Große Ökonomen und ihre Ideen Schumpeter und die Zivilisationsmaschine

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Schumpeters Konjunkturzyklen Quelle: Vandenhoeck & Ruprecht / UTB

Schumpeter wendet gegen Adam Smith ein, im Wesentlichen noch eine vorkapitalistische Welt beschrieben zu haben, und zeiht David Ricardo einen „Stagnationisten“. Beide Klassiker hätten keinen blassen Schimmer davon gehabt, „was die kapitalistische Produktionsmaschine später leisten sollte“. Karl Marx wiederum habe zwar die Dynamik des Kapitalismus verstanden, aber nichts von der Psychologie des Wohlstands. Im Gegensatz zu Marx ist der Unternehmer für Schumpeter kein parasitärer Kapitalist, sondern ein „Industriekapitän“ – und der Arbeiter nicht „willenlos fremden Zwecken dienstbar“, sondern der „größte Interessent der kapitalistischen Wirtschaft“. Es stand für ihn außer Frage, dass der Kapitalismus langfristig für steigende Einkommen und sinkende Güterpreise sorgt – und den Lebensstandard der Massen erhöht. Der Arbeiter wachse daher nicht zum Klassenkämpfer heran, sondern zu einem Bürger mit individuellen Konsuminteressen: „Das einheitliche proletarische Klassenbewusstsein ist unzweifelhaft eine Treibhauspflanze und kein natürliches Gewächs.“

Weltwirtschaftskrise als konjunturelles Wellental

Überzeugt von der Leistungsfähigkeit des Kapitalismus, hielt Schumpeter Börsencrashs und Wirtschaftskrisen für vorübergehende Erscheinungen. Er bedauerte sie – aber in etwa so, wie man einen Regentag bedauert. Er selbst hat in den Zwanzigerjahren als Investor ein Vermögen angehäuft – und bei einem Kursrutsch (1924) verloren. Selbst die Weltwirtschaftskrise deutete er nicht als Pathologie des Kapitalismus, sondern beinahe gleichmütig als Wellental im konjunkturellen Auf und Ab. Seinem Zeitgenossen John Maynard Keynes warf er vor, seine einflussreichen Theorien zur staatlichen Stimulierung der Wirtschaft mit kurzsichtigem Blick als politische Gebrauchsanweisung verfasst zu haben, die auf der falschen Vorstellung beruhe, der Kapitalismus sei grundsätzlich sklerotisch geworden. Aus Sicht von Schumpeter hatte sich Keynes damit disqualifiziert. Er mahnte wissenschaftliche Neutralität an, erinnerte an die Erfolgsgeschichte des Kapitalismus – und machte ganz allgemein geltend, dass die moderne Wirtschaft sich nicht erschöpfen könne, weil zyklischer Wandel mit all seinen „Diskontinuitäten und seismischen Erschütterungen“ ihr innerstes Geheimnis sei.

Vertrauen auf den Fortschritt

Das Vertrauen von Schumpeter in die Dynamik des Fortschritts war so groß, dass er einen nur schwach entwickelten Sinn für strukturelle Gefahren hatte. Die damals (wie heute) gängige Kritik an der Macht von Großunternehmen konterte er mit dem Hinweis, dass der Konsument von Skaleneffekten und Organisationsinnovationen profitiere. Selbst Monopole seien nur dazu da, um überwunden zu werden. Das klassische Paradigma der „vollkommenen Konkurrenz“ hielt er für überschätzt: Im Kapitalismus gehe es selbstverständlich um das Ausnützen von Innovationsvorsprüngen und Marktvorteilen – und um das Niederkonkurrieren von Wettbewerbern.

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