort über Fragen im Grenzbereich von Ökonomie, Sozial- und Rechtswissenschaft – etwa darüber, ob die Hilfe zur Selbsttötung legalisiert werden sollte oder ob eine Amnestie für illegale Einwanderer sinnvoll ist.
Eine Sammlung mit zentralen Aufsätzen des Nobelpreisträgers, etwa zu den ökonomischen Faktoren der Ehescheidung, der Diskriminierung von Minderheiten und zum Einfluss von Interessengruppen auf die Politik. Im Kapitel „Meine intellektuelle Entwicklung“ gibt es auch eine 16-seitige Kurzbiografie aus Beckers Feder.
Mohr Siebeck, 260 Seiten, 39 Euro, ISBN 13 978-3-16-146361-7
Das Hauptwerk Beckers. In sieben Kapiteln „ökonomisiert“ er menschliche Verhaltensweisen und wagt den Versuch, Hochzeiten, Drogensucht, Verbrechen und das individuelle Freizeitverhalten der Bürger mikroökonomisch zu erklären.
Mohr Siebeck, 352 Seiten, 39 Euro, ISBN 13 978-3-16-146046-3
Der Band enthält Reden und Aufsätze verschiedener Ökonomen, die sich mit den Thesen und Arbeiten Beckers auseinandersetzen, etwa mit der Rational-Choice-Theorie und dem Wettbewerb von Interessengruppen. Nur für wissenschaftliche Feinschmecker geeignet.
Mohr Siebeck, 29 Euro, ISBN 13 978-3-16-146965-7
Bei der Drogenbekämpfung rät Becker, Drogen zu legalisieren (und den Markt anschließend durch hohe Steuern auszutrocknen), anstatt immense Summen in die Strafverfolgung von Produzenten und Dealern zu stecken. Die Illegalität des Drogenkonsums verknappe zwar das Angebot, erhöhe aber auch den Schwarzmarktpreis und damit den Profit der Dealer, da die Preiselastizität der Drogennachfrage nur gering sei.
Beispiel Familie
Beckers Arbeiten zur Ökonomie der Familie waren „die schwierigste geistige Anstrengung, der ich mich je unterzogen habe“ – und sie wurden zugleich zum umstrittensten Teil seiner Forschung. Becker war der weltweit erste Ökonom, der sich dem Thema systematisch und methodisch zuwandte, denn er sah hier wissenschaftliches Niemandsland: „Obwohl die bedeutendsten Ökonomen stets behauptet haben, die Familie sei eine der Grundlagen des Wirtschaftslebens, finden sich weder in Marshalls ,Principles of Economics‘, Mills ,Principles of Political Economy‘, Smiths ,Wealth of Nations‘ noch in irgendeinem der anderen der großen Werke der Wirtschaftstheorie mehr als beiläufige Bemerkungen darüber, wie Familien funktionieren.“
Fruchtbarkeit, Familienplanung, Ausbildung, Ehe, Scheidung – all dies lässt sich für Becker über eine Kosten-Nutzen-Funktion ökonomisch herleiten und erklären. In seinen Arbeiten schlägt er einen Bogen von der Bevölkerungslehre von Thomas Malthus und der traditionellen Familie, in der die Frau zu Hause bleibt (und daher von ihrem Mann wirtschaftlich abhängig ist), zur heutigen Zeit, in der die Erwerbstätigkeit von Frauen deutlich zunimmt.