Inflation Angst vor der Inflation

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Wer den Schaden trägt

Teurer Hauskauf, mäßige Miete
Die Entwicklung von Miet- und Kaufpreisen in Berlin Quelle: Immobilienscout 24
Die Entwicklung von Miet- und Kaufpreisen in Hamburg Quelle: Immobilienscout 24
Die Entwicklung von Miet- und Kaufpreisen in München Quelle: Immobilienscout 24
Die Entwicklung von Miet- und Kaufpreisen in Köln Quelle: Immobilienscout 24
Die Entwicklung von Miet- und Kaufpreisen in Frankfurt Quelle: Immobilienscout 24
Die Entwicklung von Miet- und Kaufpreisen in Stuttgart Quelle: Immobilienscout 24
Die Entwicklung von Miet- und Kaufpreisen in Regensburg Quelle: Immobilienscout 24

Geldentwertung trifft nicht alle gleich. „Inflation schädigt jene, die Preise oder Löhne nicht schnell anpassen können, etwa Angestellte oder Freiberufler, die nach staatlichen Gebührenordnungen abrechnen“, sagt Finanzwissenschaftler Homburg. „Auf diese Weise wurden 1923 Mittelschicht und Geistesarbeiter materiell ausradiert – mit den bekannten Folgen.“

Wenn Löhne hinter den Preissteigerungen zurückbleiben, sinken die Realeinkommen der Beschäftigten. Sie stehen auf der Verliererseite, ebenso die Bezieher staatlicher Sozialleistungen von Kindergeld bis Rente, die nicht schnell genug steigen. Die progressive Einkommensteuer führt dazu, dass Arbeitnehmer in höhere Steuerklassen rutschen, obwohl ihr höheres Gehalt maximal den Kaufkraftschwund ausgleicht. Der Staat gewinnt zunächst: Zum einen werden seine Schulden real weniger wert, zum anderen kassiert er aus der gleichen Beschäftigung mehr Steuern.

In die Forderungen der Gewerkschaften fließt die Inflation ein

Davor schützen können sich Arbeitnehmer kaum. Während Renten und Pensionen automatisch an die Inflation angepasst werden können, geht das in Arbeitsverträgen nicht. „Es ist unzulässig, Gehaltssteigerungen vertraglich an die Inflationsrate zu koppeln. Der Gesetzgeber befürchtet, dass das die Inflation zusätzlich befeuern würde“, sagt Arbeitsrechtler Jobst-Hubertus Bauer, Partner bei Gleis Lutz. „Erlaubt ist aber, zu vereinbaren, dass die Lohnsteigerung sich automatisch an Tarifgehältern einer Branche orientieren soll“, sagt Bauer.

Die entwickeln sich wieder respektabel. Der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst – 6,3 Prozent mehr in den nächsten zwei Jahren – hat Signalfunktion für andere Branchen; die IG Metall erstritt für die 50.000 Mitarbeiter der Telekom 6,5 Prozent mehr Gehalt. Fakt ist, dass in die Forderungen der Gewerkschaften die Inflation einfließt. Ein Drittel der IG-Metall-Forderung von 6,5 Prozent stützt sich auf die Inflationserwartung. „Die Inflationsrate muss ausgeglichen werden, die Beschäftigten sollen real keine Kaufkraft verlieren“, sagt Wilfried Kurtzke, Makroökonom in der Grundsatzabteilung der IG Metall.

Grafik Silberanteil in europäischen Währungen zwischen 1400 und 1870

Der Sündenfall

Finanzminister Wolfgang Schäuble findet es völlig „in Ordnung“, wenn die Löhne in Deutschland stärker steigen als in allen anderen EU-Ländern. Deutschland habe schließlich seine Hausaufgaben gemacht und könne sich höhere Tarifabschlüsse leisten. Konsequenterweise hält er eine Inflationsrate von zwei bis drei Prozent für derzeit „noch hinnehmbar“.

Selbst, wenn es der EZB gelingen sollte, ihr Ziel von durchschnittlich zwei Prozent jährlicher Geldentwertung im Euro-Raum zu erreichen: Die Deutschen werden mit höherer Inflation leben müssen. Das hat mittlerweile sogar die Bundesbank eingesehen, über die der britische „Economist“ noch unlängst spottete, einen Zentralbanker zu bitten, etwas mehr Inflation zuzulassen, wäre, als wenn man einen Kardinal bitten würde, mehr Sünden zu akzeptieren. Doch die Sünde hält Einzug.

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