Pro und Contra War die Finanzkrise vermeidbar?

Seite 3/3

Alle bekommen ihr Fett ab

Ex-US-Präsident Clinton Quelle: Reuters

Die von US-Präsident Barack Obama einberufene Kommission zur Untersuchung der Finanzkrise (FCIC) legt heute Nachmittag in Washington ihren Bericht vor. Erste Details des 576-seitigen Dokuments wurden von der "New York Times" bereits veröffentlicht, doch es sind nur einige wenige Zitate. Mit vorschnellen Urteilen sollte man sich daher zurückhalten. Auf den ersten Blick ist jedoch Folgendes festzuhalten:

Die Kommission sucht nicht einseitig Schuldige. Alle bekommen ihr Fett ab – Banken, Aufseher, Politiker und die Zentralbanker. 

Politisch werden Demokraten und Republikaner gleichermaßen angegangen. Ex-US-Präsident Bill Clinton wird vorgeworfen, im Jahr 2000 die Regulierung derivativer Finanzmarktprodukte verhindert zu haben –  dies sei ein  „Schlüssel-Wendepunkt auf dem Weg in die Finanzkrise“ gewesen, so der Bericht.  Den Republikanern wird im Gegenzug vorgehalten, die Anzeichen der Krise ignoriert und zu spät gehandelt zu haben. Politische Einseitigkeit kann der Kommission also nicht vorgeworfen werden.  Die Politik des „schnellen Hauseigentums“ der US-Regierung hat nach dem Urteil vieler Experten maßgeblich mit zur Finanzkrise beigetragen. Wenn die FCIC diesen Punkt tatsächlich unter den Tisch fallen ließe, wie die New York Times berichtet, wäre dies bedenklich. Man müsset sich dazu den Bericht im Detail anschauen, ein endgültiges Urteil ist derzeit jedoch verfrüht.  Ex-Notenbankchef Alan Greenspan wird zurecht dafür kritisiert, die Deregulierung der Finanzmärkte in seinen knapp 19 Amtsjahren massiv unterstützt und damit die Finanzkrise befördert zu haben. Der von 1987 von den Republikanern eingesetzte Greenspan gehörte zu den Hauptprotagonisten des US-Anti-Regulierungskurses in den 1980er und 1990er Jahren.   Die Niedrigzinspolitik der Fed wird von Regulierungsgegnern – neben dem Versagen der Politik - gerne als ein Hauptgrund der Finanzkrise genannt. Defacto hat die Fed aber zwischen Juni 2004 und Juni 2006 den Leitzins um über vier Prozentpunkte angehoben – von 1,00 Prozent auf 5,25 Prozent innerhalb von nur zwei Jahren. Danach blieben die Zinsen bis August 2007, also dem Ausbruch der Subprimekrise auf diesem Niveau. Zwischen 2005 und 2008 lag der US-Leitzins damit deutlich über dem der Europäischen Zentralbank. Man kann Greenspan vorwerfen, er habe die Zinsen zu spät erhöht, nicht aber, dass es vor der Finanzkrise eine reine Niedrigzinspolitik gegeben hätte.  Die maßgeblichen Banken sind durch ihr extremes Profitstreben, das Verstecken und Fehleinschätzen von massiven Risiken einer der Hauptverantwortlichen der Krise. Das  ist breiter Konsens in der Fachwelt. Die fünf größten US-Investmentbanken, so der Bericht, hatten in der Krise pro 40 Dollar Assets nur einen einzigen Dollar für Verluste zurückgelegt. Dieses enorme Missverhältnis wurde in Geschäften außerhalb der Bilanzen versteckt und so ein gigantisches Schattenbankensystem betrieben. „Wie Ikarus fürchteten sie [die Banken] nicht, immer näher an die Sonne zu fliegen“, heißt es in dem Kommissionsbericht. Dieses Bild trifft es ziemlich gut.  

Fazit: Nach allem, was bislang bekannt ist, schiebt die Kommission den Banken nicht einseitig die Schuld in die Schuhe. Sie bemüht sich um ein umfassendes, differenziertes Bild. Sie gewichtet das Problem der Deregulierung dabei offenbar stärker als andere Faktoren. Das ist absolut vertretbar. Die Kommission hat 700 Zeugen befragt und ihr Ergebnis umfassend dokumentiert. Bevor man ihr Einseitigkeit vorwirft, sollte man nachlesen.

Elke Pickartz

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%