Sind die Wettbewerbsbehörden mit dem Tempo der Digitalwirtschaft überfordert?
Die Wettbewerbsbehörden verfügen über große Erfahrungen. Sie besitzen bewährte Methoden, mit denen sie die Gefahren für den Wettbewerb in der analogen Wirtschaft abschätzen können. Diese Verfahren können aber nicht eins zu eins auf die Digitalwirtschaft übertragen werden. Deren technologische Spezifika erfordern andere Herangehensweisen.
Welche?
Ich sehe an dieser Stelle vor allem uns Ökonomen in der Pflicht. Wir müssen Instrumente entwickeln, mit denen die Wettbewerbsbehörden Situationen in der digitalen Wirtschaft bewerten und Entscheidungen treffen können. Bisher aber hinken wir Ökonomen der technologischen Entwicklung hinterher. Statt nur zu reagieren, sollten wir versuchen zu antizipieren, in welche Richtung sich die Technologie entwickelt. Ein Beispiel sind Buchungsportale wie Booking.com. Da haben wir auch zu spät reagiert.
Inwiefern?
Buchungsportale versprechen den Anbietern von Hotels und Ferienunterkünften, ihnen ein neues Kundensegment zu erschließen. Hotels, die die Portale nutzen, müssen dafür eine hohe Gebühr bezahlen. Zudem müssen sie garantieren, dass sie ihre Unterkunft nirgendwo anders billiger anbieten. Diese Bestpreisgarantie erschwert Wettbewerbern den Zugang zum Markt: Sie hindert Konkurrenten daran, die Platzhirsche preislich zu unterbieten.
Was können die Wettbewerbshüter tun?
Die Wettbewerbsbehörden befinden sich in einem Dilemma. Verbieten sie die Bestpreisgarantie, besteht für die Kunden ein Anreiz, sich auf den Buchungsplattformen nur zu informieren und dann billiger direkt bei den Hotels zu buchen. Das zerstörte das Geschäftsmodell der Buchungsplattformen. Gefragt sind also intelligente Regeln, die die Geschäftsmodelle der Portale erhalten, ohne den Wettbewerb auszubremsen.
Häufig ist zu hören, es gäbe nicht genügend Gründer. Dabei haben es Gründer in der digitalen Welt doch einfach. Sie brauchen keine teuren Maschinen, ein Computer reicht.
Einem Internet-Start-up dürfte es in der Tat leichter als einem Industrie-Start-up fallen, den für das Geschäft nötigen Kapitalstock zu erwerben. Auf der anderen Seite haben Start-ups in der Digitalwirtschaft nur eine Chance, wenn sie Zugang zu den Plattformen erhalten, auf denen sie Kunden erreichen. Wenn ein Start-up beispielsweise mit einer neuen Navigations-App für den Straßenverkehr erfolgreich sein will, muss es Zugang zum Smartphone-Betriebssystem von Google oder Apple haben. Wenn Google und Apple jedoch eigene Navigations-Apps – womöglich kostenlos – auf allen Smartphones installieren, die mit ihren Betriebssystemen laufen, ist es für Newcomer schwer, in dem Markt Fuß zu fassen. Selbst wenn jemand eine Navigations-App hat, die besser ist als die von Google, und sie auf dem Android-System anbietet, ist es schwer, Kunden zu gewinnen – ganz einfach, weil die schon die Google-App nutzen und von den Netzwerkeffekten profitieren.