Im Oktober 2011 verlieh die Universität Mannheim drei Ökonomen einen Ehrendoktor. "Ich wäre nicht überrascht, diese international renommierten Volkswirtschaftler in der Vorschlagsliste für den nächsten Nobelpreis in Wirtschaftswissenschaften wiederzufinden", sagte der Mannheimer Professor Martin Peitz anlässlich der Preisverleihung.
Drei Jahre später zeigt sich: Peitz hatte Recht - denn unter den Geehrten war damals auch Jean Tirole. Und der gewann heute den Ökonomie-Nobelpreis. Das gab die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm bekannt. Er werde für seine Forschungen über Marktmacht und Regulierung ausgezeichnet, erklärte die Jury am Montag.
Wirtschaftsnobelpreisträger nach Nationen
Deutschland, Frankreich, Indien, Israel, Kanada, Niederlande und die UdSSR stellten bislang je einen Nobelpreisträger. Der einzige deutsche Gewinner war Reinhard Selten, der den Preis 1994 gewann.
Gunnar Myrdal bekam den Preis 1974 gemeinsam mit Friedrich Hayek für die Arbeiten auf dem Gebiet der Geld- und Konjunkturtheorie. Bertil Ohlin erhielt ihn 1977 für seine Arbeiten auf dem Gebiet der Theorie des internationalen Handels und der internationalen Kapitalbewegung.
Ragnar Frisch (1969), Trygve Magnus Haavelmo (1989) und Finn E. Kydland (2004) waren die Gewinner aus Norwegen.
Aus Großbritannien kamen bislang neun Ökonomie-Nobelpreisträger - darunter der gebürtige Österreicher Friedrich Hayek, Ronald Coase und zuletzt Christopher Pissarides.
In die USA gingen bis zum Jahr 2013 53 Nobelpreise - darunter legendäre Ökonomen wie Kenneth Arrow, Milton Friedman, Herbert Simon, James Tobin oder John Nash.
Zugegeben: Der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaft gehört nicht zu den klassischen Nobelpreisen. Denn der schwedische Forscher und Großindustrielle Alfred Nobel hatte lediglich Preise in fünf Bereichen vorgesehen - Physik, Chemie, Medizin, Literatur und Frieden.
Doch 1968 beschloss die Schwedische Notenbank, den Preis zur Erinnerung an Nobel zu stiften und 1969 erstmals zu vergeben. Daher heißt der Preis heute offiziell "Preis der Reichsbank Schwedens für die ökonomische Wissenschaft zum Andenken an Alfred Nobel". Und der neue Preisträger ist aus zwei Gründen anders.
Zum einen ist Tirole erst 61 - und damit knapp sechs Jahre jünger als der durchschnittliche Ökonomie-Nobelpreisträger. Zum anderen ist er nach Maurice Allais (1988) und Gérard Debreu (1983) erst der dritte Franzose, der den begehrten Preis erhält.
Tirole lehrt an der Universität Toulouse. Die Hochschule gilt unter Ökonomen als Hochburg der so genannten Industrieökonomik - ein Bereich der Volkswirtschaft, der sich mit dem Zusammenspiel von Märkten und Unternehmen beschäftigt. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören die industrielle Organisation, Banken- und Finanzwesen sowie psychologische Aspekte der Wirtschaftswissenschaft.
So unbekannt der Franzose außerhalb der ökonomischen Zirkel ist, so bekannt ist er in der Wissenschaft. 2005 wertete der Dienstleister Thomson Scientific aus, wie häufig die in internationalen Zeitschriften veröffentlichten Forschungsergebnisse der Ökonomen von anderen Wirtschaftsforschern zitiert wurden - eine Art Maßstab, um die Forschungstätigkeit der Wissenschaftler zu vergleichen. Tirole landete damals auf dem fünften Rang weltweit. Schon seit Jahren wurde er als Kandidat für den Nobelpreis genannt. Ein Grund: Seine Forschung ist aktuell wie nie.
Denn inzwischen ist bekannt: Auf vielen Märkten haben Akteure unvollständige Informationen. Außerdem verfolgt jeder Teilnehmer unterschiedliche Interessen und hat andere Anreize. Aber wie verhalten sich die Marktteilnehmer vor dem Hintergrund dieser Unsicherheit? Wie entstehen Monopole? Wann versagen Märkte - und was sollten Regierungen dagegen tun? "Jean Tirole hat der Erforschung von Marktversagen neues Leben eingehaucht", sagte die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften.
Diese Fragen beschäftigen Tirole seit Mitte der Achtzigerjahre, sein erstes umfangreiches Werk ("Theory of Industrial Organization") veröffentlichte er bereits 1988. Nun erhält er den Lohn für seine Arbeit. Der Nobelpreis ist mit 870.000 Euro dotiert.