Bereits in den vergangenen Jahren mussten wir weltweit mit eher mäßigen Wachstumsraten leben. Seit 2010 bewegt sich das Wachstum des Welthandels gegenüber dem jeweiligen Vorjahr nur noch in einer Bandbreite zwischen null und fünf Prozent. Vor der Bankenkrise, also in den Jahren 2004 bis 2007, hatte der jährliche Zuwachs noch bei fünf bis zehn Prozent gelegen - zeitweise sogar noch höher.
Ein solch dynamisches Wachstum hat die Weltwirtschaft seitdem nicht mehr erreicht. Das ist auch nicht überraschend: Schließlich wurde in den letzten Jahren das Risiko in vielen Sektoren der Wirtschaft teilweise deutlich reduziert.
So haben sich die privaten Haushalte - vor allem in den USA - merklich entschuldet. Auch die Banken in den Industrieländern haben das Risiko in ihren Bilanzen erheblich reduziert und zugleich ihre Bilanzen verkürzt.
Das Geld, das dort für Abbau von Risiken und Schulden ausgegeben wurde, fehlte natürlich auf der Investitionsseite. Lediglich die Staaten haben in den vergangenen Jahren ihre Verschuldung erhöht und so in die Wirtschaft investiert. Dadurch konnten sie jedoch nur einen Teil der negativen Effekte des globalen Risikoabbaus ausgleichen.
China als Bremsfaktor
Ein zusätzlicher Bremsfaktor für die Weltwirtschaft ist das immer schwächer werdende Wachstum des chinesischen Marktes. Hier liegt das Wachstumsziel der Regierung inzwischen nur noch bei 7,5 Prozent – im Gegensatz zu Wachstumsraten von zehn Prozent und mehr in den Vorjahren.
Doch auch wenn diese Entwicklung die Weltwirtschaft insgesamt bremst, ist sie langfristig betrachtet positiv. China hat begonnen, sein Erfolgsmodell grundlegend umzubauen: Statt sich weiter auf Produktion und Export billiger Massenware zu konzentrieren, sollen in Zukunft qualitativ hochwertige Produkte entwickelt und verkauft werden. Damit soll die inländische Nachfrage gestärkt werden.
Das chinesische Wirtschaftswachstum wird an Breite gewinnen und weniger von der Exportnachfrage abhängen. Dass ein solcher Umbau – trotz verschiedener Maßnahmen zur Stärkung des BIP-Wachstums - nicht ohne Bremsspuren in der Wirtschaftsdynamik abgehen kann, ist selbstverständlich.
Der Euroraum befindet sich aus Sicht der globalen Weltkonjunktur noch immer in einer kritischen Situation. Zwar konnte er in den vergangenen Quartalen ein Ende der Rezession vermelden, doch ist diese Meldung mit Vorsicht zu genießen. Denn die (angebliche) Trendwende ist zum größten Teil durch eine Steigerung der Staatsausgaben erreicht worden und wird sich daher auch nicht als dauerhaft erweisen.
Die grundlegenden Wirtschaftsstrukturen haben sich im Euroraum nur in den kleineren Ländern und in Spanien verbessert; in Frankreich und Italien wartet man noch immer auf den Beginn durchgreifender Reformen. Aus diesem Grund ist Italiens Volkswirtschaft in der ersten Hälfte von 2014 wieder in die Rezession gerutscht, und Frankreich kann aktuell nur ein sehr mageres Wachstum berichten. Die Wirtschaftssanktionen gegen Russland dämpfen zusätzlich die Wachstumsaussichten in Europa.
Niedrige Zinsen und Wertpapierkäufe
Die weltweiten Zentralbanken versuchen mit verschiedenen Maßnahmen das Wachstum anzukurbeln. Zu den mittlerweile üblichen Instrumenten gehören Notenbankzinsen nahe der Nulllinie; die Europäische Zentralbank hat den Einlagesatz sogar bis auf -0,20 Prozent gesenkt.
Ein weiteres Mittel der Konjunkturankurbelung ist der Aufkauf von Wertpapieren: Hierbei suchen die Zentralbanken gezielt nach Anlagen, deren Ankauf das Zinsniveau in den für sie entscheidenden Sektoren der Volkswirtschaft senkt. Die japanische Zentralbank kauft fast alle Arten von Wertpapieren.
Ziel ist es, eine höhere Inflationsrate zu erreichen. In den USA wurden durch die amerikanische Notenbank hauptsächlich Staatsanleihen gekauft sowie Anleihen, die in Verbindung mit dem Hausmarkt stehen. Im Euroraum beginnt die Zentralbank in Kürze mit dem Aufkauf von Krediten, um so die Kreditvergabe anzukurbeln. Als Nebeneffekt aller dieser Maßnahmen werden die Bilanzen der Notenbanken stark ausgeweitet.
Ob das angestrebte Ziel einer Belebung des Wirtschaftswachstums mit diesen Maßnahmen erreicht wird, ist umstritten. Immerhin scheinen diese Bemühungen einen weiteren Rückgang des Wirtschaftswachstums verhindert zu haben. Und das ist bereits ein Erfolg. Allerdings haben die Zentralbanken es bisher nicht geschafft, das Weltwachstum auf ein nachhaltig höheres Niveau zu heben.
Wie sehr die Weltkonjunktur lahmt, zeigt sich auch bei den Investitionen. Die Unternehmen investieren (in Prozent des jeweiligen BIP) seit Jahren deutlich weniger als noch vor der Krise. Dies liegt sicher auch an dem noch immer schwach kapitalisierten Bankensektor. Insbesondere in Südeuropa führt das zu einer schleppenden Kreditvergabe.
Ein anderer wichtiger Grund für die schwachen Investitionen ist die Nichtauslastung der vorhandenen Kapazitäten. Damit fehlt letztendlich der entscheidende Investitionsanreiz für die Unternehmen.
Ölpreise als Indiz
Auch die fallenden Rohstoffpreise sind ein weiteres Indiz für eine relativ schwache wirtschaftliche Entwicklung. Beispielsweise ist der Ölpreis in den letzten Tagen wieder unter die Marke von 100 Dollar je Barrel gefallen. Und die Preisentwicklung bei Industriemetallen ist ebenfalls rückläufig.
Der Instrumentenkasten der EZB
Wieder einmal blicken alle in der Euro-Schuldenkrise gebannt nach Frankfurt: die Europäische Zentralbank (EZB) soll es im schlimmsten Fall richten, mit ihrem Waffenarsenal intervenieren und so die Märkte beruhigen.
Zwar streiten sich Fachleute und auch die Notenbanker darüber, wie effektiv, nachhaltig und sinnvoll weitere Eingriffe der Geldpolitik sein könnten. Fest steht aber: die EZB verfügt als einzige Institution über einen gut gefüllten und theoretisch sofort verfügbaren Instrumentenkasten, um angeschlagenen Banken unter die Arme zu greifen, Institute im Falle eines Bank-Runs mit neuem Geld zu schützen und durch ihre Finanz-Feuerkraft wenigsten für eine begrenzte Zeit wieder für Ruhe an den Börsen zu sorgen.
Vor dem Wahlsonntag in Athen verdichten sich die Hinweise, dass die großen Notenbanken der Welt gemeinsame Sache machen und die Märkte mit Geld fluten könnten. Eine solche konzertierte Aktion der Zentralbanken gab es schon einmal - Anfang Oktober 2008, kurz nach dem Kollaps der US-Investmentbank Lehman Brothers, als weltweit die Finanzströme zu versiegen drohten.
In der aktuellen Krise rund um die Überschuldung Griechenlands und anderer südeuropäischer Länder hat bislang nur die britische Notenbank angekündigt, dass sie gemeinsam mit dem Finanzminister in London ihren Bankensektor zum Schutz vor aus Griechenland überschwappenden Problemen mit 100 Milliarden Pfund fluten will. Am Freitag sorgte die Aussicht auf eine gemeinsame Intervention der Zentralbanken zunächst für bessere Stimmung an den Märkten.
Aktuell steht der Leitzins der EZB bei 0,75 Prozent. Die Notenbank kann natürlich jederzeit an dieser in normalen Zeiten wichtigsten Stellschraube drehen. Es wäre ein historischer Schritt: Noch nie seit Bestehen der Währungsunion lag der Schlüsselzins für die Versorgung des Finanzsystems mit frischer Liquidität niedriger.
Allerdings nimmt der Spielraum der EZB mit jeder weiteren Leitzinssenkung ab - schließlich rückt damit die Nulllinie unausweichlich immer näher. Fachleute erwarten, dass die Zentralbank mit weiteren Zinssenkungen so lange wartet wie nur möglich, um für den Fall echter Verwerfungen an den Finanzmärkten, wie sie etwa bei einem Austritt der Griechen aus der Euro-Zone drohen würden, noch Munition zu haben.
Um den Geldmarkt wiederzubeleben und die Banken zu ermuntern mehr Geld in den Wirtschaftskreislauf zu geben, könnte die EZB den sogenannten Einlagezinssatz auf null Prozent kappen. Dieser Zins liegt aktuell bei 0,25 Prozent. Das bedeutet, dass Banken, die keiner anderen Bank mehr trauen, immerhin noch Geld dafür bekommen, wenn sie überschüssige Liquidität bei der EZB parken. Bei einem Einlagezinssatz von einem Prozent entfiele der Anreiz dies zu tun. Doch ob die Banken der EZB den Gefallen tun oder das Geld dann lieber horten, ist fraglich. Aktuell parken sie jedenfalls knapp 800 Milliarden Euro in Frankfurt.
Im Dezember und im Februar ist es der EZB gelungen, mit zwei jeweils drei Jahre laufenden Refinanzierungsgeschäften die Gemüter der Banker wenigstens für eine Zeit lang zu beruhigen. Damals sicherten sich die Geldhäuser insgesamt rund eine Billion Euro bei der Zentralbank zum Billigtarif von nur einem Prozent.
Einige Experten glauben, dass weitere langlaufende Geschäfte dieser Art das durch die Unsicherheit über die Zukunft der Euro-Zone untergrabene Vertrauen wieder zurückbringen könnten. Die Banken, die sich um den Jahreswechsel bei der EZB bedient haben, sind allerdings ohnehin bis mindestens Ende 2014 abgesichert. Außerdem kann jede Bank darüber hinaus bei den wöchentlichen Hauptrefinanzierungsgeschäften der Notenbank aus dem Vollen schöpfen.
Damit den Banken die Sicherheiten nicht ausgehen, die diese als Pfand bei den Refinanzierungsgeschäften mit der Notenbank stellen müssen, kann die EZB weitere Erleichterungen bei den Anforderungen beschließen. Sie kann dabei auch selektiv nach Ländern vorgehen, um gezielter zu helfen. Allerdings sind Erleichterungen bei den Sicherheiten immer auch ein Politikum, weil dadurch die Risiken steigen, die die Zentralbank durch die Refinanzierung in ihrer Bilanz ansammelt. Im Fall der Fälle müssten diese von den Steuerzahlern der Mitgliedsländer getragen werden.
Die EZB hat seit Mai 2010 Staatsanleihen hoch verschuldeter Euro-Länder für mehr als 200 Milliarden Euro gekauft. Das im Fachjargon SMP (Securities Markets Programme) genannte Programm ist wegen seiner möglichen Nebenwirkungen in Deutschland und einigen anderen nord- und mitteleuropäischen Ländern umstritten. Es ruht derzeit, kann allerdings jederzeit wieder vom EZB-Rat in Kraft gesetzt werden.
Ob es allerdings noch seine erhofften positiven Wirkungen am Bondmarkt entfalten kann, ist unklar. Wegen der Erfahrungen bei der Umschuldung Griechenlands im Frühjahr dürften wenige private Investoren wie Banken oder Versicherungen der EZB folgen und wieder in den Markt gehen, weil sie fürchten, dass die Zentralbank erneut einen Sonderstatus als Gläubiger durchsetzen könnte, wie sie es im Fall Griechenland getan hat.
Theoretisch kann die EZB neben Staatsanleihen auch andere Arten von Wertpapieren kaufen und auf diese Weise Geld schaffen: zum Beispiel Bankschuldverschreibungen, Aktien und Unternehmensanleihen. Während der Ankauf von Bank Bonds eine durchaus denkbare Möglichkeit wäre, Liquidität bei den Banken zu schaffen, scheinen andere Wege wenig erfolgversprechend. So könnte die EZB wohl schlecht erklären, warum sie etwa Aktien von Banken kauft, nicht aber von Auto- oder Chemiekonzernen. Oder sie setzt sich dem Verdacht aus, der einen Bank mehr Aktien abzukaufen als anderen oder zum Beispiel spanische Institute deutschen oder österreichischen Banken vorzuziehen.
Theoretisch kann die EZB auch ihre Anforderungen an die Mindestreserve der Banken, die diese bei ihr halten müssen, absenken. Sie hat dies um den Jahreswechsel bereits getan und den Satz ihrer gesamten Einlagen, den jede Geschäftsbank bei ihr parken muss, von zwei auf ein Prozent halbiert. Dadurch hatte sie damals eine Summe von rund 100 Milliarden Euro für die Banken freigemacht. Ein solcher Schritt würde es für Banken in Südeuropa, die wohl am ehesten unter einer Kapitalflucht leiden würden, leichter machen, Mittel flüssig zu halten.
Global betrachtet hat sich also die wirtschaftliche Situation vieler Länder in den vergangenen Monaten verschlechtert - und das von einem ohnehin eher niedrigen Niveau aus. Bei eher wachstumssensiblen Anlageklassen, wie Aktien oder Unternehmensanleihen kann dies zu einer längeren Korrektur führen. Die Notenbanken werden diese Entwicklung mit einer weiteren Ausweitung der expansiven Politik nur schwer verhindern können, da die Effektivität der Maßnahmen zuletzt schon deutlich abgenommen hat.
Auch die Investitionen der Staaten dürften eher geringer ausfallen, da letztendlich die haushaltspolitischen Spielräume fehlen. Zudem dürfte eine weitere spürbare Ausweitung der Staatsverschuldung das Vertrauen in die Nachhaltigkeit der staatlichen Budgets weiter verringern. Die Investitionsneigung wird also weiter abnehmen und Wahrscheinlichkeit für zukünftige Steueranhebungen steigt. Es wird also ein unruhiger Herbst werden.