Japan Warum die EZB der Fed nacheifern sollte

Die Weltkonjunktur lahmt und die G7-Staaten sind ratlos. Bei ihrem Treffen in Japan müssten Obama, Merkel und Co., wenn sie es ernst meinen, über die Zinswende sprechen.

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Die EZB muss wie die US-Notenbank die Zinsen anheben. Quelle: AP/dpa

Wenn die japanische Regierung nicht weiter weiß, macht sie Schulden. Jetzt ist es mal wieder soweit: Japan verzweifelt an der heimischen Wirtschaftsflaute und will die Konjunktur mit staatlich finanzierten Konjunkturpaketen ankurbeln.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erteilte den japanischen Plänen beim Treffen der G7-Finanzminister zwar kürzlich eine Absage. „Das wichtigste sind Strukturreformen“, sagte Schäuble. Der Streit zeigt aber, wie weit die sieben führenden Industrienationen der Welt in wirtschafts- und geldpolitischen Fragen auseinanderliegen.

Und nicht nur hier: Die Meinungsverschiedenheiten gehen über das Thema Konjunkturpakete hinaus. Die US-Notenbank hält eine weitere Zinserhöhung im Juni für möglich, wenn sich die Wirtschaft aus Sicht der Währungshüter nachhaltig erholt haben sollte. Möglicherweise wird sich die Zinserhöhung aber noch bis September oder Jahresende hinziehen. Die Zinswende generell hat die Federal Reserve aber längst vollzogen – im Gegensatz zur Europäischen Zentralbank.

Am Donnerstag und Freitag kommen die Staats- und Regierungschefs der sieben wichtigsten Volkswirtschaften im japanischen Ise-Shima zusammen. Heribert Dieter von der Stiftung Wissenschaft und Politik fände es richtig, wenn die G7-Chefs den Streit um die Zinswende bei ihrem alljährlichen Treffen zum Hauptthema machen würden. „Wir brauchen ein politisches Signal, dass sich die wichtigsten Notenbanken der Welt in geldpolitischen Fragen miteinander abstimmen“, sagt Dieter. Der Ökonom hält es für falsch, dass die EZB sich nicht an der Fed orientiert, sondern ihre Nullzinspolitik fortsetzt.

Wann der richtige Zeitpunkt für eine Zinswende in der Eurozone gekommen ist, diskutieren Ökonomen, Notenbanker und Politikern hitzig. Schäuble hatte EZB-Präsident Mario Draghi zuletzt immer wieder kritisiert und sogar das Erstarken der AfD hierzulande mit dessen Zinspolitik in Zusammenhang gebracht.

Schneller schlau: Die G7

Für Draghi ist der Zeitpunkt für eine Zinswende noch nicht gekommen. Er fürchtet, Wirtschaft und Inflation abzuwürgen, wenn er die Zinsen anhebt. SWP-Ökonom Dieter hält das für einen Irrweg. „Die Niedrigzinspolitik führt dazu, dass sich eine Krise in den Köpfen manifestiert, die es so gar nicht mehr gibt.“ Mit rund zwei Prozent Wachstum in der Eurozone sei die mittlerweile robust genug, um eine Zinsanhebung zu verkraften.

Wie Deutschland die USA bei Laune halten sollte

„Wir brauchen keine gigantischen Zinssprünge, eine Absichtserklärung wäre aber sinnvoll“, sagt Dieter. Die Reaktion der Finanzmärkte lässt sich nur schwer abschätzen. „Wenn wir jetzt das Ende der Niedrigzinspolitik einleiten, könnten wir 2017 wieder bei zwei bis drei Prozent Zinsen stehen. Realistisch erscheint es mir aber erst für 2020 und später.“

Größtes Problem von Draghis Zinspolitik: Die Eurostaaten nutzen die Phase des billigen Geldes nicht oder nur ungenügend, um die vielfach angemahnten Strukturreformen umzusetzen. Das gesteht der EZB-Präsident zwar ein. Er könne als Notenbanker aber niemanden dazu zwingen. Natürlich ist Draghi europäischen Regierungschefs gegenüber nicht weisungsbefugt. Würde er den Leitzins anheben, stiege zugleich aber auch der Druck, Reformen durchzuführen. Geld würde wieder teurer werden, Refinanzierungen und weitere Verschuldungen müssten gut überlegt werden.

Für Heribert Dieter gibt es noch einen weiteren Grund, warum Deutschland die Zinswende forcieren sollte – einen, der sich vor allem aus deutscher Sicht auszahlen würde. Die Vereinigten Staaten, die derzeit eine Re-Industrialisierung ihrer Wirtschaft erleben, haben Frankreich im letzten Jahr als wichtigsten Handelspartner der Bundesrepublik abgelöst. „Im Moment steht der Euro niedrig, was schlecht für die USA ist“, sagt Dieter.

Für die Europäer ist es daher verhältnismäßig teuer US-Produkte zu importieren. Höhere Zinsen würden wohl dazu führen, dass der Euro aufwertet. Deutschland und Europa könnten dann US-Waren günstiger importieren, was dem gegenseitigen Handel Auftrieb gäbe. „Es liegt in unserem eigenen Interesse, die Zinsen anzuheben und unseren wichtigsten Handelspartner bei Laune zu halten“, sagt Ökonom Dieter.

So wichtig die Debatte über eine internationale Zinswende wäre, so wenig wahrscheinlich ist sie. Vielmehr ist die Chance hoch, dass es jedes Land letztlich mit eigenen Rezepten probiert: Die Japaner mit mehr Schulden, die USA mit höheren Zinsen und die Europäer mit dem billigen Geld. Beim G7-Gipfel werden sich die Staats- und Regierungschefs wohl sagen, was sie ohnehin schon wissen: Dass sie schlichtweg nicht einer Meinung sind.

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