Inflation Die Finanzkrise treibt die Preise

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Jean-Claude Trichet, Quelle: REUTERS

Auch die Europäische Zentralbank (EZB) macht keine Anstalten, den Fuß vom Gaspedal zu nehmen. Zwar warnte EZB-Chef Jean-Claude Trichet vor wenigen Tagen vor Inflationsgefahren. Am Geldmarkt spekulieren Teilnehmer seither auf zwei Leitzinserhöhungen noch in diesem Jahr. Eine geldpolitische Straffung wäre in der Tat längst überfällig. Um die Inflation knapp unter zwei Prozent zu halten und die Konjunktur zu stabilisieren, müsste der Euro-Leitzins derzeit bei 2,4 Prozent liegen, hat die Commerzbank berechnet. Tatsächlich beträgt er aber nur 1,0 Prozent.

Doch wegen der Schuldenkrise im Euro-Raum dürfte die EZB kaum den Mut aufbringen, die Zinsen vor Anfang 2012 zu erhöhen. "Höhere Leitzinsen würden die Krisenländer in der Euro-Zone gleich zweifach belasten", sagt Commerzbank-Chefökonom Krämer. Erstens treiben sie die Zinskosten für neue Schulden in die Höhe. Zweitens bremsen sie die Investitionen und damit die Konjunktur. Beides erschwert es den Krisenländern, ihre Staatshaushalte zu sanieren.

So ist die Staatsschuldenkrise zum Hindernis für den rechtzeitigen Ausstieg aus der laxen Geldpolitik geworden. "Die EZB ist nahe an die Politik gerückt, ihr wird es deshalb nicht gelingen, die Inflation im Schnitt der nächsten zehn Jahre auf knapp zwei Prozent zu begrenzen", prophezeit Krämer.

Reimportierte Inflation

In den vergangenen Jahren hatte die Globalisierung noch deflationär gewirkt. Billigimporte aus Asien drückten die Preise für Konsumartikel im Westen nach unten. Doch damit ist es nun vorbei. Auch in den Schwellenländern ist die Inflation auf dem Vormarsch.

Viele Länder in Asien und Lateinamerika haben die Wechselkurse ihrer Währungen direkt oder indirekt an den Dollar gebunden. Der Zustrom spekulativer Anlagegelder hat ihre Währungen in den vergangenen Monaten massiv unter Aufwertungsdruck gesetzt. Die Zentralbanken haben darauf reagiert und die eigenen Währungen gegen Dollar verkauft. Das hat die heimische Geldmenge aufgebläht und die Güterpreise in die Höhe getrieben.

So liegt die Inflation in China derzeit bei rund fünf Prozent, in Indien schwankt sie sogar um neun Prozent. Das spüren auch die Industrieländer. Aus den einstigen Billigimporten werden Teuereinfuhren. "Die expansive Geldpolitik der westlichen Notenbanken schlägt über den Inflationsimport aus Asien zurück auf die Industrieländer", analysiert Thomas Mayer, Chefökonom der Deutschen Bank. Mayer erwartet daher eine Art geografischer Inflationskaskade: Von den Schwellenländern werde die Inflation als Erstes auf Großbritannien überschwappen, wo die Inflationsrate im Dezember schon auf 3,7 Prozent gesprungen ist. Danach greife sie auf die Euro-Zone über, dann folgten die USA, zum Schluss komme Japan.

Teure Rohstoffe

Auch die aktuelle Preishausse auf den Rohstoffmärkten ist Teil des liquiditätsgetriebenen Inflationsprozesses. Die globale Politik des billigen Geldes hat viele Anleger in Rohstoffinvestments getrieben. Börsennotierte Fonds, bei denen Rohstoffe physisch hinterlegt werden, erfreuen sich bei Investoren steigender Beliebtheit – und heizen die Nachfrage etwa nach Kupfer zusätzlich an. Vergangene Woche kletterte der Kupferpreis auf das Allzeithoch von rund 9780 Dollar je Tonne.

Auch der Ölpreis kennt derzeit nur eine Richtung: nach oben. Seit Mai 2010 hat er um mehr als 30 Prozent zugelegt und den höchsten Stand seit mehr als zwei Jahren erreicht. Der Preis für ein Barrel (rund 159 Liter) Rohöl der Marke Brent lag in der vergangenen Woche nur noch knapp unter der 100-Dollar-Marke. Entsprechend werden die Verbraucher an der Tankstelle zur Kasse gebeten. Der Preis für einen Liter Superbenzin liegt über der Marke von 1,50 Euro. Das sind rund zwölf Prozent (16 Cent) mehr als im Vorjahr.

Linderung ist nicht in Sicht: Die Internationale Energieagentur hat ihre Prognose für die Ölnachfrage gerade um 320.000 Barrel pro Tag nach oben revidiert. Das Förderkartell Opec will seine Fördermenge trotzdem nicht ausweiten.

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