Paul Samuelson Der Bestseller der Volkswirtschaft

Seite 5/5

Jahrelange Meinungsverschiedenheiten

Der Widersacher - Mit Starökonom Milton Friedman (links) stritt sich Samuelson jahrzehntelang. Sie waren dennoch befreundet. Quelle: AP

Inhaltlich lagen zwischen Samuelson und dem drei Jahre älteren Friedman Welten: Dessen absoluter Glaube an die Selbstregulierungskräfte der Märkte stieß bei Samuelson auf Unverständnis. Friedman sei „libertär bis zur Verrücktheit“ gewesen. „Die Leute dachten, er scherze, aber er war tatsächlich gegen Examina für Chirurgen und ähnliche Dinge“, sagte er. In all den Jahren, in denen die beiden Starökonomen in Sitzungen der US-Notenbank Fed aufeinandertrafen, seien sie sich nur zweimal über den Verlauf des Konjunkturzyklus einig gewesen.

Seit Mitte der Sechzigerjahre lieferten sich die beiden im Wochentakt Gefechte in Kolumnen für das Magazin „Newsweek“. Dennoch blieben sie zeit ihres Lebens befreundet. Ähnlich zwiespältig war Samuelsons Verhältnis zum amerikanischen Notenbank-Chef Alan Greenspan, den er persönlich schätzte, doch aufgrund seines Marktliberalismus scharf anging. „An seiner Bürowand hängt wahrscheinlich die Anweisung: Nichts, was dieses Büro verlässt, soll das kapitalistische System beschädigen. Gier ist gut“, spottete Samuelson noch kurz vor seinem Tod.

"Mea Culpa"

Der Effizienzmarkthypothese, die Ökonomen wie Eugene Fama, Robert Lucas und Thomas Sargent verfochten, stand Samuelson skeptisch gegenüber. Dass der Markt über alle Informationen verfügt und so die korrekten Preise reflektiert, hielt er für eine Illusion. „Die wirkliche Verrücktheit (…) war nicht der Monetarismus Friedmans, sondern die Positionen von Lucas und Sargent“, sagte er. Doch diese Kritik offenbarte auch seine eigenen Schwächen und Widersprüche: Samuelson warnte vor den Gefahren ungezügelter Finanzmärkte, doch zugleich goss er selbst Öl ins Feuer, indem er am MIT komplexe Finanzprodukte entwickelte. In der aktuellen Finanzkrise rang er sich dafür ein „mea culpa“ ab.

In der Finanzmarkttheorie war er ein Mitbegründer der Random-Walk-Hypothese, die besagt, dass die Vermögenspreise stetig um einen Durchschnitt fluktuieren und daher einzelne Investoren den Markt nicht schlagen können. In der Praxis hingegen gehörte der US-Ökonom zu den Ersten, die nach dem Zweiten Weltkrieg bei Hedgefonds einstiegen, die genau diese „Beat-the-Market-Strategie“ verfolgten und damit viel Geld verdienten. Der Wirtschaftsjournalist Sebastian Mallaby widmet Samuelsons finanziellem Engagement in seinem neuen Bestseller zur Geschichte der Hegdefonds gleich den Titel eines ganzen Kapitels: „Samuelson’s Secret“. Anspruch und Wirklichkeit sind also auch bei einem Nobelpreisträger nicht immer deckungsgleich.

Bei aller Kritik bleiben die Verdienste Samuelsons um die Volkswirtschaftslehre unbestritten. Bis heute arbeiten Ökonomen rund um den Globus auf Basis seiner Modelle und Methoden. Doch war bei all seinen Erfolgen nicht auch etwas Glück im Spiel? „Ja“, sagte Samuelson. „Ich war immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort.“ Doch wahr sei auch, dass Glück selten vom Himmel falle, zitiert er dann Louis Pasteur. „Glück trägt Früchte in einem vorbereiteten Verstand.“

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%