Konjunktur Die Regierung hemmt die Wirtschaft

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Jobkiller Mindestlohn

Anfang nächsten Jahres könnte daher die Teuerungsrate für die Lebenshaltung unter die Marke von null Prozent fallen. Für die Konsumenten wäre das ein willkommener Gewinn an Kaufkraft. Berechnungen der Konsumforscher der Nürnberger GfK zeigen, dass die Bundesbürger im nächsten Jahr im Schnitt über eine Kaufkraft von 21 449 Euro pro Kopf verfügen werden – 572 Euro mehr als in diesem Jahr. Die Volkswirte der Deutschen Bank rechnen daher damit, dass der Konsum auch 2015 mit einem realen Plus von 1,5 Prozent die Konjunktur stützen wird.

Der Schub könnte noch größer sein, gäbe es da nicht den Mindestlohn, der ab Anfang nächsten Jahres branchenübergreifend gilt. Zwar werden die Politiker in Berlin nicht müde, den Mindestlohn als Quell zusätzlicher Kaufkraft zu preisen. Das aber wäre nur der Fall, wenn sämtliche Begünstigten ihre Jobs behielten – eine ziemlich unrealistische Annahme. In einer aktuellen Umfrage des ifo Instituts unter 6300 Unternehmen gab jedes fünfte Unternehmen an, es werde mit Entlassungen auf den Mindestlohn reagieren.

In einer aktuellen Studie haben die Ökonomen Ronnie Schöb von der Freien Universität Berlin und Andreas Knabe von der Universität Magdeburg ausgerechnet, dass dem Mindestlohn 250.000 bis 570.000 Jobs zum Opfer fallen werden. Vor allem die gering Qualifizierten, deren Produktivität unter 8,50 Euro je Stunde liegt, dürften dann wieder bei den Arbeitsagenturen auf der Matte stehen.

Was der deutschen Wirtschaft Mut und Angst macht
Konsum Quelle: dpa
Investitionen Quelle: dpa
Angstmacher: EurokriseSie hat sich dank dem Einschreiten der Europäischen Zentralbank (EZB) merklich beruhigt. Seit ihr Chef Mario Draghi Ende 2012 den unbegrenzten Kauf von Staatsanleihen kriselnder Euro-Länder angekündigt hat, hat nach Ansicht der Finanzmärkte die Gefahr einer Staatspleite in Spanien und Italien deutlich abgenommen. Doch die Ruhe könnte sich als trügerisch erweisen. So reagieren die Börsianer zunehmend nervös auf die Umfrageerfolge von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi, der bei der Parlamentswahl kommende Woche in Italien wieder kandidiert. Berlusconi will viele Reformen seines Nachfolgers Mario Monti wieder zurücknehmen und beispielsweise die Immobiliensteuer wieder abschaffen. Quelle: REUTERS
Angstmacher: Euro-StärkeDie Gemeinschaftswährung steht unter Aufwertungsdruck. Seitdem die japanische Notenbank ihre Geldschleusen geöffnet hat, ist der Euro um 20 Prozent im Verglich zum Yen gestiegen. Dort sitzen einige der größten Konkurrenten der deutschen Exporteure, darunter Autokonzerne wie Toyota und viele Maschinenbauer. Sie können ihre Produkte dank der Yen-Abwertung billiger anbieten. Quelle: dpa
Auch im Vergleich zu anderen Währungen ist der Euro teurer geworden. Experten warnen bereits vor einem Abwertungswettlauf. Noch können die deutschen Exporteure mit dem Wechselkurs gut leben. Die größere Sorge ist, dass weniger konkurrenzfähige Euro-Länder wie Frankreich oder Italien darunter leiden. Das würde am Ende auch Deutschland treffen, das fast 40 Prozent seiner Waren in die Währungsunion verkauft. Quelle: dpa

Der wahre Flurschaden durch den Mindestlohn dürfte noch größer sein. Denn die Jobs, die die Firmen wegen des Mindestlohns gar nicht erst schaffen, tauchen in keiner Statistik auf. „Der Beschäftigungsaufbau dürfte von der Mindestlohneinführung im Jahr 2015 gestoppt werden“, resümieren die Ökonomen der Deutschen Bank. Sie rechnen für nächstes Jahr mit einem leichten Anstieg der Arbeitslosenquote von 6,7 auf 6,8 Prozent, 2016 wird sie sogar auf 7,1 Prozent springen.

Der Mindestlohn kostet nicht nur Arbeitsplätze, er gefährdet auch die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen. Nach Berechnungen der Commerzbank treibt er den Anstieg der Arbeitskosten während seiner zweijährigen Einführungsphase auf insgesamt mehr als vier Prozent in die Höhe – weit stärker als die Produktivität steigt (1,3 Prozent). „Das erodiert die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, in wenigen Jahren haben wir unsere Vorteile wieder verspielt“, warnt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank.

Der Euro geht auf Talfahrt

Die Firmen scheinen das zu ahnen. Fast jedes dritte von ifo befragte Unternehmen sieht in überzogenen Lohnsteigerungen ein großes Risiko für die Konjunktur. Noch verschleiert der schwache Euro das Problem. Seit Jahresmitte hat die Gemeinschaftswährung von knapp 1,40 auf 1,23 Dollar abgewertet, ein Minus von zwölf Prozent. In den nächsten Monaten dürfte der Abwärtstrend weitergehen. Denn zum ersten Mal seit 20 Jahren schicken sich Europa und die USA an, in der Geldpolitik getrennte Pfade einzuschlagen.

Ökonomen zu den Staatsanleihenkäufen der EZB

Während Janet Yellen, Chefin der US-Notenbank Fed, baldige Leitzinserhöhungen in Amerika in Aussicht stellt, will EZB-Chef Mario Draghi die Geldschleusen weiter öffnen. Anfang nächsten Jahres könnte die EZB damit beginnen, in großem Stil Staatsanleihen zu kaufen und Zentralbankgeld in den Bankensektor zu spülen. Das wird die Renditen für Euro-Anlagen weiter in den Keller drücken und Investoren vergraulen. Ende nächsten Jahres könnte der Euro dann nur noch 1,15 Dollar wert sein, erwarten die Ökonomen der Commerzbank. Die Experten der US-Bank Goldman Sachs sehen den Euro mittelfristig auf die Parität zum Dollar zusteuern. So wird der Euro mehr und mehr zur Weichwährung.

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