Kritik am freien Handel Ist der Kapitalismus am Ende?

Seite 3/3

Stagnation ist nicht die Lösung

Ist die Ära der Wohlstandszuwächse vorbei, wie neben Wallerstein auch der französische Senkrechtstartet Thomas Piketty, Nobelpreisträger Paul Krugmann oder der frühere US-Finanzminister Larry Summers glauben? Alles ein Irrtum, sagt Henrik Müller. Zwar sei derzeit die Wirtschaftsdynamik erlahmt und die Arbeitslosigkeit in den Industriestaaten hoch, aber Hoffnung auf einen Erhalt des Wohlstands bestehe durchaus.

Denn: „Die Neugier erlahmt nicht“, so der Professor für wirtschaftspolitischen Journalismus an der TU Dortmund in seinem neuen Buch "Wirtschaftsirrtümer - 50 Denkfehler, die uns Kopf und Kragen kosten" (Campus-Verlag). „Neues zu entdecken und zu erfinden ist eine menschliche Grundeigenschaft – und die eigentliche Quelle aller Wohlstandszuwächse. Warum sie plötzlich, nach Millionen Jahren Menschwerdung, versiegen sollten, ist nicht plausibel.“

Der Zugang zu Bildung, Wissen und Informationen sei noch nie so leicht gewesen wie heute. Zudem müssten sich die Menschen, anders als früher, keine Sorgen mehr um die Grundbedürfnisse machen. Die Bedingungen für Kreativität und daraus entstehend Produktivität seien so gut wie nie.

Professor Henrik Müller räumt in seinem Buch

Politik und Gesellschaft sollten alles tun, um weiterhin Wachstum zu ermöglichen. Die Antwort auf die aktuellen und – wie oben geschildert – künftigen Probleme sei nicht, für ökonomischen Stillstand zu plädieren. Wachstum sei ein großes Projekt, da es Gesundheit, Wohlstand und Freiheit ermögliche. Dieses Wachstum aber müsse nachhaltig sein. „Die Zerstörung der Umwelt, die Gesundheit, Lebenserwartung und Zufriedenheit der Bürger – all diese Fragen sind an den reinen BIP-Zahlen nicht ablesbar“, sagt Henrik Müller. „Wachstum um jeden Preis kann und sollte nicht der Maßstab für ökonomischen Erfolg sein.“

Wachstum mit Verstand

Die Entwicklung von Energietechnologien, die unabhängig von den natürlichen Ressourcen sind, ein verantwortungsvoller Umgang mit den Ökosystemen oder die Weiterentwicklung von Infrastruktur und Institutionen, die Metropolen mit über zehn Millionen Menschen zivilisiert bewohnbar machen, seien Großprojekte, die Lösungen bedürfen. Und gleichzeitig Wachstumschancen bieten, so Müller.

Wie Carsharing in Großstädten funktioniert und was es kostet

Wachsen mit Verstand. Auf diese Formel kann sich auch Uwe Möller vom Club of Rome einigen. „Ich hoffe nicht auf den Tod des Kapitalismus, ich hoffe aber auf eine Neuinterpretation des Systems“, sagt er. Nachhaltiges Wachstum müsse das Ziel sein. Umso mehr freue sich Möller, dass die „Kids nicht mehr bereit sind, 20.000 Euro für ein Auto hinzulegen, das sie nur am Wochenende nutzen“. Car-Sharing, die Wiederverwertbarkeit von Gegenständen, die Energiewende und lokales Einkaufen seien Schritte in die richtige Richtung.

Doch wie nachhaltig lebt Möller selbst? „Ich kaufe bei einem kleinen türkischen „Supermarkt“ um die Ecke ein“, sagt Möller. Das sei weniger anonym und netter. Im Internet kaufe er nicht ein. Er wolle nicht, dass die Produkte einmal um den Globus geschickt werden. Sein Auto habe er abgemeldet, stattdessen fahre er Bahn. Urlaub mache er am liebsten in Deutschland. Ob er auf etwas verzichtet? „Nö“, sagt Möller lapidar und setzt sein freundliches Lächeln auf. „Wieso denn?“.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%