Konjunktur 2017 „In den USA droht ein protektionistischer Amoklauf“

Seite 4/4

„Wir müssen ein handelspolitisches Gleichgewicht des Schreckens aufbauen“

Wie denn?

Horn: Wenn sich Trump nicht an die Regeln der Welthandelsorganisation WTO hält, warum sollte die EU es dann noch tun? Europa muss schnell Flagge zeigen und den USA klarmachen, dass wir die Fähigkeit zum handelspolitischen Gegenschlag haben. Wir könnten etwa Zölle auf Flugzeugimporte erheben – dann würde der Boeing-Chef wahrscheinlich die nächste Maschine nach Washington nehmen. Wir könnten verfügen, dass Facebook Datenzentren nach Europa verlegen muss. Nicht, dass ich solche Maßnahmen gut finde. Aber wir müssen ein handelspolitisches Gleichgewicht des Schreckens aufbauen und Trump deutlich machen, dass er mit Abschottung seinem eigenen Land schadet.

Kooths: Ich halte ein anderes Szenario für wahrscheinlich. Die von Trump angekündigten Steuersenkungen und Investitionsausgaben werden in einer Volkswirtschaft, in der nahezu Vollbeschäftigung herrscht, die Zinsen nach oben treiben. Die US-Notenbank hinkt bei der Zinsnormalisierung eh schon hinterher. Wenn die Zinsschere zwischen den USA und dem Rest der Welt auseinandergeht, wird der Dollar noch stärker. Und dann tritt das Gegenteil von dem ein, was Trump will – es kommt zu einem zusätzlichen Importsog. Ich habe größte Sorgen, wie jemand reagiert, der so gestrickt ist wie Trump, wenn die Ergebnisse seiner Politik seinen Absichten zuwiderlaufen. Dann droht ein protektionistischer Amoklauf ...

Donald Trump betreibt eine Politik systematischer Verunsicherung. Das erinnert an das Europa des Absolutismus.
von Miriam Meckel

... auf den die EU mit Gegenmaßnahmen reagieren sollte, wie Herrn Horn vorschlägt?

Kooths: Nein. Im Zweifel sollten wir Trump gewähren lassen und darauf setzen, dass der Mann ein temporäres Phänomen ist – auch wenn das politisch schwerfallen wird. Wenn wir in eine Sanktionsspirale geraten, droht der Weltwirtschaft ein Desaster, weil immer mehr Wertschöpfungsketten zerschnitten würden – zulasten aller Beteiligten. Ich glaube im Übrigen, dass auch bei einem einseitig protektionistischen Kurs große US-Konzerne bei Trump vorstellig werden. Deren Einfluss wird wirksamer sein als EU-Drohgebärden. Es gibt ja keinen Wirtschaftsraum in der Welt, der über Direktinvestitionen so stark verflochten ist wie der transatlantische. Deshalb schaden Barrieren auch den in Europa tätigen US-Firmen.

Leserfrage von Martin Kaldowski (Köln): Wie stark wird ein protektionistischer Kurs der USA unser Wachstum beeinträchtigen?

Horn: Die 2017 für Deutschland prognostizierte Wachstumsrate von ein bis zwei Prozent würde wohl sinken. Wir haben einen Exportanteil in die USA von zehn Prozent. Der könnte sich vielleicht halbieren. Hinzu kommen sogenannte Drittmarkteffekte. Von einer amerikanischen Abschottung wären ja auch andere deutsche Handelspartner betroffen, die dann ihrerseits weniger deutsche Produkte ordern. Auch die Investitionen würden leiden – vor allem, wenn sich in Großbritannien ähnliche Tendenzen wie in den USA durchsetzen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%