Harvard-Studie Larry Summers zweifelt am ewigen Wachstum Chinas

Ökonomen neigen dazu, den Mund zu voll zu nehmen. In den Sechzigern galt es als sicher: Die Sowjetunion hängt die USA ab. US-Ökonom Larry Summers glaubt, derzeit seien die Ökonomen in puncto China zu optimistisch.

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huGO-BildID: 33725920 Harvard University President Emeritus Larry Summers speaks during a panel discussion on financial crises at the International Monetary Fund (IMF) Jacques Polak Annual Reasearch Conference in Washington, November 8, 2013. REUTERS/Jonathan Ernst (UNITED STATES - Tags: POLITICS BUSINESS) Quelle: REUTERS

Die Sowjetunion hätte Amerika 1980 aus ökonomischer Sicht hinter sich lassen müssen. Das sagte zumindest der amerikanische Ökonom und spätere Träger des Wirtschaftsnobelpreises Paul Samuelson in den Sechzigern voraus.  Heute sind wir schlauer als Samuelsons damals – zumindest was den Status der Sowjetunion 1980 angeht. Von der amerikanischen Wirtschaftsleistung war sie weit entfernt. Samuelsons Vorhersage zeigt, dass selbst die größten Ökonomen Schwierigkeiten haben, die wirtschaftliche Zukunft von Volkswirtschaften vorherzusagen.

Larry Summers, der frühere US-Finanzminister und Wirtschaftswissenschaftler in Harvard, hat gemeinsam mit seinem Kollegen Lant Pritchett in einer Studie gezeigt, dass solche Vorhersagen stets sehr ungenau sind. Genau deswegen seien auch die Erwartungen der meisten Ökonomen an das chinesische Wachstum zu optimistisch.

Was Chinesen über Deutsche denken
WirtschaftsmachtDeutsche sehen in China eine aufstrebende Wirtschaftsmacht – offenbar ist das jedoch auch andersherum der Fall. 60 Prozent der Chinesen assoziieren mit Deutschland ein wirtschaftlich starkes Land. 62 Prozent haben großes Interesse an deutschen Produkten und Marken. Auch politisch steht Deutschland in China gut da, 57 Prozent der Befragten nehmen das internationale politische Engagement Deutschlands als positiv wahr.  Im Gegensatz zu den Befragungsergebnissen hierzulande wird die wirtschaftliche Stärke Deutschlands in China nicht mit Sorge wahrgenommen. Quelle: dpa
Automobilindustrie38 Prozent der Chinesen denken beim Stichwort Deutschland an die Automobilindustrie. 86 Prozent ist Volkswagen als Marke bekannt, 85 Prozent kennen BMW. So kommt es, dass deutsche Exporte nach China vor allem aus den Bereichen des Maschinenbau und der Automobilindustrie kommen, während China vor allem Elektronik und Textilien nach Deutschland exportiert. Quelle: dpa
BierWas für uns die Peking-Ente ist, ist für Chinesen das deutsche Bier. 19 Prozent der Befragten fällt als erstes ein kühles Weizen oder ein dunkles Altbier ein, wenn sie an Deutschland denken. Ob es daran liegt, dass 45 Prozent der Chinesen sich vorstellen könnten, in Deutschland zu leben? Quelle: dpa
Industrie/Technologie19 Prozent der Chinesen assoziieren mit Deutschland eine fortschrittliche Technologie. Innovation und technischer Fortschritt sind Schlüsselbegriffe, die mit Deutschland in Verbindung gebracht werden. 83 Prozent der Chinesen halten deutsche Technologieprodukte für international wettbewerbsfähig, 87 Prozent trauen Deutschland die Herstellung von Hightechprodukten zu. Das chinesische Deutschlandbild ist somit um ein Vielfaches positiver als umgekehrt die Wahrnehmung der Volksrepublik China durch Deutschland. Quelle: dpa
CharaktereigenschaftenSpezielle Charaktereigenschaften wie Höflichkeit oder Pünktlichkeit sind gängige Klischees, die in anderen Ländern über Deutschland existieren – offenbar auch in China. Hier fallen 12 Prozent der Befragten beim Thema Deutschland bestimmte Charaktereigenschaften ein. Vor allem Höflichkeit macht das Rennen. 81 Prozent der Chinesen glauben, dass die in Deutschland die größte Rolle spielt. An zweiter Stelle kommt die Familie, die dritte Charaktereigenschaft, die Chinesen mit Deutschland verbinden, ist der Respekt gegenüber dem Alter. Quelle: AP
Deutsche Produkte11 Prozent der befragten Bevölkerung assoziieren mit Deutschland qualitativ hochwertige deutsche Produkte. Als erstes fällt Chinesen dabei oft die Firma Siemens ein, die das bekannteste deutsche Unternehmen in China ist. Generell glauben Chinesen, dass sich deutsche Investitionen auch auf dem chinesischen Arbeitsmarkt als positiv auswirken könnten. Deutschland gilt daher innerhalb Europas als wichtigster chinesischer Handelspartner. Die Huawei-Studie zeigt auch, dass die Zustimmung zu deutschen Produkten sich nach einem Deutschlandbesuch noch einmal deutlich steigert. Quelle: dpa
Natur und UmweltDeutschland als Naturparadies, so sehen zehn Prozent der Befragten unser Land. 63 Prozent haben daher sehr großes Interesse an Deutschland als Reiseland. Auch auf das Bild der Chinesen von der deutschen Umwelt- und Klimaschutzpolitik wirkt sich das aus. 42 Prozent der Befragten glauben, dass Deutschland in dem Bereich  weltweit zur Spitzengruppe gehört. Umgekehrt glaubt das nur 1 Prozent der Deutschen von China. Quelle: dpa

Bis 2060 soll Chinas Wirtschaft im Schnitt um 6,6 Prozent wachsen, heißt es in einer OECD-Studie; die U.S. Intelligency Community geht davon aus, das Chinas Anteil an der Weltwirtschaft von 6,4 Prozent im Jahr 2011 auf bis zu 23 Prozent bis 2030 anwächst. Politik und Wirtschaft hierzulande wollen davon profitieren.

Der Handelspartner der Zukunft

China ist schon jetzt der fünftgrößte Abnehmer deutscher Exporte . 67 Milliarden Euro betrug der Wert der Waren, die im vergangenen Jahr nach China verfrachtet wurden. Deutsche Maschinen- und Anlagenbauer fahren dank ihrer Abnehmer im Reich der Mitte Rekordgewinne ein; deutsche Autobauer bauen für mehrere Milliarden Euro Fabriken dort; deutsche Politiker drücken – bemüht um gute Beziehungen – gerne ein Auge zu bei Menschenrechtsverletzungen und der Verfolgung von ethnischen Minderheiten und kritischen Journalisten. Denn: China ist die Zukunft.

Immerhin ist das chinesische BIP allein von 2002 bis 2012 um 170 Prozent gewachsen, wie Wirtschaftsblogger zeigen. Zum Vergleich: Das deutsche BIP legte im selben Zeitraum um lachhafte 12,6 Prozent zu. Aber kann man aus der vergangenen Performance einer Volkswirtschaft wirklich auf ihre Zukunft schließen?

Summers und Pritchett sehen das kritisch. Sie schreiben der Vergangenheit nur eine bedingte Aussagekraft zu. Und sie haben Gründe.

Drei Gründe, warum Chinas weiteres Wachstum schwer vorherzusagen ist

Das brasilianische BIP legte von 1967 bis 1980 jährlich um rund fünf Prozent zu. Oder Japan: In den späten Achtzigern war sich die ganze Welt sicher: Die japanische Industrie-Politik, Unternehmen, die fusionierten und die hohen Investitionen dort seien der Schlüssel zu dem rapiden Wachstum der Japaner damals. Und in der Tat: von 1961 bis 1991 verdoppelte sich die Arbeitsproduktivität der Japaner.

Staaten wie Brasilien oder Japan vollzogen damals, was Summers und Pritched „Episoden des super-schnellen Wachstums“ nennen – ihr BIP legte acht Jahre um mehr als sechs Prozent pro Jahr zu. Nur bei wenigen Staaten reichte es für ein neuntes Jahr. Auf das Superwachstum  folgte meist eine Phase der Rezession.

Regionen, die China Probleme machen könnten

In Brasilien waren es 22 Jahre ohne Wirtschaftswachstum. In Japan ging die Arbeitsproduktivität von 1991 bis 2001 um sechs Prozent zurück, das Land geriet in eine Deflation und die Meinung der Welt über die japanische Industriepolitik schlug in ihr Gegenteil um: Plötzlich war sie nicht mehr der Treiber des Wachstums, sondern der Verursacher einer Wirtschaftskrise. Auch in Singapur, Taiwan, Chile, Irland und Griechenland folgte auf das Superwachstum der Crash.

Ausnahmen gab es von dieser Regel nur zwei: Südkorea und China. Seit 32 Jahren wächst die chinesische Wirtschaft ungebrochen und immer noch beeindruckend schnell. Das sei die längste Episode des Superwachstums in der Geschichte der Menschheit, schreiben Summers und Pritchett.

Wachstumsprozesse sind nicht monokausal erklärbar

Ob das ungebrochen so weiter geht – das sei aus drei Gründen schwierig einzuschätzen.

Erstens: Politische Umbrüche und ihre Wirkungen seien nur schwer vorherzusagen. Spätestens die Regenschirm-Protestbewegung in Hong Kong und der Reformkurs des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping könnten zumindest einen demokratischen Umbruch andeuten. Ob sich dieser wirklich vollzieht und welche Auswirkungen das hätte – ebenfalls schwierig vorherzusagen. Einige Volkswirtschaften, die den Sprung von der Autokratie zur Demokratie wagten - wie etwa Griechenland, Indonesien oder Brasilien, mussten in den folgenden Jahren hohe Wachstumseinbußen hinnehmen. Ob das auch für China gelten würde - offen.

Zweitens: Die gesamte wirtschaftliche Entwicklung dieser Welt sei immer noch überschattet von der Finanzkrise. Kein Politiker und kein Ökonom hätte die Intensivität und die lange Dauer dieser Krise vorhergesehen – wie schwer sie weiter wiege sei ebenfalls schwierig abzuschätzen.

Drittens: Die Prozesse, die zu super-schnellem Wachstum führten seien komplex und nicht monokausal erklärbar – im nachhinein führten Ökonomen Gründe an, die den Eindruck erweckten, sie verstünden diese Prozesse. Tatsächlich sei das nicht der Fall.

Zudem würden autokratische Systeme ohnehin zu sehr hohen Wachstumsraten neigen – aber eben auch genau so zu weitaus stärkeren Abschwüngen, während reiche Staaten wie Dänemark über sehr lange Perioden moderat wachsen – mit nur kleinen Abweichungen.

Sollte in China irgendwann das Wachstum ausbleiben, so würden die Ökonomen wohl eine politische Fehlentscheidung als Ursache ansehen – das sei aber nicht richtig. Regression sei im Durchschnitt eines Jahrzehnt die Regel – und nicht die Ausnahme. Deswegen seien durchaus Zweifel angebracht an den astronomischen Wachstumsraten, die andere Ökonomen China zuschrieben.

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