Der Chef-Haushälter der Unions-Bundestagsfraktion, Norbert Barthle (CDU), hat zurückhaltend auf Berichte reagiert, wonach der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, plant, die EZB im Kampf gegen eine Kreditklemme auch Ramschpapiere aus Griechenland und Zypern aufkaufen zu lassen. „Wenn es denn unbedingt ein Ankaufprogramm von Verbriefungsprodukten geben soll, sollte sich dieses auf Papiere mit der höchsten Qualität, senior tranches, beschränken“, sagte Barthle dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). „Generell abzulehnen ist der Wunsch Draghis nach Staatsgarantien für den Ankauf von verbrieften Kreditforderungen.“
Der Vize-Vorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD), Hans-Olaf Henkel, reagierte mit scharfer Kritik auf die Draghi-Pläne. „Statt ein Übergreifen des durch besonders hohe Staats- und Bankschulden im Süden und in Frankreich ausgelösten Brandes auf Deutschland zu verhindern, sorgt die EZB nun für Funkenflug in Richtung Deutschland“, sagte Henkel dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). „Denn wer sonst, als die Deutschen, übernehmen das Risiko dieser Papiere, die nicht umsonst unter Finanzexperten als Ramsch bezeichnet werden.“
Henkel hält es vor diesem Hintergrund für geboten, gegenzusteuern. „Je mehr Draghi sich herausnimmt, je weniger die Notwendigkeit, sich vor dem Bundestag und der Öffentlichkeit für diese uns auferlegten Risiken verantworten zu müssen“, kritisierte der AfD-Vize. Eine „Renationalisierung der Verantwortung für Staats- und Bankenschulden“ sei daher jetzt ein „Gebot der Demokratie“.
Reaktionen auf EZB-Zinssenkung und Wertpapierkäufe
Die EZB senkt im Kampf gegen eine drohende Deflation ihren Leitzins überraschend auf das neue Rekordtief von 0,05 Prozent. Der Schlüsselsatz für die Versorgung des Bankensystems mit Zentralbankgeld lag seit Juni bei 0,15 Prozent. In der anschließenden Pressekonferenz kündigte Zentralbank-Chef Mario Draghi zudem an, dass die EZB sogenannte Kreditverbriefungen (ABS) sowie Pfandbriefe aufkaufen wird. Ökonomen und Händler sagten dazu in ersten Reaktionen:
"Die EZB hatte ihr Pulver schon viel zu früh verschossen und die Zinsen zu weit gesenkt. Jetzt ist sie in der Liquiditätsfalle. Sie kann an dieser Stelle kaum noch etwas tun. Bedauerlicherweise deutet sich auch der Kauf von Anleihen durch die EZB an. Damit würde sie das Investitionsrisiko der Anleger übernehmen, wozu sie nicht befugt ist, weil es sich dabei um eine fiskalische und keine geldpolitische Maßnahme handelt. Eine solche Politik ginge zulasten der Steuerzahler Europas, die für die Verluste der EZB aufkommen müssten."
"Die Notenbanker argumentieren mit den zuletzt schwachen Konjunkturdaten und der geringen Inflation. Auch die gesunkenen mittelfristigen Inflationserwartungen wurden thematisiert. In diesem Zusammenhang wurden auch die Projektionen für Wachstum und Inflation in diesem Jahr nach unten angepasst. Insofern bleibt die Tür für weitergehende Lockerungsschritte weit geöffnet."
"EZB-Chef Mario Draghi hat geliefert, warum auch immer. Für uns ist das nicht gerade eine glückliche Maßnahme. Alle Banken und Vermögensverwalter sind jetzt in noch größerer Not, ihre Liquidität irgendwo zu parken, ohne bestraft zu werden. Auch die Sparer dürften sich verraten fühlen und werden immer mehr ins Risiko gezwungen."
"Die ökonomischen Wirkungen der heutigen Zinssenkung sind vernachlässigbar. Die EZB hat sich im Vorfeld der Zinsentscheidung unnötig unter Zugzwang gesetzt. Die Gefahr, dass der Euro-Raum in eine gefährliche Deflationsspirale rutscht, ist nach wie vor gering. Auf der anderen Seite wächst mit den Aktivitäten der EZB die Gefahr, dass die in mehreren Euro-Ländern dringend erforderlichen Wirtschaftsreformen weiter verschleppt werden."
"Das ist überraschend. Eine Zinssenkung hatte niemand so richtig auf der Agenda - zumal sie konjunkturell nichts bringt und verpuffen wird. Die Deflationsgefahr lässt sich damit nicht vertreiben. Dazu bedarf es eher eines Anleihen-Kaufprogramms. Die EZB signalisiert mit ihrer Maßnahme aber, dass sie sehr weit zu gehen bereit ist. Das ist eher ein symbolischer Schritt. Die realwirtschaftlichen Folgen sind bescheiden."
"Beginnt jetzt auch EZB-Chef Mario Draghi damit, Geld aus dem Hubschrauber abzuwerfen? Wenn Draghi um 14.30 Uhr mit der Pressekonferenz beginnt, wissen wir mehr. Dann wird sich zeigen, ob die Zinssenkung nur das Vorspiel für weiteres geldpolitisches Feuerwerk sein wird oder er damit den bequemsten Weg wählte, um unkonventionelle Maßnahmen in großem Stil ohne Gesichtsverlust abzuwenden."
"Das war schon eine heftige Überraschung, mit einer Zinssenkung hat kaum einer gerechnet. Bei der Senkung der Zinsen handelt es sich zwar nur noch um Nuancen, aber das ist ein wichtiges Signal an die Kapitalmärkte, dass die EZB bereit ist, alles zu tun, was nötig ist."
Auch die FDP warnte, die EZB dürfe sich nicht in den Kauf minderwertiger Papiere hineintreiben lassen. "Wir müssen übermäßige Risiken weiter vermeiden", sagte der liberale Europaabgeordnete Michael Theurer. Die EZB habe getan, was sie könne. Die Geldpolitik sei damit "ziemlich ausgereizt", fügte das FDP-Präsidiumsmitglied hinzu. "Jetzt sind vielmehr die Staaten gefordert, strukturelle Reformen durchzuführen." Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften lasse sich nur im und mit dem Markt erreichen, und nicht gegen ihn.
Die „Financial Times“ (FT) hatte zuvor berichtet, das EZB-Direktorium werde in der Ratssitzung am Donnerstag vorschlagen, die Regeln für den Kauf sogenannter Asset-Backed Securities (ABS) entsprechend zu ändern. Betroffen sind demnach gebündelte Kredite, deren Gläubiger bei Kreditausfall als letzte haften. Sie gelten daher als sicherer. Mit sogenannten ABS-Papieren können Banken Kredit-Risiken bündeln, aus ihren Bilanzen auslagern und an den Markt bringen. Idealerweise haben sie damit mehr Mittel frei, um neue Darlehen zu vergeben.