Konjunktur "Die Rezession ist vorbei"

Die deutsche Wirtschaft ist im zweiten Quartal überraschend gewachsen. Damit scheint der Tiefpunkt der Finanzkrise überwunden und die schwerste Rezession in der Geschichte der Bundesrepublik überstanden zu sein.

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Der Konsum trägt zum Wachstum Quelle: dpa/dpaweb

Die Wirtschaft wuchs im zweiten Quartal überraschend um 0,3 Prozent im Vergleich zum ersten Vierteljahr, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. „Das ist das erste Wachstum nach einem Jahr stetigen Schrumpfens“, sagte ein Statistiker. Konsum, Bauinvestitionen und Außenhandel schoben die Konjunktur wieder an.

„Die Rezession ist vorbei“, sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. 35 befragte Analysten hatten mit einem erneuten Minus von 0,3 Prozent gerechnet, nachdem die Wirtschaft zuvor vier Quartale in Folge geschrumpft war. Andere Ökonomen hatten allerdings bereits mit einem minimalen Wachstum gerechnet. Nach den überraschend positiven Nachrichten aus der Wirtschaft in den vergangenen Wochen haben viele Volkswirte ihre Vorhersagen für das zweite Quartal nach oben revidiert.

Zu Jahresbeginn war die Konjunktur mit revidiert 3,5 (bisher: 3,8) Prozent noch so stark eingebrochen wie nie. Ein Wachstum hatte es zuletzt im ersten Quartal 2008 gegeben.

Auch Bundesfinanzminister Peer Steinbrück sieht Anzeichen für eine langsame Erholung der Wirtschaft in Deutschland. „Ich bleibe mit Prognosen vorsichtig. Aber es gibt mehr und mehr Indizien dafür, dass es langsam wieder aufwärts geht“, sagte der SPD-Politiker der „Bild“-Zeitung. „Das stimmt mich optimistisch.“ Für den Arbeitsmarkt stehe die entscheidende Phase aber noch Ende diesen und Anfang nächsten Jahres bevor.

Als positives Moment wertete Steinbrück auch, dass bei den staatlichen Bürgschaften für Kreditinstitute im Rahmen des Banken-Rettungsfonds erst 130,7 Milliarden Euro von 400 Milliarden Euro ausgereicht und von den Kapitalspritzen erst 21,9 Milliarden Euro von 80 Milliarden Euro aufgebraucht wurden. Diese vorsichtigen positiven Zeichen änderten aber nichts daran, dass für die Zukunft erst einmal Sparen angesagt sei. „Wir werden sparen müssen“, sagte Steinbrück mit Blick auf die hohen Staatsschulden voraus.

Konsum treibt Wachstum

Bundeswirtschaftminister Karl-Theodor zu Guttenberg wertet das überraschende Wachstum für eine Trendwende nach der Rezession. „Diese Zahlen sollten uns ermutigen. Sie belegen, dass der stärkste Einbruch der Wirtschaftsleistung hinter uns liegen dürfte“, erklärte der CSU-Politiker. Die Stabilisierung der Wirtschaftsleistung ist aus seiner Sicht auch auf das „schnelle und beherzte Handeln“ der Bundesregierung zurückzuführen.

Guttenberg sagte weiter: „Mit den Konjunkturpaketen haben wir wirtschaftspolitisch die Weichen richtig gestellt, so dass sich aus der Stabilisierung im zweiten Quartal eine nachhaltige konjunkturelle Erholung entwickeln könnte. Allerdings gibt es keinen Anlass zur Euphorie, denn es ist noch ein weiter Weg bis unsere Wirtschaft das Vorjahresniveau erreicht.“

Laut den Statistikern wurde die Konjunktur insbesondere von den privaten und staatlichen Konsumausgaben sowie den Bauinvestitionen angekurbelt. Da die Importe stärker sanken als die Exporte, trug auch der Außenhandel zum Wachstum bei. Der Unsicherheitsschock, der nach der Pleite der US-Bank Lehman Brothers im September 2008 eingesetzt habe, sei abgeebbt und die Unternehmen holten jetzt weltweit Investitionen nach, sagte Commerzbank-Experte Krämer.

„Das Wachstum im Frühjahr wird keine Eintagsfliege bleiben“, sagt Krämer. Im dritten Quartal werde die Wirtschaft Fahrt aufnehmen und könnte bis zu einem Prozent wachsen.

Mit einer deutlichen Verbesserung der Wirtschaftsleistung rechnen Experten neben Deutschland für Österreich, Frankreich und die Niederlande. Auch in Frankreich ist die Wirtschaft im zweiten Quartal erstmals seit einem Jahr wieder gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sei im Vergleich zum Vorquartal um 0,3 Prozent gestiegen, teilte die französische Statistikbehörde INSEE nach vorläufigen Berechnungen in Paris mit.

Volkswirte hatten mit einem Rückgang um 0,3 Prozent gerechnet. Im ersten Quartal war die Wirtschaft noch um revidierte 1,3 (zuvor 1,2) Prozent geschrumpft. Im Vergleich zum Vorjahr ging das BIP im zweiten Quartal um 2,4 Prozent zurück.

Weltweite Finanzkrise wirkt noch immer

Doch trotz der positiven Tendenzen leidet die Wirtschaft noch immer unter den Folgen der weltweiten Finanzkrise, wie der Vergleich mit dem zweiten Quartal 2008 zeigt: Hier brach das Bruttoinlandsprodukt - die Summe aller in Deutschland hergestellten Waren und erbrachten Dienstleistungen - um 7,1 Prozent ein. „Einen stärkeren Rückgang gab es noch nie in der Nachkriegszeit“, sagte ein Statistiker.

Experten warnen deshalb vor Euphorie. „Das Risiko bleibt ein deutlicher Anstieg der Arbeitslosigkeit“, sagte der Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Christian Dreger. „Sollte im Herbst Kurzarbeit verstärkt in Entlassungen umgewandelt werden, dämpft das die Löhne und den Konsum.“

Die Bundesregierung und führende Institute rechnen bislang für 2009 mit einem Minus von sechs Prozent. Das wäre der stärkste Einbruch seit Gründung der Bundesrepublik.

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