Hans-Hermann Hoppe "Steuern sind Enteignung"

Der anarcho-libertäre Ökonom Hans-Hermann Hoppe plädiert für eine staatsfreie Gesellschaft. Die Regierung habe zum Beispiel kein Recht, die Bürger durch Steuern zur Finanzierung einer Streitkraft zu zwingen.

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Hans-Hermann Hoppe Quelle: PR

WirtschaftsWoche: Herr Professor Hoppe, derzeit haben staatliche Eingriffe in die Wirtschaft und in die Gesellschaft wieder Hochkonjunktur. Viele Bürger wünschen sich mehr Staat und weniger Markt. Wie erklären Sie sich das?

Hoppe: Die Geschichte zeigt, dass Krisen das Wachstum des Staates fördern. Besonders deutlich wird dies bei Kriegen und terroristischen Anschlägen. Regierungen nutzen solche Krisen, um sich als Krisenlöser aufzuspielen. Das gilt auch für die Finanzkrise. Sie hat den Regierungen und den Zentralbanken einen willkommenen Anlass geboten, noch stärker in die Wirtschaft und die Gesellschaft einzugreifen. Die Staatsvertreter haben es geschafft, die Schuld für die Krise auf den Kapitalismus, die Märkte und die Gier abzuschieben.

Wäre die Weltwirtschaft ohne die Eingriffe der Zentralbanken und der Regierungen in Form von Liquiditätsspritzen und Konjunkturprogrammen nicht in eine tiefe Depression wie in den 1930er Jahren gestürzt?

Es ist ein Irrglaube, Regierungen und Notenbanken könnten der Wirtschaft mit Hilfsprogrammen wieder auf die Beine helfen. Schon in den 1930er Jahren gab es in den USA Konjunkturprogramme. Doch die Große Depression endete erst nach dem Zweiten Weltkrieg. In den Jahren zuvor sank die Arbeitslosigkeit in den USA nie unter 15 Prozent. Die Banken horteten das Zentralbankgeld, statt damit Kredite zu vergeben. Ähnlich ist es derzeit. Das Geld gelangt nicht in die Gütermärkte, die Warenpreise steigen daher kaum. Aber das heißt nicht, dass es keine Inflation gibt. Man muss sich nur die Entwicklung an den Aktienmärkten anschauen, um zu erkennen, wohin das Geld fließt. Die Inflation findet an den Asset-Märkten statt.

Zur Person

Die Hausse an den Aktienmärkten ist auch eine Folge der negativen Realzinsen, die das Sparen unattraktiv machen...

...und dadurch unseren Wohlstand gefährden. Eine Wirtschaft kann nur wachsen, wenn die Menschen mehr sparen und weniger konsumieren. Ohne Ersparnis gibt es keine tragfähigen Investitionen.

Warum?

Ich gebe Ihnen ein einfaches Beispiel. Stellen Sie sich Robinson Crusoe und Freitag auf ihrer einsamen Insel vor. Wenn Robinson Fische fängt und einige davon nicht selbst konsumiert sondern Freitag leiht, kann sich dieser davon einige Tage ernähren und die Zeit in den Bau eines eigenes Fangnetzes investieren. Mit diesem Netz kann er dann so viele Fische fangen, um davon zu leben und Robinson die geliehenen Fische zurück zu geben. Beiden geht es also besser als zuvor. Was aber passiert, wenn Robinson nicht spart, sondern alle Fische selbst isst und Freitag nur ein Zertifikat gibt, das dieser in Fische einlösen kann? Wenn Freitag das Zertifikat bei Robinson einlösen will, stellt er fest, dass kein Fisch mehr da ist. Freitag muss sich daher selbst schleunigst Nahrung besorgen und hat keine Zeit, das Netz fertig zu stellen. Es bleibt als Investitionsruine zurück. Der Lebensstandard von Freitag und Robinson sinkt.

"Fische nicht gespart, sondern selbst verspeist"

Was hat das mit unserer heutigen Situation zu tun?

Vergleichbares passiert in unseren modernen Volkswirtschaften. Die Kreditschöpfung aus dem Nichts drückt die Zinsen künstlich nach unten und löst Investitionen aus, denen keine entsprechende Ersparnis gegenüber steht. Angesichts der niedrigen Zinsen wird kaum noch gespart, dafür umso mehr konsumiert. So wie Robinson seine Fische nicht gespart, sondern selbst verspeist hat. Der verstärkte Konsum entzieht den Investitionen Ressourcen, Projekte können nicht fertig gestellt werden, die Banken kappen die Kredite, die Projekte werden liquidiert, die Wirtschaft stürzt in die Krise.

Heißt das, uns droht bald der nächste Crash?

Die Zentralbanken versuchen, die Krise mit noch mehr Kredit und Geld zu beenden, obwohl diese durch zu viel Geld und Kredit verursacht wurde. Daher wird der nächste Crash noch heftiger ausfallen als der jüngste.

Die größten Ökonomen
Adam Smith, Karl Marx, John Maynard Keynes und Milton Friedman: Die größten Wirtschafts-Denker der Neuzeit im Überblick.
Gustav Stolper war Gründer und Herausgeber der Zeitschrift "Der deutsche Volkswirt", dem publizistischen Vorläufer der WirtschaftsWoche. Er schrieb gege die große Depression, kurzsichtige Wirtschaftspolitik, den Versailler Vertrag, gegen die Unheil bringende Sparpolitik des Reichskanzlers Brüning und die Inflationspolitik des John Maynard Keynes, vor allem aber gegen die Nationalsozialisten. Quelle: Bundesarchiv, Bild 146-2006-0113 / CC-BY-SA
Der österreichische Ökonom Ludwig von Mises hat in seinen Arbeiten zur Geld- und Konjunkturtheorie bereits in den Zwanzigerjahren gezeigt, wie eine übermäßige Geld- und Kreditexpansion eine mit Fehlinvestitionen verbundene Blase auslöst, deren Platzen in einen Teufelskreislauf führt. Mises wies nach, dass Änderungen des Geldumlaufs nicht nur – wie die Klassiker behaupteten – die Preise, sondern auch die Umlaufgeschwindigkeit sowie das reale Produktionsvolumen beeinflussen. Zudem reagieren die Preise nicht synchron, sondern in unterschiedlichem Tempo und Ausmaß auf Änderungen der Geldmenge. Das verschiebt die Preisrelationen, beeinträchtigt die Signalfunktion der Preise und führt zu Fehlallokationen. Quelle: Mises Institute, Auburn, Alabama, USA
Gary Becker hat die mikroökonomische Theorie revolutioniert, indem er ihre Grenzen niederriss. In seinen Arbeiten schafft er einen unkonventionellen Brückenschlag zwischen Ökonomie, Psychologie und Soziologie und gilt als einer der wichtigsten Vertreter der „Rational-Choice-Theorie“. Entgegen dem aktuellen volkswirtschaftlichen Mainstream, der den Homo oeconomicus für tot erklärt, glaubt Becker unverdrossen an die Rationalität des Menschen. Seine Grundthese gleicht der von Adam Smith, dem Urvater der Nationalökonomie: Jeder Mensch strebt danach, seinen individuellen Nutzen zu maximieren. Dazu wägt er – oft unbewusst – in jeder Lebens- und Entscheidungssituation ab, welche Alternativen es gibt und welche Nutzen und Kosten diese verursachen. Für Becker gilt dies nicht nur bei wirtschaftlichen Fragen wie einem Jobwechsel oder Hauskauf, sondern gerade auch im zwischenmenschlichen Bereich – Heirat, Scheidung, Ausbildung, Kinderzahl – sowie bei sozialen und gesellschaftlichen Phänomenen wie Diskriminierung, Drogensucht oder Kriminalität. Quelle: dpa
Jeder Student der Volkswirtschaft kommt an Robert Mundell nicht vorbei: Der 79-jährige gehört zu den bedeutendsten Makroökonomen des vergangenen Jahrhunderts. Der Kanadier entwickelte zahlreiche Standardmodelle – unter anderem die Theorie der optimalen Währungsräume -, entwarf für die USA das Wirtschaftsmodell der Reaganomics und gilt als Vordenker der europäischen Währungsunion. 1999 bekam für seine Grundlagenforschung zu Wechselkurssystemen den Nobelpreis. Der exzentrische Ökonom lebt heute in einem abgelegenen Schloss in Italien. Quelle: dpa
Der Ökonom, Historiker und Soziologe Werner Sombart (1863-1941) stand in der Tradition der Historischen Schule (Gustav Schmoller, Karl Bücher) und stellte geschichtliche Erfahrungen, kollektive Bewusstheiten und institutionelle Konstellationen, die den Handlungsspielraum des Menschen bedingen in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. In seinen Schriften versuchte er zu erklären, wie das kapitalistische System  entstanden ist. Mit seinen Gedanken eckte er durchaus an: Seine Verehrung und gleichzeitige Verachtung für Marx, seine widersprüchliche Haltung zum Judentum. Eine seiner großen Stärken war seine erzählerische Kraft. Quelle: dpa
Amartya Sen Quelle: dpa

Die Währungshüter versprechen, die Liquidität rechtzeitig abzusaugen, bevor es brenzlig wird.

Theoretisch mag das möglich sein. Die Zentralbanken könnten die Geldmenge verringern, indem sie Staatsanleihen verkaufen. Nur ist das in der Praxis bisher nie geschehen. Denn es widerspricht der Strategie der Zentralbanken, die Zinsen möglichst niedrig zu halten...

... und Inflation zu erzeugen?

Die Notenbanken versuchen, das Papiergeldsystem mit allen Mitteln zu retten. Ich fürchte, der nächste Schritt besteht darin, den noch verbliebenen Währungswettbewerb durch eine Zentralisierung des Geld- und Bankwesens auszuschalten. Am Ende könnte eine Art globale Zentralbank mit einer globalen Gemeinschaftswährung stehen, in der Dollar, Euro und Yen aufgehen. Befreit vom Wettbewerb mit anderen Währungen hätte diese Notenbank dann noch mehr Inflationsspielraum. Die Krise wäre nicht beendet, sondern käme auf globaler Ebene mit voller Wucht zurück.

Manche Ökonomen fordern, den Zentralbanken die Hände zu binden und den Goldstandard wieder einzuführen.

Regierungen und Zentralbanken werden sich dagegen wehren. Als staatliche Geldmonopolisten haben die Notenbanken kein Interesse, ihre Macht zu verlieren. Eine freiwillige Rückkehr zum Goldstandard halte ich daher für unrealistisch.

Was ist mit China, das Land will den Yuan als Leitwährung etablieren.

Für China wäre es ein geschickter Schachzug, den Yuan durch Gold zu decken, um den Dollar vom Thron zu stoßen. Mit einem durch Gold gedeckten Yuan wären die Tage der wirtschaftlichen Vorherrschaft Amerikas und des Dollar gezählt. Der Westen wird daher alles unternehmen, um dies zu verhindern.

"Für die Freiheit wäre es am besten, Europa zerfiele in viele Kleinstaaten"

Vilfredo Pareto legte vor mehr als 100 Jahren den Grundstein für die moderne Wohlfahrtsökonomik. Sein Kriterium wird heute noch genutzt, um die Effizienz von Verteilungen zu bewerten.

In Europa haben sich Regierungen und Zentralbank im Zuge der Euro-Rettung über Recht und Gesetz hinweggesetzt, ohne dass es einen Aufschrei der Öffentlichkeit in Deutschland dagegen gab.

Die Deutschen lassen sich von Amerika diktieren, was sie zu tun und zu lassen haben. Amerika hat ein vitales Interesse daran, dass der Euro bleibt, denn für den Dollar ist er eine bequemere Konkurrenz als 17 nationale Währungen. Amerika muss sich so nur an eine Zentralbank, nämlich die EZB wenden, um seine Interessen mit politischem Druck durchzusetzen.

Die Euro-Rettung und die zunehmende Verlagerung von Befugnissen nach Brüssel lösen Unbehagen in der Bevölkerung aus. Haben die politischen Eliten die Integrationsbereitschaft der Bürger überfordert?

Staaten haben generell die Tendenz, ihre Macht zu zentralisieren. In Europa soll die Kompetenzverlagerung nach Brüssel den Wettbewerb der Länder untereinander ausschalten. Der Wunschtraum der Etatisten ist ein Weltstaat mit einheitlichen Steuern und Regulierungen, der den Bürgern jede Möglichkeit nimmt, durch Abwanderung ihre Lebensumstände zu verbessern. Die Bürger erkennen, dass die Europäische Union im Grunde genommen ein riesiger Umverteilungsapparat ist. Das schürt die Unzufriedenheit und stachelt den Neid der Völker untereinander an.

Was kann man dagegen tun?

Für die Freiheit wäre es am besten, Europa zerfiele in möglichst viele Kleinststaaten. Das gilt auch für Deutschland. Je kleiner die räumliche Ausdehnung eines Staates, desto leichter ist es, auszuwandern und desto netter muss der Staat zu seinen Bürgern sein, um die produktiven Menschen zu halten.

Sie wollen eine Rückkehr in die Kleinstaaterei des 19. Jahrhunderts?

Schauen Sie sich die wirtschaftlich-kulturelle Entwicklung an. Im 19. Jahrhundert war das, was heute Deutschland ist, die führende Region in Europa. Die großen kulturellen Leistungen entstanden in einer Zeit, in der es keinen großen Zentralstaat gab. Die Klein-Territorien standen in einem intensiven Wettbewerb untereinander. Jeder wollte die besten Bibliotheken, Theater und Universitäten haben. Das hat die kulturelle und geistige Entwicklung deutlich stärker voran gebracht als etwa in Frankreich, das schon damals zentralisiert war. Dort konzentrierte sich alles auf Paris, der Rest des Landes versank in kultureller Dunkelheit.

Aber der freie Handel droht bei Sezession und Kleinstaaterei auf der Strecke zu bleiben.

Im Gegenteil. Kleinstaaten müssen Handel treiben. Ihr Markt ist nicht groß genug und sie sind zu wenig diversifiziert, um autark zu leben. Wenn sie keinen Freihandel betreiben, sind sie nach einer Woche am Ende. Ein großer Staat wie Amerika hingegen kann sich weitgehend selbst versorgen und ist daher weniger auf freien Austausch mit anderen Staaten angewiesen. Zudem können kleine und souveräne Staaten nicht dauernd die Schuld bei anderen abladen, wenn bei ihnen etwas schief läuft. In der EU wird Brüssel gern für alle möglichen Missstände verantwortlich gemacht. In unabhängigen Kleinstaaten müssten die Regierungen dagegen selbst die Verantwortung für Missstände in ihrem Land übernehmen. Das hat eine befriedende Wirkung auf die Beziehungen der Völker untereinander.

"Warengeld wie Gold oder Silber"

Die "Ricardianische Äquivalenz" ist bis heute ein Argument gegen Konjunkturpakete: Bürger erkennen in schulden-finanzierten Wohltaten die Steuern von morgen – und konsumieren daher nicht mehr.
von Jacqueline Goebel

Kleinstaaten hätte eigene Währungen, das wäre das Ende der Integration der Kapitalmärkte.

Kleinstaaten könnten sich eigene Währungen gar nicht leisten, weil das die Transaktionskosten in die Höhe triebe. Sie würden daher nach einer gemeinsamen Währung streben, die unabhängig und unbeeinflusst ist von den einzelnen Regierungen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit würden sie sich auf ein Warengeld wie Gold oder Silber einigen, dessen Wert im Markt bestimmt wird. Kleinstaaterei führt zu mehr Markt und weniger Staat im Geldwesen.

Würde Europa zu einer Ansammlung von Kleinstaaten, hätte es im internationalen Konzert großer Länder wirtschaftlich nichts mehr zu melden.

Wie schaffen es dann die Schweiz, Liechtenstein, Monaco und Singapur, wirtschaftlich ganz vorne mit dabei zu sein? Mein Eindruck ist, dass diese Länder wohlhabender sind als Deutschland und dass die Deutschen wohlhabender waren, bevor sie sich auf das Abenteuer Euro eingelassen haben. Wir sollten uns von der Vorstellung lösen, dass Wirtschaft zwischen Staaten stattfindet. Wirtschaft findet zwischen Menschen und Unternehmen statt, die hier und dort produzieren. Es konkurrieren nicht Staaten gegen Staaten sondern Unternehmen gegen Unternehmen. Nicht die Größe eines Landes bestimmt seinen Wohlstand, sondern die Fähigkeit seiner Bürger.

Wer wettbewerbsfähig ist und wer nicht
Platz 57: BulgarienBulgarien wird zurecht als das Armenhaus Europas bezeichnet. Unter 60 Ländern, die die Schweizer Wirtschaftshochschule IMD (International Institute for Management Development) nach ihren wirtschaftlichen Stärken und Schwächen miteinander verglichen hat, landet Bulgarien auf Platz 57 (Platz 54 im Jahr 2012). Damit ist Bulgarien das wirtschaftlich schwächste Land der Europäischen Union. Noch schlechter stehen nur noch Kroatien (Platz 58), das am 1. Juli der EU beitreten wird, Argentinien (Platz 59) und Venezuela (Platz 60) da. Wirklich gut schneidet Bulgarien nur beim Preisniveau ab, da belegt es im internationalen Vergleich Platz vier. In Disziplinen wie Beschäftigungsrate, Arbeitsmarkt, Bildung, Infrastruktur, gesellschaftliche Rahmenbedingungen, Gesundheit und Investments schafft es das osteuropäische Land nicht einmal unter die Top 30. Quelle: dpa
Platz 55: RumänienIm gleichen Atemzug mit Bulgarien wird stets Rumänien genannt. Das Land liegt im internationalen Vergleich auf Rang 55, im Vorjahr schaffte es Rumänien noch auf Platz 53 von 60 im World Competitiveness-Ranking. Von 21,35 Millionen Einwohnern haben 10,15 Millionen einen Job, die Arbeitslosenquote beträgt 6,8 Prozent. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Rumäniens liegt bei 169,4 Milliarden Euro - im internationalen Vergleich macht das Platz 48 von 60. Beim BIP pro Kopf schafft es das Land mit 16.062 Euro auf Rang 46. Wirklich glänzen kann auch Rumänien nur beim Preisniveau, da landet es auf Platz neun von 60. Die zweitbeste Wertung bekommt das osteuropäische Land für seine Beschäftigungsquote: Hier liegt es im internationalen Vergleich auf Rang 33. Fragt man Unternehmen, was sie am meisten am Wirtschaftsstandort Rumänien schätzen, nennen 78,7 Prozent die offene und freundliche Art der Menschen. Eine kompetente Regierung lobten dagegen nur 11,5 Prozent und ein wirksames Rechtssystem attestierte dem Land niemand. Dafür lobten immerhin 52,5 Prozent der Befragten die Dynamik der Wirtschaft. Quelle: dpa
Platz 54: GriechenlandAuch Griechenland gehört weiterhin zu den Sorgenkindern Europas, konnte sich aber binnen eines Jahres von Rang 58 auf 54 verbessern. Griechenland muss auch 2013 weiterhin daran arbeiten, seinen aufgeblasenen Verwaltungsapparat zu verkleinern und den Finanzsektor wieder auf die Beine zu bringen. Auch in puncto Korruptionsbekämpfung und Steuersystem hat das Land noch einiges an Arbeit vor sich. Dementsprechend rangiert Griechenland, gerade was die Gesamtsituation der heimischen Wirtschaft angeht, auf Platz 60 von 60 Staaten. Auch beim BIP-Wachstum und der Kreditwürdigkeit gibt es nur Platz 60. Allerdings hat sich in Griechenland seit dem letzten Ranking auch einiges verbessert: So konnte das Land sein Image, die Anpassungsfähigkeit der Regierungspolitik und die Staatfinanzen verbessern sowie die Bürokratie verringern. Unternehmen schätzen an Griechenland besonders die gut ausgebildeten Arbeitskräfte sowie das allgemein hohe Bildungsniveau. Quelle: dpa
Platz 46: PortugalBinnen eines Jahres ging es für Portugal im IMD-Ranking von Platz 41 runter auf 46. Jetzt soll die rezessionsgeplagte Konjunktur mit Steueranreizen aufgepeppelt werden. Bei Firmeninvestitionen von bis zu fünf Millionen Euro seien Steuererleichterungen von 20 Prozent möglich, sagte Finanzminister Vitor Gaspar. Die Investitionen in Portugal sind zwar binnen eines Jahres von 10,20 Milliarden Dollar auf 13,79 Milliarden gestiegen, das Bruttoinlandsprodukt schrumpft dennoch weiter. 2012 betrug der Rückgang noch 1,6 Prozent, 2013 waren es schon -3,2 Prozent. Dafür steht Portugal sowohl bei der technischen als auch der wissenschaftlichen Infrastruktur recht gut da. 71,9 Prozent der ausländischen Unternehmer nennen die portugiesische Infrastruktur den attraktivsten Grund, in das Land zu investieren. Weltspitze ist Portugal bei dem Verhältnis Schüler pro Lehrer und den Einwanderungsgesetzen. Auch bei den Ingenieuren belegt Portugal im Ranking Platz vier. Nur Arbeit gibt es für die Fachkräfte kaum, am wenigsten für junge Menschen (Platz 59 bei Jugendarbeitslosigkeit). Auch die Forschung und Förderung von Wissenschaft und Technik, Fortbildungen, Erwachsenenbildung, Börsengänge und der Export gehören zu Portugals Schwächen. Quelle: dpa
Platz 45: SpanienSpanien ist binnen eines Jahres von Platz 39 auf 45 abgestiegen. Im Jahr 2007 stand das Land noch auf Platz 26 der stärksten Volkswirtschaften. Ein deutsche Hilfsprogramm im Volumen von bis zu einer Milliarde Euro soll die angeschlagene spanische Wirtschaft wieder auf die Beine bringen. Derzeit kämpft Spanien besonders mit seiner hohen Arbeitslosenquote (Platz 60 von 60), den Staatsfinanzen (Platz 59) und seinen Verwaltungsverfahren (Platz 56). Auch bei der Langzeitarbeitslosigkeit, Kapitalkosten, Sprachkenntnissen, dem Bankensektor und der Förderung von jungen Unternehmen steht Spanien mehr als schlecht da. Allerdings ist auch auf der iberischen Halbinsel nicht alles schlecht. So ist beispielsweise der Warenexport Spaniens binnen eines Jahres um 1,7 Prozentpunkte gestiegen. Insgesamt schafft es Spanien in neun Wirtschaftsdisziplinen unter die weltweiten Top Ten: Bei den Zinssätzen belegt Spanien unter 60 Ländern Platz drei, bei der Wechselkursstabilität und den Unternehmenszusammenschlüssen und -übernahmen jeweils Platz sechs, beim Export von Dienstleistungen Platz acht. Sowohl bei den Direktinvestments in die Aktien heimischer Unternehmen als auch der durchschnittlichen Lebenserwartung und grünen Technologien schafft es Spanien auf Platz neun und bei der Bilanzsumme des Bankensektors sowie der Arbeitsproduktivität Platz zehn. Quelle: dapd
Platz 28: FrankreichFrankreich dagegen, das ebenfalls wirtschaftlich zu kämpfen hat, konnte sich um einen Platz verbessern. Von Rang 29 ging es hoch auf 28. Trotzdem muss Frankreich seinen Arbeitsmarkt reformieren, wenn es die Erwerbsquote steigern möchte. Weitere Probleme der Grande Nation sind der stetig zunehmende Brain Drain, also das Abwandern von Fachkräften, das stagnierende Wirtschaftswachstum, die geringe Zahl der Beschäftigten, Arbeitsbedingungen und Wochenarbeitsstunden sowie die Haltung gegenüber der Globalisierung. Zu Frankreichs wirtschaftlichen Stärken gehören dagegen die Vertriebsinfrastruktur (Platz eins von 60), die Energieinfrastruktur und die Gesundheitsausgaben (jeweils Platz zwei) sowie die Direktinvestments in Aktien heimischer Unternehmen, der Export von Dienstleistungen, Investments in ausländische Aktien, die Gesundheitsinfrastruktur und die Zahl der Breitbandnutzer (jeweils Platz vier von 60). Insgesamt schaffte es Frankreich in 40 Kategorien 20 mal unter die Top Ten der Welt. Quelle: dpa
Platz 17: IrlandIrland, dass sonst gerne in einem Atemzug mit Italien und Spanien genannt wird, überholt sogar Frankreich, was die wirtschaftliche stärke angeht. Binnen eines Jahres konnte sich die grüne Insel im IMD World Competitiveness-Ranking um drei Plätze verbessern. Das liegt besonders an den gestiegenen Investments, dem herrschenden Zinssatz, dem Wirtschaftswachstum und der Wechselkursstabilität. Auch bei grünen Technologien hat sich Irland laut der Studie seit 2012 verbessert. Zu den besonderen Stärken des rund 4,6 Millionen Einwohner starken Landes gehören Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Unternehmen sowie deren Haltung gegenüber der Globalisierung, die Telefontarife, Belohnungen und Anreize für Investoren, dementsprechend auch die Anzahl an ausländischen Investoren und die Vergabe öffentlicher Aufträge (jeweils Platz eins von 60.) Schlecht steht es allerdings auch in Irland um die Arbeitslosigkeit, insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit, sowie das BIP pro Kopf bestellt. Quelle: dpa

Unabhängig von der Anzahl souveräner Territorien stellt sich die Frage, wie viel Staat eine Gesellschaft benötigt. Klassische Liberale fordern den Nachtwächterstaat, der sich auf die Sicherung der Freiheit, des Eigentums und des Friedens beschränkt. Sie wollen gar keinen Staat mehr. Warum?

Die klassischen Liberalen unterschätzen die dem Staat inhärente Ausdehnungstendenz. Wer bestimmt denn, wie viele aus Steuermitteln finanzierte Polizisten, Richter und Soldaten es im Nachtwächterstaat gibt? Im Markt, der auf freiwilligen Zahlungen für Güter und Dienste beruht, ist die Antwort eindeutig: Es wird soviel Milch produziert und zu Preisen abgesetzt, wie Konsumenten bereit sind, zu zahlen. Die Regierung eines Staates aber wird auf die Frage nach dem „wie viel“ immer sagen: Je mehr Geld wir haben, desto mehr können wir tun. Weil sie die Bürger zur Zahlung von Steuern zwingen kann, wird die Regierung immer mehr Geld verlangen und dafür immer schlechtere Leistungen liefern. Die Vorstellung von einem Minimalstaat ist eine konzeptionelle Fehlkonstruktion. Minimalstaaten können niemals Minimalstaaten bleiben.

Aber wer soll Eigentum schützen und Recht setzen, wenn nicht der Staat?

Wenn der Staat Eigentum durch staatliche Polizisten schützt, erhebt er dafür Steuern. Steuern sind jedoch Enteignung. Der Staat wird so zu einem enteignenden Eigentumsschützer. Und ein Staat, der Gesetz und Ordnung aufrechterhalten will, aber selber Gesetze erlassen kann, ist ein Gesetze brechender Rechtsschützer.

"Menschen sind nun mal keine Engel"

Freiheit wovon oder Freiheit wozu? Warum Liberale sich nicht einmal selbst verstehen, permanent aneinander vorbeireden - und sich von der Freiheit als Bezugspunkt ihres Denkens verabschieden sollten.
von Dieter Schnaas

Wem wollen Sie denn die Aufgabe übertragen, Recht und Eigentum zu schützen?

Diese Aufgaben sollten Unternehmen übernehmen, die sich genauso im freien Markt zu bewähren haben wie das bei allen anderen Gütern der Fall ist. Jede Gesellschaft ist durch Eigentumskonflikte gekennzeichnet. Aber es muss nicht der Staat sein, der sie löst. Stellen Sie sich eine Gesellschaft ohne Staat vor. In einer solchen natürlichen Ordnung ist jede Person zunächst einmal als Eigentümer der Dinge anzusehen, die sie kontrolliert. Der Anzug, den Sie tragen, ist demzufolge ihr Eigentum. Wer etwas anderes behauptet, hat die Beweislast. Konflikte werden in einer solchen Ordnung durch natürliche Autoritäten geschlichtet. In Dorfgemeinschaften sind dies Personen, die von allen geachtet werden, sie wirken als Richter. Kommt es zu Streitigkeiten zwischen Personen, die unterschiedlichen Dorfgemeinschaften angehören und sich an unterschiedliche Richter wenden, muss der Konflikt auf der nächst höheren Ebene geschlichtet werden. Wichtig ist, dass kein Richter ein Rechtsmonopol hat.

Das hört sich ziemlich unrealistisch an....

...ist es aber nicht! Schauen Sie nur, wie heutzutage grenzüberschreitende Streitfälle geschlichtet werden. International herrscht eine Art Anarchie im Recht, denn es gibt keinen alles regelnden Weltstaat. Was machen die Bürger im Dreiländereck von Basel, also Deutsche, Franzosen und Schweizer, wenn es zu Konflikten zwischen ihnen kommt? Jeder kann sich zunächst an die für ihn zuständige Gerichtsbarkeit wenden. Gibt es keine Einigung, werden unabhängige Schlichter angerufen, die den Fall entscheiden. Kommt es deshalb zu mehr Streitereien zwischen den Bürgern dieser Region als zwischen den Bürgern von Köln und Düsseldorf? Ich habe noch nichts davon gehört. Das zeigt doch, dass man interpersonelle Streitigkeiten friedlich regeln kann, ohne dass es einen Staat als Rechtsmonopolisten gibt.

Ein staatsfreies Rechtssystem dürfte die Vorstellungskraft der meisten Bürger überfordern.

Warum? Im Grunde genommen sind das leicht nachvollziehbare Gedanken, die uns nur über die Jahrhunderte von den Befürworten staatlicher Macht ausgetrieben wurden. Es war evolutorisch ein Fehler, die Freiheit der Menschen bei der Wahl der Rechtsetzung und -sprechung durch ein staatliches Rechtsmonopol zu ersetzen. Letzteres hat dazu geführt, dass im Zuge allgemeiner Wahlen teilweise Proleten an die Macht gelangen, die die ihnen zufallende Gesetzgebungsmacht nutzen, sich am Eigentum derer zu bereichern, die mehr haben als sie selbst. Ein Clanchef hingegen, der freiwillig als Schlichter für Streitfälle gewählt wird, dürfte ein ohnehin begüterter Mensch sein, der keinen Grund hat, anderen nach dem Eigentum zu trachten. Sonst würde er nicht als Schlichter gewählt.

Wie wollen Sie in einer Welt ohne staatliche Ordnung verhindern, dass elementare Freiheitsrechte wie das auf körperliche Unversehrtheit mit Füßen getreten werden?

Gegenfrage: Werden solche Verstöße in der Gegenwart durch die Existenz von Staaten verhindert? Es wird immer Gegenden geben, in denen es Mord und Totschlag gibt, solange die Menschen Menschen sind. Haben Staaten das in irgendeiner Weise verbessert? Da habe ich meine Zweifel. Auch Staaten werden von Menschen geleitet. Aber im Gegensatz zu einer staatenlosen Gesellschaft haben die Staatsführer ein – mancherorts temporäres – Monopol auf ihre Machtposition. Wird sie das nicht noch schlechter und übler machen, als sie es ohnehin wären? Menschen sind nun mal keine Engel, sondern führen häufig Übles im Schilde. Deshalb ist die beste Verteidigung der Freiheit und des Eigentums, niemandem ein Monopol zu verschaffen. Sowie es ein Monopol gibt, steigen nicht engelhafte Wesen auf.

"Eigentumsfragen lassen sich ohne Staat lösen"

Keine politische Philosophie ist so kalt und inhaltsleer wie der Liberalismus – und keine zugleich so anspruchsvoll. Wahrscheinlich deshalb steckt die Idee der Freiheit ständig in der Krise.
von Dieter Schnaas

Nehmen wir mal an, wir folgten Ihnen und verlagerten klassische Staatsaufgaben wie den Eigentumschutz und die Rechtsprechung auf private Organisationen. Dann stehen wir vor dem Problem, dass in diesen Organisationen ebenfalls üble Gestalten das Kommando übernehmen und Kartelle zulasten der Bürger bilden?

Die Gefahr, dass es dazu kommt, ist gering. Kartelle können langfristig nur überleben, wenn der Staat sie schützt. Unternehmen gründen Kartelle, um den Markt untereinander aufzuteilen. Davon profitieren die schwachen Mitglieder. Die starken Mitglieder des Kartells hingegen können außerhalb des Kartells höhere Marktanteile erzielen. Sobald sie das erkennen, zerfällt das Kartell.

Bis dahin aber beuten die Kartellbrüder die Bürger aus.

Jetzt begehen sie aus Angst vor dem Tode Selbstmord. Wenn Sie die Aufgabe dem Staat übertragen, hat er von vornherein ein Monopol, das er missbrauchen kann, um die Freiheit der Bürger einzuschränken.

Wie wollen Sie denn in einer staatsfreien Privatrechtsgesellschaft mit dem Problem externer Effekt umgehen? Wer soll beispielsweise dafür sorgen, dass der Verursacher von Umweltschäden auch die Kosten trägt?

Das Problem ist einfach zu lösen. Man muss dem Geschädigten ein Klagerecht geben. Dann kann er den Verursacher eines Schadens zu einer Entschädigungszahlung verklagen. Im 19ten Jahrhundert war es Gang und Gäbe, dass Bürger gegen Unternehmen klagten, wenn diese ihr Eigentum durch Umweltverschmutzung schädigten. Später hat der Staat das Klagerecht eingeschränkt, um bestimmte Industriezweige zu schützen. Entscheidend ist, dass die Eigentumsrechte klar zugeordnet werden. Das Grundprinzip muss lauten: Wer zuerst da ist, erhält das Eigentumsrecht. Wenn zum Beispiel eine Firma einen Betrieb mit starker Schadstoffemission in der Nähe einer bestehenden Wohnsiedlung errichtet, dann können die Bürger auf Entschädigung klagen. Das ist ein einfaches Prinzip, das selbst Kinder verstehen. In den USA haben sich zur Zeit der Goldgräber ohne das Zutun des Staates Kriterien entwickelt, nach denen die Goldschürfer ihr Terrain abgrenzten. Damals gab es Personen, die die Claims registrierten. Das zeigt: Eigentumsfragen lassen sich ohne Staat lösen.

Die Landesverteidigung können Sie aber nicht ohne den Staat organisieren. Niemand kann von der Sicherheit, die eine Armee liefert, ausgeschlossen werden. Ergo braucht man den Staat, um alle Bürger via Steuern an den Kosten der Armee zu beteiligen.

Wer sagt ihnen denn, dass alle Bürger verteidigt werden wollen? Wir leben in einer Welt der Knappheit. Geld, das für die Verteidigung ausgegeben wird, steht für andere Zwecke nicht mehr zur Verfügung. Manche Menschen wollen vielleicht gar nicht verteidigt werden, sondern von ihrem Geld lieber in den Urlaub nach Hawaii fliegen. Sie würden sich bei einem Angriff von außen möglicherweise entscheiden, das Land zu verlassen und benötigen gar keine Verteidigung durch eine Armee.

Der Staat hat kein Recht, sie durch Steuern zur Finanzierung einer Streitkraft zu zwingen. In einer staatsfreien Gesellschaft können die Menschen, wenn sie dies wollen, kleinere Einheiten, etwa Dorfgemeinschaften, bilden und sich selbst verteidigen oder dafür private Sicherheitsdienste beauftragen. Sie hätten die Freiheit, selbst zu entscheiden, wofür sie ihr Geld ausgeben.

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