Luftfahrt
Wie unterschiedlich der Einfluss des billigen Öls sein kann, zeigt sich in wenigen Branchen so sehr wie in der Luftfahrt. Auf den ersten Blick profitieren die Fluglinien. Denn machte die Tankrechnung bei einem Rohölpreis von gut 100 Dollar noch rund 30 Prozent der Ausgaben aus, sind es jetzt nur noch gut 15 Prozent. Doch profitieren die meisten europäischen Fluglinien davon nur begrenzt. Nicht nur, dass der stärkere Dollar einen Teil der Einsparungen wieder auffrisst. Weil den Airlines in den vergangenen Jahrzehnten plötzlich anziehende Spritkosten immer wieder hohe Verluste bescherten, haben sich fast alle ihren Bedarf zu festen Preisen gesichert. Nun müssen sie ihr Kerosin nicht nur teurer einkaufen als nötig, sondern ihre Bilanz auch noch durch hohe Wertberichtigungen auf die Sicherungsgeschäfte belasten.
Auf den Kopf gestellt hat der Preisverfall auch die Kalkulation bei Flugzeugherstellern und Leasingfirmen. Ihnen zahlten die Airlines in Zeiten teuren Öls höhere Preise für neue Jets, weil sie dank des niedrigen Verbrauchs am Ende trotzdem billiger flogen als mit alten Maschinen. Das gilt nun nicht mehr, hat etwa Deutschlands größter Ferienflieger Condor ausgerechnet – und gerade statt neuer Boeings lieber ältere Modelle gekauft.
Logistik
Ähnlich zwiegespalten ist die Lage in der Transportbranche: Die Containerschifffahrt schreibt ihr achtes Krisenjahr – ohne Anzeichen auf Besserung. Weil viel zu viele Containerschiffe über die Ozeane kreuzen, sinken die Transportpreise auf immer neue Tiefs. Gewinne schreiben die Containerreedereien – wenn überhaupt – oft nur dank des niedrigen Ölpreises. 600 Millionen Euro sparte allein Deutschlands größte Reederei Hapag-Lloyd dank der niedrigeren Kosten zwischen Januar und September ein.
Allerdings verleitet der niedrige Ölpreis die Branche dazu, schlechte Angewohnheiten wieder aufzunehmen: In den vergangenen Jahren reduzierten die Reeder die Durchschnittsgeschwindigkeit ihrer Schiffe auf nur noch 12 bis 14 Knoten. Das sogenannte Slow Steaming dämmte das Problem der Überkapazität zumindest ein wenig, weil die Schiffe länger für ihre Routen brauchten, und sparte Sprit. Jetzt geben die Reeder wieder mehr Gas.
Auch die Deutsche Post DHL verzeichnete zuletzt günstigere Treibstoffkosten. So sanken im Bereich Express, der Sparte für die eiligen und zeitgenauen Sendungen, die Treibstoffzuschläge für Kunden weltweit. In Deutschland fiel der Dieselpreis für Unternehmer nach Daten des Bundesverbands Güterkraftverkehr und Logistik 2015 um mehr als zwölf Prozent. Kleinere Spediteure haben allerdings große Schwierigkeiten, diesen Vorteil auszunutzen. Die meisten Ersparnisse müssen sie an die Kunden weitergeben, die niedrigere Preise verlangen. Und andere Kosten sind im vergangenen Jahr stark gestiegen, zum Beispiel durch die Einführung des Mindestlohns.
Chemie
Einer der größten Ölabnehmer ist die hiesige Chemiebranche: Sie benötigt jedes Jahr mehr als 16 Millionen Tonnen Rohbenzin, was einem Siebtel des Erdölverbrauchs in Deutschland entspricht. Doch die Freude über das billige Öl ist auch hier eher verhalten. Denn die Ersparnisse im Öleinkauf müssen die Unternehmen meist an ihre Kunden weiterreichen. Fein raus sind allerdings Produzenten von Klebstoffen, Pflanzenschutzmitteln, Autoreifen oder Kunststoffartikeln: „Bei Rohölpreisen von 30 bis 35 Dollar je Barrel haben solche Hersteller und deren direkte Lieferanten eine komfortable Position, da es in der Regel nicht transparent ist, wie viel Mineralöl diese Produkte enthalten“, sagt Wolfgang Falter, Chemieexperte beim Prüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte.