Konjunkturausblick 2016 Die unsichtbaren Gefahren für den Aufschwung

Niedrige Zinsen und billiges Öl bescheren Deutschland einen Konsumboom. Doch Investitionen bleiben aus, und die Weltwirtschaft schwächelt.

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Konjunktur-Ausblick für 2016. Quelle: Getty Images

Das hat es schon lange nicht mehr gegeben. Die Deutschen, das Volk der Sparfüchse, sind auf einmal in bester Kauflaune. Nicht, dass die Regale in den Bekleidungsläden kurz vor dem Weihnachtsfest leer gefegt wären – Pudelmützen, Strickpullover und Handschuhe stapeln sich. Doch das ist allein dem ungewöhnlich warmen Wetter geschuldet. Viel besser läuft es bei Schmuck, Büchern, Uhren und Kosmetika. „Wir sind mit der bisherigen Entwicklung im Jahr 2015 sehr zufrieden und haben sowohl stationär als auch online zugelegt“, sagt Henning Kreke. Der Chef der Parfümeriekette Douglas hat bei den Bundesbürgern einen Mentalitätswandel festgestellt. „Shopping wird allgemein nicht mehr als reine Zwecktätigkeit, sondern immer stärker als Freizeitbeschäftigung wahrgenommen.“

Tatsächlich scheint die Shopping-Queen mehr als eine mediale Erfindung zu sein. Denn so ausgabefreudig wie zurzeit waren die Deutschen lange nicht mehr. Von Januar bis Oktober kletterten die Umsätze im Einzelhandel preisbereinigt um fast drei Prozent gegenüber dem Vorjahr. Ähnlich hohe Zuwächse hatte es zuletzt vor 15 Jahren gegeben. Damals hatten das Aktienfieber und die New-Economy-Euphorie die Bürger in höchste Kauflaune versetzt.

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Für die Konjunkturauguren in den Banken und Forschungsinstituten heißt es daher umdenken. Jahrelang hatten sie in Deutschland den typischen Exportjunkie gesehen – ein von notorischen Konsummuffeln bevölkertes Land, das auf konjunkturelle Stimuli aus dem Ausland angewiesen ist. Alles Tempi passati. Denn jetzt folgt die Konjunktur einem neuen Muster. Der Boom am Arbeitsmarkt und die kräftigen Lohnzuwächse haben eine Wohlfühlstimmung in Deutschland erzeugt und den Konsum zum wichtigsten Treiber für die Konjunktur gemacht. Euro-Krise, Grexit, Flüchtlingsdrama und VW-Skandal – nichts von dem kann der florierenden deutschen Konsumkonjunktur einen Dämpfer verpassen.

Alles gut also? „Die viel zu lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank hat einen Scheinaufschwung angefacht“, warnt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Hinter diesem Schein gebe es immer mehr Fehlentwicklungen, „die den Keim einer schweren wirtschaftlichen Krise in sich tragen“, warnt Krämer. Steht der Aufschwung also auf dem falschen Fuß? Die Unternehmen jedenfalls halten sich mit Investitionen zurück. Für die Nachhaltigkeit des Aufschwungs ist das schlecht. Denn echtes Wachstum erfordert gesunde Investitionen. Bleiben sie aus, wird es unweigerlich ein bitteres Erwachen geben, wenn es auf dem Arbeitsmarkt einmal nicht mehr so gut läuft und der Schein des Aufschwungs verblasst.

Dass die Unternehmen in Deutschland dies ahnen und mit einer gehörigen Portion Skepsis in die Zukunft blicken, zeigt die Umfrage, die das Münchner ifo Institut exklusiv für die WirtschaftsWoche unter mehr als 450 Unternehmen vorgenommen hat. Danach erwarten 49 Prozent der Befragten, dass die Wirtschaft 2016 langsamer wächst als in diesem Jahr. Lediglich vier Prozent rechnen mit einer höheren Dynamik.

Ein Grund dafür dürfte sein, dass der Gegenwind von der Weltwirtschaft rauer wird. Insbesondere in den Schwellenländern braut sich einiges zusammen. So warnt die Weltbank vor einem „Zeitalter des langsamen Wachstums“ in den aufstrebenden Märkten. Deren Wirtschaft werde in diesem Jahr nur um knapp vier Prozent zulegen – halb so kräftig wie vor fünf Jahren. Die Weltwirtschaft steht damit vor einer Zäsur. Denn es waren die Schwellenländer, die mit ihren hohen Wachstumsraten die Weltkonjunktur nach der Finanzkrise von 2008/09 über Wasser hielten.

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