IWF Europas Werkzeugkasten ist leer

Europa bekommt die Krise nicht in den Griff - dieses vernichtende Urteil fällt der Internationale Währungsfonds. Europa soll auf Wachstum setzen. Außerdem muss die Europäische Zentralbank den Krisenländern mehr helfen.

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Christine Lagarde. Quelle: Reuters

Washington Mehr als zwei Jahre nach Ausbruch der Schuldenkrise in Euro stellt der Internationale Währungsfonds (IWF) der Europäischen Union ein verheerendes Zeugnis der Krisenbewältigung aus. In seinem jährlichen Bericht zur Eurozone kommt der IWF zu dem Schluss, dass nach wie vor die „grundlegenden Werkzeuge“ fehlten, um mit einem der Kernprobleme der Schuldenkrise fertig zu werden - dem Teufelskreis zwischen schwachen Banken und den knappen Kassen der Regierungen.

Eindringlich warnt der IWF vor dem „erheblichen“ Risiko einer Deflation in der Eurozone, also der Kombination von Preisverfall und Wirtschaftskrise. Zugleich fordert er „ehrgeizige“ Maßnahmen zur Wachstumsförderung.

Die Eurokrise habe ein neues, kritisches Stadium erreicht, sagte Mahmood Pradhan von der IWF-Europasektion auf einer Pressekonferenz. Die Anspannungen an den Märkten hätten weiter zugenommen, der Teufelskreis zwischen Banken und Regierungen habe sich noch verstärkt und die Realwirtschaft sei schwach.

Diese Verschärfung der Krise deute darauf hin, dass die „Wurzeln“ bisher nicht angepackt worden seien, beklagt der IWF in seinem Bericht. Die jüngsten EU-Gipfelbeschlüsse seien ein „Schritt in die richtige Richtung“, aber es müsse mehr getan werden. So bekräftigte der IWF allen anderen Maßnahmen voran seinen Ruf nach einer „vollständigen Bankenunion“, die von größerer fiskaler Integration mit stärkerer zentraler Steuerung und größerer Risikoteilung begleitet werden müsse.

Die Krise erfordere jetzt eine viel stärkere kollektive Anstrengung, „um den unmissverständlichen Willen der politischen Entscheidungsträger zu demonstrieren, die Europäische Währungsunion zu erhalten“, mahnt der IWF. Nur eine „überzeugende und konzertierte Bewegung“ hin zu einer vollständigeren Währungsunion könne den Vertrauensverlust stoppen.

„Die Eurozone befindet sich an einem unbequemen und unhaltbaren Halbzustand“, heißt es in dem Report weiter. „Während sie genügend integriert ist, um eskalierende Probleme in einem Land auf andere überschwappen zu lassen, fehlen ihr die wirtschaftliche Flexibilität oder die politischen Werkzeuge, mit diesen Auswirkungen fertig zu werden.“ Auch fehlten in weiten Teilen „ehrgeizige“ Schritte zur Wiederherstellung eines starken und ausgewogenen Wachstums.

Der IWF sieht in der Eurozone eine „ungefähr 25-prozentige Wahrscheinlichkeit“, dass es bis zum Frühjahr 2014 zu einer Deflation kommen könnte. Dieses Risiko sei in Ländern mit größerem Wachstum relativ klein, aber an der Peripherie der Eurozone „bedeutend“, stellt der IWF fest.

Die Europäische Zentralbank (EZB) rief der IWF dazu auf, im Kampf gegen die Krise die Geldpolitik weiter zu lockern. Der IWF empfahl unter anderem weitere Zinssenkungen, einen verstärkten Ankauf von Staatsanleihen besonders gefährdeter Länder in der Eurozone und auch weitere großvolumige Geldspritzen zur Liquiditätsversorgung.

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