Kritik aus dem Finanzministerium „Das Angebot von Bundesanleihen wird immer knapper“

Die Kritik aus dem Bundesfinanzministerium an der EZB-Geldflut wird laut Medienbericht aufgrund der Nebenwirkungen größer. Mittlerweile liegen die Renditen italienischer Papiere sogar unterhalb einer wichtigen Benchmark.

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Ein Euro-Zeichen wird auf die Fassade der Europäischen Zentralbank projiziert. Ebenso künstlich hält die EZB mit ihren Anleihenkaufprogramm die Renditen der verschiedenen Staatsanleihen niedrig. Quelle: dpa

Berlin Das Bundesfinanzministerium bewertet das Anleihenkaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) einem „Spiegel“-Bericht zufolge zunehmend kritisch. Angesichts der anhaltenden Ankäufe der Notenbank an den Märkten für Staatspapiere „wird das Angebot von Bundesanleihen immer knapper“, zitierte das Magazin am Freitag vorab aus seiner neuen Ausgabe unter Berufung auf eine interne Vorlage des Ministeriums. In der Folge gerieten die Renditen der Bonds zusätzlich unter Druck.

Mit der Geldflut will die EZB das Wachstum ankurbeln und die aus ihrer Sicht zu niedrige Teuerungsrate nach oben treiben. Die Wertpapierkäufe sollen dafür sorgen, dass die Renditen der Anleihen sinken, so dass es sich für Banken weniger lohnt, in diese Titel zu investieren. Stattdessen sollen sie mehr Kredite vergeben.

Der „Spiegel“ berichtete, mit Sorge betrachteten die Beamten von Finanzminister Wolfgang Schäuble die Auswirkungen der Ankäufe auf die Anleihen anderer Länder. So seien die Renditen italienischer Papiere unter die Marge von US-Papieren gefallen, „sehr wahrscheinlich infolge der Aufnahme des EZB-Kaufprogramms“. Dahinter steht die Befürchtung, dass die EZB das Zinsgefüge verzerrt. Staaten mit hoher Verschuldung wie Italien zahlen für gewöhnlich höhere Zinsen als zum Beispiel Deutschland.

Die EZB flutet seit März 2015 das Finanzsystem über den Kauf von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren mit Zentralbankgeld und hat trotz der Hauptferienzeit zuletzt bei ihren Anleihenkäufen einen Gang zugelegt. Die Währungshüter nahmen in der Woche bis zum 19. August Staatspapiere der Euro-Länder im Volumen von 11,86 Milliarden Euro in ihre Bücher. In der Woche zuvor waren es 11,36 Milliarden Euro. Insgesamt erwarb die EZB damit seit dem Start des Programms Staatstitel im Volumen von 980,5 Milliarden Euro. Die Notenbank will ihr Programm noch bis mindestens Ende März 2017 laufen lassen.

Dabei erreicht die Geldschwemme zunehmend die Unternehmen. Im Juli gaben Banken 1,9 Prozent mehr Kredite an nicht zur Finanzbranche zählende Firmen aus als ein Jahr zuvor. Das ist der größte Zuwachs seit fünf Jahren, wie die Währungshüter am Freitag in Frankfurt mitteilten. Im Juni lag das Plus noch bei 1,7 Prozent, im Mai bei 1,6 Prozent. Privathaushalte erhielten 1,8 Prozent mehr Darlehen.

„Die gute Nachricht ist, dass es in allen Euro-Ländern vorangeht“, sagte Ökonom Teunis Brosens von der Großbank ING. „Die Dinge bewegen sich weiter in die richtige Richtung, allerdings sehr langsam und in einem wackligen Tempo.“ Große Wachstumsschübe für die Wirtschaft der Euro-Zone seien allerdings nicht zu erwarten, sagte der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding. Die Folgen des Brexit-Votums in Großbritannien und politische Untersicherheiten dürften in der zweiten Jahreshälfte die Konjunktur belasten.

Die für die Euro-Zone wichtige Geldmenge M3 stieg im Juli um 4,8 Prozent. Experten hatten einen Zuwachs von 4,9 Prozent erwartet. Zu M3 zählen unter anderem Bargeld, Einlagen auf Girokonten, kurzfristige Geldmarktpapiere sowie Schuldverschreibungen mit bis zu zwei Jahren Laufzeit.

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