Geistesblitze der Ökonomie (IX) Ricardos Argument gegen Staatsschulden

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Ökonomie aus Langeweile

Das sind die heiß erwarteten Wirtschaftsbücher
Welche Wirtschaftsbücher erweitern 2013 unseren Horizont? Es folgt ein erster Überblick ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Denn die Titel kommen in zwei Schwüngen auf den Markt, von Mitte Februar bis Mitte April und im Herbst rund um Frankfurter Buchmesse im Oktober. Was in der zweiten Jahreshälfte passiert, ist nur bedingt absehbar, zudem gibt es Jahr für Jahr Überraschungen ... Quelle: dpa
... so gewann den Deutschen Wirtschafsbuchpreis 2012 ein bis dahin hierzulande weitgehend unbekannter Autor. Tomás Sedlácek überzeugte die Jury mit seinem Werk „Die Ökonomie von Gut und Böse“ (Hanser Verlag)  noch ein wenig mehr als die starke Konkurrenz. 2013 wird Tomás Sedlácek gleich zwei Bücher veröffentlichen … Quelle: Presse
Im Februar erscheint „Bescheidenheit für eine neue Ökonomie“ (Hanser Verlag). In der Tat ganz bescheiden beschränkt sich der Autor hier auf 128 Seiten. Man möchte es beinahe ein „Zwischenbuch“ nennen. Denn im Herbst erscheint dann „Fetisch der Ökonomie“. Im Interview mit dem „Spiegel“ beschreibt Sedlácek den Fetisch als etwas, das einen „einfachen Weg verspricht, unser Verlangen zu befriedigen“, bis das zu groß wird und die Menschen zum Sklaven des Fetisch würden. Das Wirtschaftswachstum sei einer der größten Fetische und Sedlácek geht der Frage nach, warum dieses Wachstum eigentlich sein muss. Quelle: Presse
Die wohl interessanteste Autobiografie erscheint am 12. April im Econ Verlag. Sheryl Sandberg, Jahrgang 1969, hat ihren bisherigen Lebensweg aufgeschrieben. Und da war ja auch schon einiges los:  Nach dem Studium in Harvard arbeitete sie bei der Weltbank und als Stabchefin von Finanzminister Larry Summers unter Bill Clinton. Danach machte sie das Anzeigengeschäft für Google rentabel. Auf einer Party lernte Sandberg 2007 Mark Zuckerberg kennen. Sie hat aus der coolen Klitsche Facebook ein profitables Unternehmen gemacht und ist auch Mitglied des Verwaltungsrates. In ihrer Autobiografie „Lean in“ betont sie, wie Frauen den Weg an die Spitze schaffen können. Quelle: REUTERS
Ein echtes Highlight der ersten Jahreshälfte ist das Buch „Makers“ von Chris Anderson (Hanser Verlag), das Ende Januar erscheint. Der Chefredakteur der renommierten Zeitschrift „Wired“ gilt als einer der Zukunftskenner schlechthin. Anderson geht davon aus, dass das Internet nicht nur die Welt der Kommunikation dramatisch verändert hat, sondern auch die Welt der Dinge. Wir stehen an der Schwelle zu einer neuen industriellen Revolution. Jeder kann selbst Produkte (Foto: Objekte aus einem 3D-Drucker) designen und fertigen – mit vergleichsweise geringem Aufwand zum Beispiel dank neuartiger 3D-Drucker. Quelle: dpa
Bücher über Innovationen sind ohnehin ein Trend im ersten Halbjahr. Gunter Dueck ist ein wahrer Querdenker, was der Titel seines schon im Januar erscheinenden Buches entspricht: „Das Neue und seine Feinde“ (Campus Verlag). Die Feinde von Innovationen seien ausgerechnet die, die mit Forschungsmilliarden um sich werfen: In Unternehmen herrsche Blockadehaltung, die Wissenschaft sei im „Elfenbeinturm“. Ein wertvoller Ratgeber, der sich und dem Leser das Leben nicht zu einfach macht. Quelle: dpa
Einen weiteren Zukunftstrend beschreiben die drei Autoren Hanno Charisius, Richard Friebe und Sascha Karberg. Sie kümmern sich um „Biohacking. Gentechnik aus der Garage“ (Hanser Verlag). Genforschung ist nämlich nicht mehr nur den Großkonzernen vorbehalten.  Sie gehen der Frage nach, wer hinter dem Hacking der Lebens-Codes steckt und wie die Politik auf sie reagieren sollte. Quelle: dpa

Wer war dieser Mann? Ricardo zählt zu den führenden Vertretern der klassischen Nationalökonomie. Berühmt wurde er nicht nur mit seinem Äquivalenztheorem, sondern auch mit der Theorie der komparativen Kostenvorteile. Diese erklärt, wie und warum sich Länder im internationalen Handel spezialisieren.

Ricardo kommt am 18. April 1772 in London als Sohn eines jüdischen Börsenmaklers zur Welt. Schon mit 14 Jahren arbeitet er für seinen Vater. Als er mit 21 Jahren die Quäkerin Priscilla Ann Wilkinson heiratet, enterbt ihn sein streng gläubiger Vater. Ricardo nimmt einen Kredit bei Freunden auf und gründet ein eigenes Maklerbüro. Die Ökonomie entdeckt er eher aus Langeweile: 1799 begleitet Ricardo seine Frau zu einer Kur in Bath im Süden Englands. Zum Zeitvertreib besucht er die Bibliothek des Kurorts – und findet dort Adam Smiths Werk "Der Wohlstand der Nationen", das ihn fasziniert.

Er profitiert vom Krieg

Während Ricardo sich in den folgenden Jahren in die Werke von Smith und Jean-Baptiste Say vertieft, kämpft sein Land gegen Napoleon. Der Krieg belastet Großbritannien schwer: Die Inflation steigt, Lebensmittel werden immer teurer, die Staatsschulden schießen innerhalb weniger Jahre auf über 200 Prozent des Bruttoinlandsproduktes nach oben. Ricardo klagt: "Die öffentlichen Schulden sind eine der schrecklichsten Geißeln, die jemals zur Plage einer Nation erfunden wurden."

Er selbst hingegen profitiert vom Krieg: Die Schlacht von Waterloo macht aus ihm einen der reichsten Männer Großbritanniens. Er investiert vor dem Gefecht fast sein gesamtes Vermögen in britische Staatsanleihen. Nach dem unerwarteten Sieg der preußischen und britischen Soldaten über Napoleons Truppen schießen die Kurse in die Höhe.

Ricardo verkauft seine Wertpapiere und zieht sich auf sein Anwesen in der Grafschaft Gloucestershire zurück, um sich ganz der Ökonomie zu widmen. 1817 erscheint sein Hauptwerk "Über die Grundsätze der politischen Ökonomie und Besteuerung". Fünf Jahre später stirbt er im Alter von 51 Jahren an den Folgen einer Mittelohrentzündung.

Barro entwickelte die Theorien weiter

Dass sein Äquivalenztheorem noch heute in fast jedem VWL-Lehrbuch auftaucht, ist nicht zuletzt ein Verdienst des amerikanischen Ökonomen Robert J. Barro. Der Harvard-Professor veröffentlichte 1974 einen Artikel, in dem er Ricardos Gedanken weiterentwickelte. Barro überwindet einen Schwachpunkt Ricardos, indem er die Theorie der rationalen Erwartungen anwendet und Ricardos Überlegungen so in die moderne Formelsprache der Ökonomie übersetzt: Die Bürger erwarten aufgrund der heutigen schuldenfinanzierten Ausgaben des Staates, dass sie oder ihre Kinder in der Zukunft mehr Steuern zahlen werden. Sie sparen, um auch für den Fall vorzusorgen, dass ihre Nachkommen die Steuerlast tragen müssen. Barro löst damit ein logisches Problem Ricardos: Dessen Äquivalenz geht nur auf, wenn man annimmt, dass die Steuerzahler ewig leben. In der Wissenschaft ist die Theorie deshalb heute auch als "Barro-Ricardo-Äquivalenzproposition" bekannt.

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