Experimentelle Ökonomen wie Ockenfels führen diese Spiele nun unter Laborbedingungen durch. Sie lassen Probanden gegen- und miteinander Entscheidungen treffen und beobachten deren Verhalten. Daraus lassen sich Empfehlungen für die Realität ableiten. Zum Beispiel für das Online-Auktionshaus Ebay, dass dank ökonomischer Experimente sein Regelwerk angepasst hat. So schließt sich der Kreis von der Realität über die Spieltheorie ins Labor und zurück in die reale Welt.
Eines der einflussreichsten wissenschaftlichen Spielszenarien, die durch das Nash-Gleichgewicht entstanden sind, ist das sogenannte Gefangenendilemma. Eigentlich von Nashs Kollegen bei der US-Denkfabrik Rand Corporation erdacht, um die Grenzen seiner Idee aufzuzeigen, wird es noch heute in Spieltheorie-Vorlesungen verwendet, um das Nash-Gleichgewicht zu erklären. Die Ausgangssituation ist wie folgt: Zwei Tatverdächtige A und B werden von der Polizei verhaftet und getrennt verhört. Sie haben die Möglichkeit, den anderen zu verpfeifen oder die Aussage zu verweigern. Schweigen beide, reicht die Beweislast nur, um sie für je fünf Jahre hinter Gitter zu bringen. Redet A, während B schweigt, kommt A frei, B wird für 20 Jahre eingesperrt. Umgekehrt gilt das Gleiche, wenn B redet und A schweigt. Reden beide, gibt es für beide je zehn Jahre. Je nach individuellem Verhalten drohen also 5, 10 oder 20 Jahre Knast.
Nashs Gleichgewicht prognostiziert in diesem Fall, dass beide reden und für zehn Jahre ins Gefängnis gehen. Und das, obwohl sie durch Schweigen die Strafe jeweils halbieren könnten. "Das Gleichgewicht zeigt, wann das Verfolgen von Eigeninteresse zum sozialen Optimum führt und wann nicht", sagt Spieltheorie-Experte Rieck. Im Gefangenendilemma stünde die Kooperation auf wackligen Beinen. In diesem Fall hätten beide Spieler die Möglichkeit, sich durch ein Geständnis sofort freizukaufen. Da diese Gefahr von beiden antizipiert wird, gestehen sie von vorneherein.
Die Crux mit dem Gleichgewicht
Nashs Kollegen wollten ihm mit diesem Beispiel vorführen, dass sein Gleichgewicht nicht immer zu effizienten Ergebnissen führt. Doch der Schuss ging nach hinten los. "Vor Nash hat man nicht verstanden, dass Kooperation selbst dann nicht immer zustande kommt, wenn es sich für alle lohnen würde", sagt Ökonom Ockenfels. Als Berater des Weltklimarats (IPCC) beobachtet er dieses Verhalten oft in der Realität. "Große gesellschaftliche Herausforderungen wie der Klimaschutz haben genau diese Dilemmastruktur", so Ockenfels. Auch wenn die meisten Staaten die Vorteile einer weltweiten Reduzierung von Treibhausgasen erkennen, mag es für jedes Land individuell lohnender erscheinen, das eigene Verhalten nicht zu ändern. Doch was für ein einzelnes Land optimal scheint, könnte für die Weltgemeinschaft fatal sein.