Nobelpreisträger Alvin Roth "Märkte gestalten heißt nicht Märkte abschaffen"

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Tulpenhandel als Vorbild

Zum Beispiel?

Der Internethandel, überhaupt die gesamte Digitalisierung, schaffen ganz neue oder jedenfalls radikal veränderte Märkte. Das birgt Chancen, schafft aber auch Probleme. Das Design der neuen Märkte ist oft problematisch. Es macht einen großen Unterschied, ob sich der Internethandel an der Börse in Millisekunden vollzieht oder ob man Rechenoperationen künstlich verlangsamt, um das Marktgeschehen transparenter zu machen und Manipulationen auszuschließen. Internetauktionen sind auch nicht dasselbe wie Versteigerungen im guten alten Auktionshaus.

Das heißt?

Es gibt die herkömmliche Versteigerung, bei der Kaufinteressenten in einem Raum sitzen und den Preis hochtreiben, bis ein Gebot nicht mehr überboten wird. Dabei gibt es das Phänomen, dass manche Bieter sich an Konkurrenten orientieren, die sie vielleicht sogar persönlich kennen. Im Internet ist das anders. Da empfiehlt sich womöglich ein Verfahren wie beim Tulpenhandel in Holland.

Das müssen Sie erklären.

Die Auktion fängt nicht unten an und steigert sich bis zum Höchstgebot. Vielmehr fordert der Auktionator erst einmal einen überhöhten Preis. Der erscheint auf einer Anzeigetafel. Dann sinkt der Preis langsam – bis jemand die Hand hebt. Der bekommt dann die Ware zu diesem Preis, ohne dass die anderen Interessenten etwas über ihre Intentionen und über ihre Geldmittel verraten hätten.

So sollte man Ihrer Ansicht nach alle Auktionen organisieren?

Bestimmt nicht. Ein Sack Tulpen ist ein anderes Handelsgut als eine Immobilie. Aber die Wissenschaft kann Unterschiede herausarbeiten und dann konkrete Empfehlungen geben.

Wenn Sie sich Boomdisziplinen der Volkswirtschaftslehre wie die experimentelle Wirtschaftsforschung ansehen: Wo stehen da die deutschen Ökonomen?

Da müssen Sie sich keine Sorgen machen: Denken Sie nur an den Spieltheoretiker Reinhard Selten, den bisher einzigen deutschen Wirtschafts-Nobelpreisträger! Oder – als ein Beispiel von vielen – an Axel Ockenfels, der als Postdoc bei mir in den USA gearbeitet hat, jetzt in Köln lehrt und international zu den bedeutendsten experimentellen Ökonomen zählt. Das Schöne ist: Nationale Grenzen spielen in unserem Fach keine Rolle mehr.

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