Ökonomen debattieren "Die Risiken des Euro glasklar vorhergesagt"

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Ökonomik leidet unter Datenmangel

Die Spitzenforschung ist weiter in angelsächsischer Hand. Warum eigentlich?

Feld: Man kann mit deutschen Untersuchungen durchaus international Erfolg haben. Unser Problem ist, dass uns häufig wichtige Daten fehlen. Nehmen Sie die Evaluationsforschung der Arbeitsmarktpolitik. Da hat es sehr lange gedauert, bis die Bundesagentur für Arbeit die Daten freigegeben hat.

Haucap: Die Industrieökonomik leidet ebenfalls unter einem eklatanten Datenmangel, da haben es Forscher in anderen europäischen Staaten einfacher. Wissenschaftlich fundierte Branchenanalysen sind in Deutschland unglaublich schwer. Es ist daher kein Zufall, dass sich viele deutsche Forscher auf das junge Feld der experimentellen Wirtschaftsforschung stürzen, wo man seine Daten durch Laborexperimente selbst generieren kann...

Freytag: ...oder man forscht über Randthemen wie Sportökonomik, die gesellschaftlich irrelevant sind, aber gute Publikationen ermöglichen. Dieser Forschungszweig erlebt einen Boom, weil es dort genügend Daten gibt. In Fußballstadien wird ja jeder Fehlpass gezählt.

Feld: Es gibt in Deutschland auch datenschutzrechtliche Restriktionen, ein Beispiel dafür sind die Steuerdaten. Das Steuergeheimnis ist bei uns noch stärker ausgeprägt als das Bankgeheimnis. In den USA und den skandinavischen Ländern ist das anders, dort kommt man recht einfach an Daten für die Steuerforschung.

Wo sehen Sie die Stärken der deutschen Ökonomen?

Bachmann: Traditionell in der Theorie. Ein in Bonn ausgebildeter Theoretiker kann ohne Probleme einen Lehrstuhl an einer international renommierten Universität im Ausland führen. Auch die Arbeitsmarktforschung ist international wettbewerbsfähig. Licht und Schatten sehe ich dagegen in der Makroökonomik.

Feld: Eine unserer Stärken ist die experimentelle Wirtschaftsforschung sowie die Finanzwissenschaft. Da müssen wir uns hinter den besten Amerikanern nicht verstecken. Auch die jüngere ordnungsökonomische Forschung kann sich im Gewand der Public-Choice-Theorie international sehen lassen.

Warum wechseln so wenig Ökonomen vom Lehrstuhl in ein politisches Amt, in dem sie ihre Erkenntnisse in die praktische Politik umsetzen könnten?

Bachmann: Die politische Elite in Deutschland zeichnet sich durch einen gewissen Anti-Intellektualismus aus. Man muss sich nur an die Diffamierungskampagne des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder gegen den Jura-Professor Paul Kirchhof erinnern. Ähnliches erleben wir in der Euro-Krise. Das lädt nicht gerade dazu ein, sich in der wirtschaftspolitischen Beratung zu engagieren. In den USA dagegen kennen sich viele Politiker und Ökonomen aus gemeinsamen Studienzeiten. Universitäten wie Harvard und Yale tragen dazu bei, dass sich in den USA ein ganz eigenes Modell der Eliteselektion herausgebildet hat.

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