Kurzarbeit Angst vor der Entlassungswelle

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50.000 Jobs werden in der Quelle: dpa

Eine unheilvolle Mechanik kommt in Gang. Viele Unternehmen ringen im internationalen Wettbewerb um die wenigen Aufträge. Die Konkurrenten im Ausland haben sich schneller an die schlechte Lage angepasst und bereits Mitarbeiter entlassen. Da die Löhne wegen der Tariferhöhungen sogar noch steigen und zugleich die Produktionsmengen sinken, klettern die Lohnstückkosten.

Im produzierenden Gewerbe ist dieser wichtige Indikator der Konkurrenzfähigkeit jüngst um 12,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal in die Höhe geschossen. Im gesamten Jahr 2009 werden in Deutschland die Lohnstückkosten um fünf Prozent steigen, prognostiziert die EU-Kommission. In wichtigen Wettbewerbsländern wie Italien (plus 3,2 Prozent) und Frankreich (plus 2,0 Prozent) fällt der Anstieg moderater aus. Deutschland büßt also jeden Tag ein kleines Stück von seiner bislang -europaweit herausragenden Wettbewerbsfähigkeit ein.

Unternehmen sitzen in der Kostenfalle

Weil sich die Kosten für Maschinen nicht verringert haben, steigen die gesamten Stückkosten ebenfalls. An Preiserhöhungen ist derzeit nicht einmal im Traum zu denken. Die Unternehmen sitzen in der Kostenfalle. Wenn es gut läuft, machen sie weniger Gewinne oder schaffen die schwarze Null. Wahrscheinlicher aber ist, dass sie von ihren Reserven leben, sofern sie welche haben. Dass so etwas nicht lange gut gehen kann, ist sonnenklar.

„Ein Teil der Unternehmen wird die Mannschaft verkleinern müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben oder sogar das Überleben zu sichern“, sagt Ulrich Walwei, Vizedirektor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Selbst bei einem leichten Aufschwung gebe die Auftragslage nicht genug her. Bis die Kapazitätsauslastung bei gleichbleibender Mannstärke wieder Vor-Krisen-Niveau erreiche, könnten Jahre vergehen: „So lange können nicht alle Unternehmen durchhalten.“

Nicht alle Branchen sind betroffen

Eine repräsentative Umfrage des Münchner ifo Instituts im Auftrag der WirtschaftsWoche bestätigt den Trend. Von den mehr als 600 befragten Managern in verschiedenen Branchen plant ein Viertel, demnächst Stellen abzubauen. Und 27 Prozent der Manager in kurzarbeitenden Unternehmen fürchten, dass auch die Verlängerung der Kurzarbeit Kündigungen nicht verhindern kann.

Klar, nicht in allen Branchen gehen die Lichter aus, längst nicht jeder Kurzarbeiter verliert seinen Arbeitsplatz. Die Baumarktkette Praktiker etwa beendete in 84 Filialen die Kurzarbeit sogar, weil das Geschäft wieder anzog. Vermutlich hat die unfreiwillige Freizeit der übrigen Kurzarbeiter einen kleinen privaten Renovierungsboom ausgelöst, von dem Baumärkte profitieren. Auch in der Bauindustrie rechnet niemand mit einer Kündigungswelle – nicht zuletzt wegen der staatlichen Konjunkturpakete.

Die Exportnachfrage jedoch kann der Staat nicht ankurbeln. Die Nachrichten aus diesen Branchen klingen wie Schmerzensschreie im Überlebenskampf. Beispiel Maschinenbau: Der Bochumer Technologieriese Gea will 1900 Stellen streichen, beim Pressenhersteller Schuler in Göppingen müssen 600 Mitarbeiter gehen, der Kölner Motorenbauer Deutz schmilzt seit Mitte vergangenen Jahres häppchenweise 1800 Stellen ab, Heidelberger Druck opfert jeden vierten Arbeitsplatz. Bis zum Jahresende sollen 50.000 Stellen wegfallen, schätzt der Branchenverband VDMA – doppelt so viele wie befürchtet. Branchenkenner prophezeien, dass bis Ende nächsten Jahres noch mal 50.000 Jobs gestrichen werden.

In der Chemieindustrie hängt alles von den nächsten zwei Quartalen ab. 50.000 von 439.500 Chemie-Beschäftigten arbeiten kurz – jeder neunte. BASF streicht bis Ende nächsten Jahres einige Hundert Arbeitsplätze in Deutschland. Dann läuft der Standortsicherungsvertrag aus, der BASF betriebsbedingte Kündigungen untersagt. Bei Bayer endet eine ähnliche Vereinbarung bereits Ende 2009.

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