Geld allein reicht nicht Was uns wirklich glücklich macht

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Wirtschaftliche Freiheit darf nicht eingegrenzt werden

Bruttoinlandsprodukt, Handelsbilanzen, das waren auch die Indikatoren, an denen sich das Leben von Stefan Bergheim ausrichtete. Ein Frankfurter Banker, der als Volkswirt Karriere in der Hochfinanz machte. Merrill Lynch, JP Morgan, Deutsche Bank, in dieser Liga spielte er. Heute steht auf seiner Visitenkarte: Zentrum für gesellschaftlichen Fortschritt. Bergheim hat sich der Erforschung einer glücklicheren Wirtschaft verschrieben. In seinem Lebenslauf hat das Glück das Geld schon geschlagen.

Der Ex-Banker, der auch die Kanzlerin berät, hat in Frankfurt einen Feldversuch gestartet: Was passiert, wenn die Erkenntnisse der Verhaltensökonomie auf die Realität treffen? Bergheim hat ein gesellschaftliches Bündnis gegründet und fragen lassen: Wie definieren die Frankfurter Lebensqualität – und wie lässt sie sich umsetzen.

Erste Antwort: Die Leute wollen mehr Eigenverantwortung als gedacht. Zweite Antwort: Die bisherigen, meist materiellen Indikatoren für Fortschritt und Qualität einer Kommune reichen nicht. Für Bergheim ist die Leitfrage der Zukunft: „Welche Geschichte erzählen wir uns als Gesellschaft von einem besseren Leben.“ Das Ziel ist: ein glücklicher Kapitalismus.

von Ferdinand Knauß

Weder markt- noch wachstumsfeindlich

Da kommt Richard Layard ins Spiel, ein emeritierter Ökonom der London School of Economics. Er hat das „Action for Happiness“-Bündnis gegründet. Die britische Organisation macht sich weltweit für mehr Glück in Leben und Wirtschaft stark. Layard benennt den Knackpunkt der Debatte: Einer der wichtigsten Lehrsätze der klassischen Ökonomie lautet, dass freie und vom Wettbewerb bestimmte Märkte der Bevölkerung größtmögliches Glück bescheren.

Schließlich werde der Mensch glücklicher, je mehr er auf den Märkten tauschen könne. „Das Problem ist aber“, sagt Layard, „dass so viele für das Glück überaus bedeutsame Dinge aus Beziehungen hervorgehen, die nicht mit dem Markt zusammenhängen und eher innerhalb eines Gemeinwesens stattfinden.“ Um das nicht falsch zu verstehen: Layard ist weder Markt- noch Wachstumsfeind. Auch seine Forschung belegt: Bis zu einer gewissen Grenze spielt Geld natürlich eine Rolle. Und auch er sagt: „Wer die wirtschaftliche Freiheit eingrenzt, legt auch auf andere Freiheiten keinen Wert.“

Welche Berufe glücklich machen
die glücklichsten Menschen arbeiten in Hamburg Quelle: dpa
Die Jobsuchmaschine Indeed hat sich der Zufriedenheit deutscher Arbeitnehmer angenommen und nachgefragt, wer mit seinem Job besonders zufrieden ist. Die glücklichsten Berufe in Deutschland sind demnach eine bunte Mischung aus allen Ausbildungswegen und Hierarchiestufen. So gehören zu den Top 20 der zufriedensten Berufe viele traditionelle Handwerksberufe wie Maurer, Tischler oder Elektriker. Zufrieden sind allerdings auch - entgegen aller Klischees - Lehrer und Krankenschwestern. An der Spitze der Liste stehen Trainer, studentische Hilfskräfte und, wenig überraschend, Geschäftsführer. Laut dem Meinungsforschungsinstituts YouGov sind allgemein nur sieben Prozent der Deutschen wirklich unzufrieden mit ihrem Job, 75 Prozent der Arbeitnehmer macht ihre Arbeit mehrheitlich Spaß. Damit sie sich im Beruf wohl fühlen, brauchen 27 Prozent der Beschäftigten neue Herausforderungen, für 18 Prozent ist ein abwechslungsreicher Arbeitsalltag wichtig, für 15 Prozent bessere Gehaltsaussichten. Immerhin 14 Prozent wollen „etwas Sinnvolles“ für die Gesellschaft tun. Die folgenden Berufe erfüllen diese Kriterien - und machen glücklich. Quelle: Fotolia
Gärtner und Floristen sind zu 87 Prozent glücklich. "Ich arbeite in einer Umgebung, die ich mag, und tue etwas lohnendes und sinnvolles", gaben sogar 89 Prozent von ihnen an. Quelle: Fotolia
Jemand frisiert einen Puppenkopf Quelle: dpa
Männer arbeiten an Toiletten. Quelle: AP
Die ersten Nicht-Handwerker in der Glücksrangliste sind ausgerechnet Marketing- und PR-Leute (75 Prozent). Die Wahrheit steht offenbar nicht in direktem Zusammenhang mit dem Glück. Quelle: Fotolia
Jemand hält einen Glaskolben mit einer Flüssigkeit darin. Quelle: AP

Wir sind keine Duracell-Hasen

Den Wert immer neuen Wachstums von Einkommen und Vermögen aber begrenzt ein zutiefst menschliches Phänomen: Wenn der Einzelne reicher wird, ist es für ihn von Bedeutung, dass er in Relation zu allen anderen Menschen reicher wird. 1998 konfrontierten die Wissenschaftler Sara Solnick und David Hemenway ihre Probanden mit zwei Szenarien. Erstens: Ihr Jahreseinkommen liegt bei 50.000 Dollar, alle anderen verdienen 25.000. Zweitens: Ihr Einkommen liegt bei 100.000 Dollar, das der anderen aber bei 200.000. Die meisten Befragten bevorzugten Situation A. Wann immer jemand ein relativ höheres Einkommensniveau erreicht, bedeutet das für jemand anderen einen relativen Abstieg.

Der Kampf um höhere Einkommen ist in Sachen Glück ein Nullsummenspiel für die Gesellschaft und beschert dem Einzelnen ein Leben nach Vorbild des Duracell-Hasen: Man trommelt und trommelt und trommelt, lärmt dabei – kommt aber nicht von der Stelle. Und dennoch ist am Ende selbst die stärkste Batterie irgendwann leer.

Für Layard ist der Weg vom Menschen zum Duracell-Hasen nicht vorgezeichnet: „Wollen wir nicht, dass unsere Gesellschaften auf einem flach verlaufenden Glücksniveau bleiben, müssen wir unser Augenmerk auf solche Glücksquellen richten, die eine tatsächliche Zunahme unseres Glücks zulassen.“ Er nennt: zwischenmenschliche Beziehungen, ein hohes Maß an Einkommensgleichheit und eine gute Bildungspolitik. Politik könnte all das fördern.

In seinem Bündnis „Action for Happiness“ sammelt Layard nun weltweit Gleichgesinnte und fordert: Macht aus der sozialen Marktwirtschaft eine glückliche Marktwirtschaft.

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