Endet der Boom dort, bekommt das auch die deutsche Wirtschaft zu spüren. Denn mit einem Anteil von 40 Prozent an den deutschen Exporten sind die aufstrebenden Märkte für die deutschen Ausfuhren mittlerweile wichtiger als die Länder der Euro-Zone. Besonders gefährlich ist, dass der Abwärtstrend alle Schwellenländer gleichzeitig erfasst hat. Beobachter fürchten daher, die Weltwirtschaft stehe nach der Subprime-Krise in den USA und der Euro-Krise in Europa vor der dritten Krisenwelle – diesmal ausgehend von Ländern wie China, Brasilien, Russland, Türkei und weiteren einstigen Hoffnungsmärkten.
Konjunkturindikatoren
Der vom Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) herausgegebene Index beruht auf der Befragung von 350 Analysten und Finanzmarktexperten. Sie geben dabei ihre Einschätzung über die künftige Wirtschaftsentwicklung ab. Der Index zur mittelfristigen Konjunkturentwicklung ergibt sich aus der Differenz der positiven und negativen Erwartungen über die künftige Wirtschaftsentwicklung. Er wird zur Monatsmitte erhoben.
Der international beachtete Index basiert auf einer Befragung von etwa 7000 Unternehmen aus Bau, Einzelhandel und Industrie. In einem Fragebogen beurteilen sie ihre gegenwärtige Geschäftslage sowie die Erwartungen für die Zukunft. Beide werden im Geschäftsklima zusammengefasst. Der Index ergibt sich aus dem Saldo der Antworten „gut“ und „schlecht“.
Wird von der britischen Forschergruppe Markit erhoben. Er beruht für Deutschland auf Umfragen unter Einkaufsmanagern von 500 repräsentativ ausgewählten deutschen Industrieunternehmen. Bestandteile des Index sind Auftragseingänge, Preise und Beschäftigung. Der Index hat einen relativ kurzen Vorlauf gegenüber der Produktion.
Umfasst den Bargeldumlauf und die Sichteineinlagen, wie zum Beispiel Sparbücher. Da die in M1 enthaltenen Bestandteile direkt für Transaktionen zur Verfügung stehen, deutet ein Anstieg darauf hin, dass die Kaufbereitschaft der Konsumenten und Unternehmen steigt. Der Indikator hat einen Vorlauf von zwei bis drei Quartalen.
Der BDI ist ein Preisindex für die Verschiffungskosten wichtiger Rohstoffe wie Stahl, Eisenerz, Kohle und Getreide auf Standardrouten. Er wird durch das Angebot an frei stehendem Schiffsladeraum und die Hafenkapazitäten beeinflusst. Da Rohstoffe als Vorprodukte am Anfang der Wertschöpfungskette stehen, ist der BDI ein guter Frühindikator für die Weltkonjunktur.
Der Index des Nürnberger Marktforschungsinstituts GfK prognostiziert die Veränderung der monatlichen privaten Konsumausgaben. Hierfür werden 2000 repräsentativ ausgewählte Personen nach ihren Einkommens- und Konjunkturerwartungen befragt.
Denn ebenso wie in den USA und Europa haben sich auch Unternehmen und private Haushalte in den aufstrebenden Märkten von den anhaltend niedrigen Zinsen zu einem Leben auf Pump verleiten lassen. Ihre Schuldenlast kletterte binnen weniger Jahre von 80 auf 120 Prozent der Wirtschaftsleistung. Viele dieser Kredite lauten auf Dollar.
Besonders die Chinesen, die 38 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Schwellenländer erwirtschaften, sitzen tief im Schuldenmorast. Die meist staatlichen Unternehmen im Immobilien-, Bergbau- und Energiesektor, die unter hohen Überkapazitäten und sinkenden Gewinnen leiden, werden mit Billigkrediten künstlich am Leben gehalten. Binnen sieben Jahren sind ihre Verbindlichkeiten von 100 auf über 160 Prozent des BIPs geklettert.
Nach Ansicht des Harvard-Ökonomen Dani Rodrik fehlt den meisten Schwellenländern ein kohärentes Wachstumsmodell. „Kratzt man an der Oberfläche, stellt man fest, dass die einst hohen Wachstumsraten nicht das Ergebnis produktiver Reformen, sondern das Resultat des flüchtigen Rohstoffbooms und hoher Schulden waren“, sagt Rodrik. Nun müssen die Unternehmen und Bürger ihre Außenstände abbauen. Das bremst die Investitionen und den Konsum. Dazu kommt, dass mit dem nachlassenden Wachstum in China dessen Rohstoffhunger sinkt. Das spüren die rohstoffexportierenden Länder in Lateinamerika und Afrika.
Sudden stop
Das größte Risiko für die Weltwirtschaft ist, dass sich der Abwärtstrend der Schwellenländer beschleunigt. Sollte die US-Notenbank Fed nach der Zinswende der vergangenen Woche auch in den nächsten Wochen und Monaten die Geldbeschaffungskosten weiter anheben, könnten Kapitalanleger ihr Geld vermehrt nach Amerika umlenken. Der Exodus aus den Schwellenländern ließe deren Währungen abstürzen und verteuerte ihren Dollar-Schuldendienst. Erhöhen die Notenbanken dieser Länder dann ebenfalls die Zinsen, um das Kapital im Land zu halten, wären schwere Rezessionen vorprogrammiert.
Dann drohte, was Ökonomen „Sudden stop“ nennen – eine plötzliche Schubumkehr der globalen Kapitalströme. Es wäre, als zöge jemand bei voller Fahrt die Notbremse. In der Vergangenheit brach in solchen Fällen das Wachstum der Wirtschaft und der Investitionen um 7 beziehungsweise um 21 Prozentpunkte ein. Die Weltbank warnt daher, dass in diesem Fall „eine harte Landung der Schwellenländer die ohnehin fragile Weltkonjunktur aus der Bahn werfen würde“.
Europa bekäme das direkt zu spüren. Zwar scheint der alte Kontinent den akuten Krisenmodus überwunden zu haben. Doch ein dynamischer Aufschwung ist – von Ausnahmen abgesehen – nicht in Sicht. Ebenso wie in den Schwellenländern ist in Europa ein Berg voller Schulden bei Bürgern und Unternehmen gewachsen. Zuletzt betrugen die Außenstände 180 Prozent vom BIP. „Bevor die Wirtschaft in der Euro-Zone in Schwung kommt, müssen die Bilanzen bereinigt werden“, sagt Krämer.
Etwas besser stehen die USA da. Die Bürger haben ihre Schulden in den vergangenen sechs Jahren von 96,5 auf 78,4 Prozent des BIPs reduziert. Rechnet man aber die Außenstände von Unternehmen, Banken und Staat hinzu, liegt die Schuldenlast bei 300 Prozent vom BIP. Sollte die Fed die Zinsen kräftig anheben, würde das die Wirtschaft also hart treffen.