Konjunktur Der schöne Schein

Die deutsche Wirtschaft wächst weiter. Wenigstens vordergründig. Doch so gut wie es auf den ersten Blick scheinen mag, geht es der deutschen Wirtschaft nicht. Eine Analyse.

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Die deutsche Wirtschaft wächst – aber nur ein bisschen. Quelle: dpa

Die deutsche Wirtschaftsleistung ist im ersten Quartal mit 0,7 Prozent gegenüber dem Vorquartal scheinbar sehr kräftig gewachsen. Auf ein ganzes Jahr hochgerechnet würde das einer Rate von fast drei Prozent entsprechen. Doch so gut wie es auf den ersten Blick scheinen mag, geht es der deutschen Wirtschaft nicht. Das zeigen die Detaildaten, die das Statistische Bundesamt am Dienstag veröffentlich hat.

Auch die Börsianer in Deutschland blicken mit weniger Optimismus auf die Wirtschaft als die frohe BIP-Botschaft eigentlich erwarten ließe. Das Barometer für die Erwartungen in den nächsten sechs Monaten ging im Mai um 4,8 Punkte auf 6,4 Zähler zurück, wie das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) am Dienstag unter Berufung auf seine Umfrage unter 211 Analysten und Anlegern mitteilte.

„Dass sich die Wirtschaftslage in gleicher Geschwindigkeit weiter verbessern wird, ist aus Sicht der Experten nicht zu erwarten“, schloss ZEW-Präsident Achim Wambach mit Blick auf das hohe Vorquartalswachstum im ersten Vierteljahr. Möglich ist allerdings auch, dass eher die schwache Aktienmarktentwicklung der letzten Wochen die Stimmungseintrübung der Analysten und Anleger herbeigeführt hat.

Konjunkturindikatoren

Die hohe Vorquartalsrate beruht zu einem guten Teil darauf, dass das milde Winterwetter nicht den Bau nicht so stark gedämpft hat, wie von der Saisonbereinigung unterstellt. Das ist ein wichtiger Grund, warum unter anderem die Bundesbank schon länger davon ausgeht, dass es im zweiten Quartal weniger toll wird. Dieses wird dann nämlich gegenüber dem überzeichneten ersten Quartal ein nach unten verzerrtes Wachstum aufweisen.

Man schaut deshalb besser auf den Vergleich zum Vorjahresquartal (auch der letzte Winter war warm). Dann sieht man leider eine merkliche Abschwächung der Dynamik. Mit 1,3 Prozent fiel das Wachstum deutlich hinter die 2,1 Prozent des Vorquartals und auch der beiden Quartale davor zurück. Die privaten Konsumausgaben wuchsen zwar mit 1,8 Prozent überdurchschnittlich, zeigen aber doch seit dem Plus von 2,2 Prozent im dritten Quartal einen Abwärtstrend.

Im Vergleich zur Zunahme der verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte von 2,5 Prozent zum Vorjahr fällt der Konsum sogar eher mager aus. Insbesondere die Arbeitnehmer konnten in diesem Quartal mit gut vier Prozent einen kräftigen Einkommenszuwachs verbuchen.

Keine Besserung in Sicht

Für die Konjunktur besonders wichtig sind die Investitionen der Unternehmen in Maschinen und Anlagen, die sogenannten Ausrüstungsinvestitionen. Sie nahmen zum Vorjahresquartal nur noch um 2,4 Prozent zu, so schwach wie seit langem nicht mehr. Das könnte darauf hindeuten, dass die Unternehmen die Aussichten nicht mehr als günstig genug einschätzen, um in Kapazitätserweiterungen zu investieren. Allerdings sind diese Daten schwankungsanfällig, sodass man sie nur mit Vorsicht interpretieren sollte.

Einen Grund für Skepsis in Bezug auf die Absatzchancen liefert der Außenhandel. Weil der Export mit 1,5 Prozent zum Vorjahresquartal so wenig zulegte wie schon lange nicht mehr und die Importe deutlich stärker zunahmen, lieferte der Außenhandel einen Abzugsposten von einem halben Prozentpunkt beim Wirtschaftswachstum.

Das scheint sich auch nicht bald zu bessern. In der Frühjahrsumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHT) trübten sich die die Exporterwartungen ein. „Derzeit fehlen weltweit die Wachstumstreiber“, erklärte die Kammer. „Die Weltwirtschaft ist durch politische Krisen und Rezessionen in einigen Ländern geprägt.“ Sonderfaktoren wie der vergleichsweise schwache Euro-Kurs und die Entlastung durch den niedrigen Ölpreis stützten hingegen die globale Nachfrage.

Insgesamt bewerteten die 24.000 befragten Unternehmen ihre Geschäftslage als gut, aber nicht mehr ganz so gut wie zu Jahresbeginn. Ihre Investitionsbudgets wollen die Unternehmen in den nächsten Monaten stabil halten, ihre Belegschaften tendenziell leicht vergrößern. Das deutet insgesamt auf fortgesetztes, aber moderates Wirtschaftswachstum hin.

Der DIHT erhöhte seine zuvor recht pessimistische Wachstumsprognose für das Gesamtjahr aufgrund des nun bestätigten Wachstumswerts für das erste Quartal leicht von 1,3 auf 1,5 Prozent. Das ist immer noch etwas weniger als der Vorjahreswert und als die 1,7 Prozent, von denen die Bundesregierung ausgeht.

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