Gary Becker Der ökonomische Imperialist

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Kriminalität und Familie

George W. Bush mit Gary Becker Quelle: AP

Beispiel Kriminalität

Als junger Professor kam Becker einmal zu spät zu einer Prüfung, der Student wartete bereits. Becker fand keinen kostenlosen Parkplatz. Nun hatte er die Wahl, ins weit entfernte (kostenpflichtige) Parkhaus zu fahren oder seinen Wagen vor der Uni im Halteverbot abzustellen. Instinktiv wog er die Wahrscheinlichkeit, ein Knöllchen zu bekommen, mit den Alternativkosten ab, nämlich dem Preis eines Parktickets und dem zusätzlichen Zeitverlust. Dies war die Geburtsstunde seiner „ökonomischen Theorie des Verbrechens“.

Für Becker sind nicht vordringlich soziale Verwahrlosung und gesellschaftliche Versäumnisse schuld daran, dass Menschen straffällig werden. Nach seiner Ansicht vergleicht ein potenzieller Verbrecher rational die möglichen Erträge einer Tat mit der Gefahr des Erwischtwerdens und der drohenden Strafe. Schätzt er seinen Nutzen höher ein als die Risiken, begeht er die Straftat. Nach dieser Logik können harte Strafen die Kriminalität insgesamt zurückdrängen, weil nur noch sehr renditeträchtige Delikte begangen werden. Becker hält hohe Geldstrafen daher in der Regel für ökonomisch effizienter als Haftstrafen, wo der Steuerzahler auch noch für Kost und Logis aufkommen müsse. Bei Kapitalverbrechen spricht sich Becker offen für die Todesstrafe aus, was ihn in Europa als Sympathieträger endgültig unmöglich machte. „Ich bin für die Hinrichtung von als Mörder verurteilten Personen, weil – und nur weil – ich glaube, dass damit andere abgeschreckt werden, zum Mörder zu werden.“

Literatur von und über Gary Becker

Bei der Drogenbekämpfung rät Becker, Drogen zu legalisieren (und den Markt anschließend durch hohe Steuern auszutrocknen), anstatt immense Summen in die Strafverfolgung von Produzenten und Dealern zu stecken. Die Illegalität des Drogenkonsums verknappe zwar das Angebot, erhöhe aber auch den Schwarzmarktpreis und damit den Profit der Dealer, da die Preiselastizität der Drogennachfrage nur gering sei.

Beispiel Familie

Beckers Arbeiten zur Ökonomie der Familie waren „die schwierigste geistige Anstrengung, der ich mich je unterzogen habe“ – und sie wurden zugleich zum umstrittensten Teil seiner Forschung. Becker war der weltweit erste Ökonom, der sich dem Thema systematisch und methodisch zuwandte, denn er sah hier wissenschaftliches Niemandsland: „Obwohl die bedeutendsten Ökonomen stets behauptet haben, die Familie sei eine der Grundlagen des Wirtschaftslebens, finden sich weder in Marshalls ,Principles of Economics‘, Mills ,Principles of Political Economy‘, Smiths ,Wealth of Nations‘ noch in irgendeinem der anderen der großen Werke der Wirtschaftstheorie mehr als beiläufige Bemerkungen darüber, wie Familien funktionieren.“

Fruchtbarkeit, Familienplanung, Ausbildung, Ehe, Scheidung – all dies lässt sich für Becker über eine Kosten-Nutzen-Funktion ökonomisch herleiten und erklären. In seinen Arbeiten schlägt er einen Bogen von der Bevölkerungslehre von Thomas Malthus und der traditionellen Familie, in der die Frau zu Hause bleibt (und daher von ihrem Mann wirtschaftlich abhängig ist), zur heutigen Zeit, in der die Erwerbstätigkeit von Frauen deutlich zunimmt.

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