Geld allein reicht nicht Was uns wirklich glücklich macht

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Ein Teil der Zufriedenheit ist unabhängig von Rahmenbedingungen

Wobei wir beim Einzelnen und seiner Rolle wären. Denn Glück ist nicht nur das, was uns Politik oder Wirtschaft zugestehen. Ein Teil der Lebenszufriedenheit ist unabhängig von Rahmenbedingungen. Das Leben ist eine Achterbahn: Erst geht es langsam hoch, dann steil bergab, bevor es gegen Ende wieder hochgeht. Das Phänomen hat wegen seiner gezeichneten Form als U-Curve Einzug in die Forschung gehalten.

Die Arbeitsmarktforscher David Blanchfower und Andrew Oswald haben das herausgearbeitet. Das subjektive Glück steigt demnach bis etwa Anfang 40, sinkt zwischen 40 und 50 und steigt dann auf ein höheres Level. Die Midlife-Crisis. Dass die eher im Einzelnen als in der Ausgestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft liegt, hat Carol Graham festgestellt. Die Ökonomin untersuchte die U-Curve in Peru – wirtschaftlich eine ganz andere als unsere westliche Gesellschaft. Die U-Curve fand sie dort dennoch.

Wenn also nicht nur das System unser Glücksempfinden vorgibt, ist es – das freut überzeugte Liberale – durch jeden von uns beeinflussbar. Dafür müssen wir den kleinen Teufel auf unserer Schulter in den Griff kriegen. Er flüstert uns ein: „Mach Karriere. Verdiene mehr Geld. Kauf dir das größere Auto.“

Ihm zu widerstehen ist der erste Schritt zum Glück. Zumindest ab einem Jahreseinkommen von 50.000 Euro. Diese Grenze, ab der rein materieller Zugewinn nicht mehr in gleichem Maße glücklicher macht, zieht der Psychologe und Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman.

Auf einer Konferenz von Glücksökonomen vor wenigen Wochen bestätigte der Harvard-Ökonom Michael Norton: Selbst reiche Menschen glauben, dass sie bis zum perfekten Glück ein drei- bis vierfaches Einkommen anhäufen müssten. „Es ist dabei völlig egal, ob sie eine oder zehn Millionen Dollar besitzen“, sagte Norton. Deswegen sagt er: „Erlebnisse wie Reisen, Restaurantbesuche oder Familienausflüge bescheren ein länger anhaltendes Glücksgefühl als materielle Versüßungen.“

Generation Y

Der Berliner Glücksökonom Martin Binder betont ebenfalls, wie wichtig nicht monetäre Einflüsse für das Wohlergehen sind. „Wichtige Determinanten“, schreibt er, „sind der soziale Bereich, also Freunde und Familie, aber auch gesundheitliche Aspekte.“ Diese Glücksfaktoren zu fördern lohnt sich wiederum für alle. Binder hat einen sehr robusten Zusammenhang festgestellt: Menschen erleben nach einer Steigerung des eigenen Wohlbefindens auch positive Veränderungen der anderen Faktoren. Wer glücklicher wurde, konnte in der Folge auch über bessere Gesundheit und höheres Einkommen berichten. Glück macht also erfolgreich.

So gesehen lesen sich die Erkenntnisse wie ein Gründungsmanifest zur Generation Y. Jener Generation der nach 1980 Geborenen, die derzeit Personaler und ältere Semester gleichermaßen ratlos macht. Jener Generation, die die Hamburger Journalistin Kerstin Bund so beschrieben hat: „Manche halten uns für Freizeitoptimierer, die, anstatt an ihrer Karriere zu arbeiten, lieber pünktlich Feierabend machten oder sich gleich ins Sabbatical verabschiedeten.“ Bund argumentiert dann zwar weiter, dass diese Eigenschaften positiv zu verstehen seien – prägend sind sie jedenfalls für die Generation in jedem Fall.

Erst Sinnstiftung, dann Gehalt

Dass diese Einstellung ansteckend ist, zeigte jüngst eine umfassende Arbeitnehmerstudie der Fachhochschule Köln. Ökonomen des dortigen Schmalenbach-Instituts haben über sieben Jahre immer wieder insgesamt 5000 Arbeitnehmer aus dem deutschen Mittelstand nach der Zufriedenheit mit ihrer Arbeit gefragt. Ergebnis: Rund 70 Prozent nannten als oberstes Kriterium, dass ihre Arbeit Sinn stiften müsse. Erst dann folgte mit 60 Prozent Zustimmung das Kriterium „hohes Gehalt“.

Wie diese Skepsis vor materiellen Statussymbolen einer gesellschaftlichen Grundhaltung entspricht, zeigt übrigens auch der Blick auf den Glücksatlas, den vor einigen Monaten der Freiburger Ökonom Bernd Raffelhüschen und das Meinungsforschungsinstitut Forsa vorgelegt haben: Demnach leben die glücklichsten Deutschen in Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen, nicht im florierenden Süden.

Insgesamt seien die Deutschen aber „in allen Bereichen tendenziell glücklicher“ als vor zehn Jahren. Dies gelte aber nur in geringerem Ausmaß für Wohnung, Freizeit und Gesundheit.

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