Geld allein reicht nicht Was uns wirklich glücklich macht

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Lebensqualität? Finden Sozialdemokraten gut

Es gibt also nach wie vor Luft nach oben bei der nationalen Suche nach dem Glück. Luft, die Oliver Schmolke auszufüllen gedenkt. Er leitet den Planungsstab von Bundeswirtschaftsminister Gabriel und würde den Begriff „Glücksforschung“ nie freiwillig verwenden. Dennoch ist er ein großer Fan jener Ökonomen, die an der Einarbeitung qualitativer Ziele in unser Verständnis von volkswirtschaftlicher Entwicklung arbeiten. Mit Kollegen aus dem Kanzleramt hat er den Zukunftsdialog zur Lebensqualität ausgetüftelt.

Schmolke glaubt, sein Minister könnte ein starkes Thema noch gut gebrauchen. Und Lebensqualität? Das finden Sozialdemokraten immer gut. „Wir wollen“, sagt Schmolke, „eine Gesellschaft, deren Wohlstand sich nicht nur über die Bruttoregistertonnenlogik definiert. Umweltkosten, soziale Teilhabe, Nachhaltigkeit, das sollte doch auch eine Rolle spielen bei der Bewertung der Lebensqualität.“

Glücksfaktor:

"Politik ist nicht für individuelles Glück zuständig"

Zwar sagen alle in Berlin: „Politik ist nicht für individuelles Glück zuständig.“ Aber: Für das große Ganze möchte die große Koalition dann doch zuständig sein. Für Schmolke sieht der Plan so aus: Es gibt eine mögliche kleine und eine mögliche große Lösung. Die kleine: Die Regierung würde künftig einen Bericht zur Lebensqualität vorlegen. Es gäbe einen Pressetermin, Worte des Ministers. Ob die Deutschen zufriedener wären? Man hat so seine Zweifel.

Die große Lösung: Der Sachverständigenrat beim Wirtschaftsminister würde mit neuem Schwerpunkt über die Entwicklung der Lebensqualität berichtet. „Damit würden wir klarmachen, unser Begriff von Wohlstand ist breiter aufgestellt und berücksichtigt die Wünsche der Menschen“, sagt Schmolke. Am Ende dieser Entwicklung stünde, dass das Bruttoinlandsprodukt als Ausweis von wirtschaftlicher Stärke an Bedeutung verlöre. Ihm würde eine Art Glücksindikator gegenübergestellt.

Glücksfaktor:

Beschäftigung, Bildung, Gesundheit...

Gesellschaftliche Unterstützung dafür wäre da. Die Gewerkschaften erkannten schon vor Jahren, dass sich mit dem Streben nach Glück auch ihr eigenes Glück steigern lässt. Der DGB hat in den vergangenen Wochen mehr als 4000 Arbeitnehmer nach ihrer Befindlichkeit befragen lassen. Das Ergebnis: ein „Index Gute Arbeit“, der im Herbst erscheinen und die Arbeitsmarktpolitik beeinflussen soll.

Wie aber sieht dieses amtlich verordnete gute Leben aus? Die Industrieländer-Organisation OECD hat einen Better-Life-Index mit elf Indikatoren erstellt: Beschäftigung, Bildung, Gesundheit, Einkommen, Gemeinsinn, Lebenszufriedenheit, Sicherheit, Umwelt, Wohnverhältnisse, Work-Life-Balance und Zivilengagement stehen darauf. Länder, die künftig Wohlstand schaffen wollen, sollen bei allen Gesetzen diese Punkte beachten, findet die OECD. Als Beleg für ihre These, dass Politik in diesen Bereichen Glück fördern kann, führt die Organisation viele Politikbeispiele aus ihren Mitgliedsländern an: In Großbritannien loben die Forscher die aktivierende Arbeitsmarktpolitik, die die Langzeitarbeitslosigkeit gesenkt habe. Die Schweiz schneidet wegen ihrer direktdemokratischen Elemente gut ab.

Glücksfaktor:

Glück schlägt Geld

Am besten werten die OECD-Glückssucher aber Dänemark. In kaum einem Land ist die Mischung aus strukturell und individuell veranlagtem Glück besser. So sind in Dänemark deutlich mehr Menschen beschäftigt als im OECD-Schnitt, gleichzeitig grenzen gesetzliche Vorgaben die Arbeitszeit für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer erträglich ein. Nur zwei Prozent der Dänen machen massiv Überstunden gegenüber neun Prozent in anderen Industrieländern. Dennoch wächst die Volkswirtschaft. Auch die fast acht Prozent des BIPs, die das Königreich für Bildung ausgibt (Deutschland etwa fünf), gelten als glücksfördernd: Sie führen in Dänemark nicht nur dazu, dass mehr Schüler erfolgreich die Schule abschließen, sondern dass Mädchen und Jungen dies auch noch ähnlich gut tun. Ein hoher Bildungsgrad wiederum fördert ja das Glück. Gleichzeitig ist der Anteil zivilgesellschaftlichen Engagements nur in wenigen Mitgliedstaaten höher als in Dänemark.

Klar ist also: Politik allein wird uns das vollkommene Glück nicht bescheren.

Also sind wir doch selbst gefragt. Das ahnte schon Ludwig Erhard, der neben Wohlstand für alle Wellness für alle im Sinn hatte. Jedenfalls sagte er: „Mit steigender Produktivität und mit der höheren Effizienz der menschlichen Arbeit werden wir einmal in eine Phase der Entwicklungen kommen, in der wir uns fragen müssen, was denn eigentlich kostbarer und wertvoller ist – noch mehr zu arbeiten oder ein bequemeres, schöneres und freieres Leben zu führen.“

Spätestens wenn in den nächsten Jahren Roboter größere Teile unserer Arbeit und damit auch unserer Einkommen nehmen, werden wir den Duracell-Hasen in uns abschalten müssen. In einer Gesellschaft, in der alle Grundbedürfnisse erfüllt sind und die Möglichkeit, sein Einkommen zu steigern, überschaubar ist, gilt dann, was Ökonomen und Psychologen jetzt schon wissen: Glück schlägt Geld.

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