Wenn die EU-Kommission den deutschen Fall schon seit einiger Zeit als Risikofaktor identifiziert und das „Ungleichgewichtsverfahren“ gegen Deutschland jüngst sogar verschärft hat, mit womöglich drohenden Sanktionen, kann Deutschland dieser Kritik durchaus gute Argumente entgegen halten. Insbesondere der aktuell wieder beschleunigte Anstieg des Leistungsbilanzüberschusses – darauf hat die Bundesregierung mit Recht hingewiesen – ist nicht von der deutschen Wirtschaftspolitik zu verantworten, sondern hängt mit der Geldpolitik der EZB zusammen, die eine starke Abwertung des Euro bewirkt hat. Von der Abwertung profitieren Exportunternehmen, die bei unveränderten Absatzpreisen im Ausland höhere Einnahmen in Euro haben, oder die sogar ihre Preise im Ausland senken und damit ihren Absatz erhöhen könnten. Spiegelbildlich verteuern sich in Deutschland importierte Güter, oder die Erlöse der ausländischen Unternehmen in ihrer eigenen Währung fallen.
Auch in der Bilanz der Primäreinkommen hat die Euro-Abwertung einen positiven Effekt, weil der Euro-Gegenwert der im Ausland erzielten Vermögenseinkommen steigt. Hinzu kommt, dass – unabhängig von der Euro-Abwertung – der Ölpreis stark gefallen ist. Dafür, dass die Ölrechnung gegenüber den Lieferländern nun niedriger ausfällt, kann die deutsche Wirtschaftspolitik ebenfalls kaum verantwortlich gemacht werden. Das wichtigste Argument ist aber ein anderes: Letztlich sollten alle Euro-Länder an einem kräftigen Wachstum im größten Mitgliedsland interessiert sein, denn nur so kann dieses weiter seinen großen Beitrag zur Überwindung der Wachstumsschwäche in Europa leisten.
Das alles heißt nicht, dass sämtliche Einwände gegen den hohen deutschen Leistungsbilanzüberschuss vom Tisch gewischt werden sollten. Es ist durchaus richtig, dass Spielraum für eine Stärkung der deutschen Binnennachfrage besteht. Höhere Investitionen, ob privat oder staatlich, würden wenigstens tendenziell den außenwirtschaftlichen Überschuss senken und zugleich die künftigen Wachstumsmöglichkeiten erhöhen.
Längerfristig wird sich die deutsche Wirtschaft ohnehin mehr nach innen orientieren, schon allein wegen des ungünstigen demografischen Trends: In den nächsten 15 Jahren erreichen mit den geburtenstarken Jahrgängen rund 20 Millionen Menschen in Deutschland das Rentenalter. Daraus dürfte sich eine substantielle Veränderung des Sparverhaltens ergeben. Damit wird sich der Sparüberschuss in Deutschland ebenso wie sein Gegenposten, der Leistungsbilanzüberschuss, sukzessive reduzieren.