Wer war dieser Mann? Ricardo zählt zu den führenden Vertretern der klassischen Nationalökonomie. Berühmt wurde er nicht nur mit seinem Äquivalenztheorem, sondern auch mit der Theorie der komparativen Kostenvorteile. Diese erklärt, wie und warum sich Länder im internationalen Handel spezialisieren.
Ricardo kommt am 18. April 1772 in London als Sohn eines jüdischen Börsenmaklers zur Welt. Schon mit 14 Jahren arbeitet er für seinen Vater. Als er mit 21 Jahren die Quäkerin Priscilla Ann Wilkinson heiratet, enterbt ihn sein streng gläubiger Vater. Ricardo nimmt einen Kredit bei Freunden auf und gründet ein eigenes Maklerbüro. Die Ökonomie entdeckt er eher aus Langeweile: 1799 begleitet Ricardo seine Frau zu einer Kur in Bath im Süden Englands. Zum Zeitvertreib besucht er die Bibliothek des Kurorts – und findet dort Adam Smiths Werk "Der Wohlstand der Nationen", das ihn fasziniert.
Er profitiert vom Krieg
Während Ricardo sich in den folgenden Jahren in die Werke von Smith und Jean-Baptiste Say vertieft, kämpft sein Land gegen Napoleon. Der Krieg belastet Großbritannien schwer: Die Inflation steigt, Lebensmittel werden immer teurer, die Staatsschulden schießen innerhalb weniger Jahre auf über 200 Prozent des Bruttoinlandsproduktes nach oben. Ricardo klagt: "Die öffentlichen Schulden sind eine der schrecklichsten Geißeln, die jemals zur Plage einer Nation erfunden wurden."
Er selbst hingegen profitiert vom Krieg: Die Schlacht von Waterloo macht aus ihm einen der reichsten Männer Großbritanniens. Er investiert vor dem Gefecht fast sein gesamtes Vermögen in britische Staatsanleihen. Nach dem unerwarteten Sieg der preußischen und britischen Soldaten über Napoleons Truppen schießen die Kurse in die Höhe.
Ricardo verkauft seine Wertpapiere und zieht sich auf sein Anwesen in der Grafschaft Gloucestershire zurück, um sich ganz der Ökonomie zu widmen. 1817 erscheint sein Hauptwerk "Über die Grundsätze der politischen Ökonomie und Besteuerung". Fünf Jahre später stirbt er im Alter von 51 Jahren an den Folgen einer Mittelohrentzündung.
Barro entwickelte die Theorien weiter
Dass sein Äquivalenztheorem noch heute in fast jedem VWL-Lehrbuch auftaucht, ist nicht zuletzt ein Verdienst des amerikanischen Ökonomen Robert J. Barro. Der Harvard-Professor veröffentlichte 1974 einen Artikel, in dem er Ricardos Gedanken weiterentwickelte. Barro überwindet einen Schwachpunkt Ricardos, indem er die Theorie der rationalen Erwartungen anwendet und Ricardos Überlegungen so in die moderne Formelsprache der Ökonomie übersetzt: Die Bürger erwarten aufgrund der heutigen schuldenfinanzierten Ausgaben des Staates, dass sie oder ihre Kinder in der Zukunft mehr Steuern zahlen werden. Sie sparen, um auch für den Fall vorzusorgen, dass ihre Nachkommen die Steuerlast tragen müssen. Barro löst damit ein logisches Problem Ricardos: Dessen Äquivalenz geht nur auf, wenn man annimmt, dass die Steuerzahler ewig leben. In der Wissenschaft ist die Theorie deshalb heute auch als "Barro-Ricardo-Äquivalenzproposition" bekannt.