Konjunktur 2017 „In den USA droht ein protektionistischer Amoklauf“

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„Ich bin der festen Überzeugung, dass wir vor einem Handelskrieg stehen“

Es gibt auch Studien, die nahelegen, dass die Ungleichheit in Deutschland sinkt.

Horn: Sie können bestenfalls sagen, dass die Ungleichheit seit 2005 nicht weiter gestiegen ist. Während der Finanzkrise nahm sie kurzzeitig ab, da wegen des Börsencrashs hohe Einkommen überproportional gelitten haben. Seither nimmt die Ungleichheit tendenziell wieder zu. Das Grundproblem ist, dass unsere Exporterfolge – die ich gutheiße und nicht schmälern will – im Inland nicht gerecht verteilt werden.

Kooths: Verteilungsgerechtigkeit ist eine Vokabel, mit der man in jeder Debatte beifälliges Kopfnicken bekommt. Das Problem der Ungleichheit wird aber – zumindest für Deutschland – überzeichnet. Der statistisch erfasste Anstieg der Ungleichheit zwischen Mitte der Neunzigerjahre und 2005 liegt zu 90 Prozent daran, dass es mehr Singlehaushalte und Alleinerziehende gibt.

Gustav Horn, Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, hat die EU aufgefordert, angesichts des protektionistischen Kurswechsels in den USA schon jetzt konkrete Gegenmaßnahmen vorzubereiten.
von Bert Losse

Das müssen Sie erklären.

Kooths: Die Verteilungsstatistik arbeitet mit Haushaltsäquivalenten. In einem Vier-Personen-Haushalt teilt man sich zum Beispiel Waschmaschine, Herd und Kühlschrank. Ziehen alle vier in eigene Wohnungen, müssen sie die Geräte allein finanzieren, ihre Konsumniveaus verschlechtern sich, selbst wenn alle das Gleiche verdienen wie vorher. Das hat aber nichts mit böser Globalisierung zu tun. Diese führt vielmehr dazu, dass auch Geringverdiener heute unter einem Riesenangebot preisgünstiger Konsumgüter auswählen können. Natürlich gibt es Menschen, die zurückfallen. Das ist aber vor allem auf technischen Fortschritt zurückzuführen, der neue Jobs schafft, aber auch althergebrachte Qualifikationen obsolet macht. Ich warte noch auf den Tweet von Donald Trump, in dem er den technischen Fortschritt als Feind Amerikas attackiert!

"Der Protektionismus schadet den amerikanischen Verbrauchern"

Glauben Sie, dass der neue US-Präsident seine protektionistischen Ankündigungen tatsächlich umsetzt?

Horn: Ich bin der festen Überzeugung, dass wir vor einem Handelskrieg stehen. Was Trump angekündigt hat und im US-Kongress eine Mehrheit finden dürfte, ist unter anderem eine spezielle Unternehmenssteuerreform. Die soll die Steuersätze für im Inland tätige Betriebe drastisch senken und im Gegenzug alle Importe mit einer Art Mehrwertsteuer verteuern. Das schafft den Anreiz, nur in den USA zu produzieren und nichts mehr einzuführen. Diese Politik schädigt globale Wertschöpfungsketten, lässt die Preise steigen und hemmt Innovationen. Darauf muss Europa reagieren.

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