Prudential-Chefvolkswirt Jürgen Odenius „Ich sehe Trump als Geschäftsmann“

Wird der von Donald Trump geplante Ausstieg aus dem TPP zu einem Handelskrieg führen? Der Chefvolkswirt beim US-Versicherer Prudential, Jürgen Odenius, winkt ab. Im Interview schaut er auf die Staatsverschuldung.

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Donald Trump plant den Ausstieg aus dem TPP. Könnte das einen Handelskrieg auslösen? Der Chefvolkswirt beim US-Versicherer Prudential, Jürgen Odenius, glaubt das nicht. Quelle: AFP

New York Jürgen Odenius, Chefvolkswirt beim US-Versicherer Prudential, hofft darauf, dass der künftige US-Präsident im eigenen Interesse eine rationale Wirtschaftspolitik betreibt. Wenn sich das bewahrheitet, sollte die US-Konjunktur in den nächsten Jahren gut laufen.

Herr Odenius, bedeutet die Absage von Donald Trump an das pazifische Freihandelsabkommen TPP, dass wir uns auf einen Handelskrieg zubewegen?

Zunächst einmal ist es eine schlechte Nachricht, dass das Abkommen nicht verwirklicht wird. Die Vereinbarung betrifft immerhin rund 40 Prozent des Welthandels. Und Handel schafft Wohlstand, das ist immer noch die überwiegende Meinung bei uns Volkswirten. Aber ich glaube nicht, dass ein Handelskrieg kommt. Ich sehe Trump eher als Geschäftsmann und weniger als Ideologen, jedenfalls ist das meine Hoffnung.

Aber er hat doch vor allem gegenüber China mit höheren Zöllen gedroht.

Es gibt immer noch die Chance, dass es hier zu einer Entwicklung kommt, die nicht allzu viel Schaden anrichtet. Dazu sind aber zwei Voraussetzungen notwendig. Erstens müssen die Chinesen tatsächlich den Willen haben, Überkapazitäten in ihrer Exportindustrie abzubauen. Das wäre durchaus sinnvoll, weil in dem Bereich zu viele Kredite vergeben werden, die zu einer ungesunden Verschuldung des Landes geführt haben. Und zweitens müssen Trump und die chinesische Führung bereit sein, miteinander zu reden und nach Lösungen zu suchen, die für beide Seiten gesichtswahrend sind.

Das sind zwei Voraussetzungen, die sich auch als irrig erweisen können. Aber wie sollten denn Gespräche zwischen den beiden Supermächten aussehen?

Niemand weiß, was Trump tatsächlich will. Aber wenn er als Geschäftsmann denkt, dann kann er Zölle in Bereichen erhöhen, in denen China ohnehin seine Kapazitäten senken will. Das gäbe ihm die Chance, die Umsetzung einer harten Politik zu demonstrieren, ohne auf der anderen Seite Vergeltungsmaßnahmen hervorzurufen.

Wenn man sich die Reaktion der Börsen anschaut, dann scheinen die Investoren ja auch keinen Handelskrieg zu fürchten.

Die Börsen feiern die Aussicht auf eine expansive Finanzpolitik. Dabei kommt es aber sehr darauf an, ob dieser Anschub durch positive Impulse aus anderen Bereichen ergänzt wird, etwa eine Steuerreform und den Abbau von Auflagen für die Wirtschaft. Wenn das passiert, kann es zu dauerhaft mehr Wachstum ohne wesentlich höhere Inflation kommen. Wenn dagegen expansive Finanzpolitik mit wachstumshemmender Handelspolitik kombiniert wird, dann verpufft der Anschub sehr schnell in höherer Inflation.

Wie groß sehen sie denn die Chancen für eine längst überfällige Steuerreform?

Nach meinem Eindruck herrscht in der Politik so eine Stimmung, dass da endlich was passieren muss.

Aber selbst wenn wir den besten Fall annehmen, dass eine expansive Finanzpolitik, also mehr Ausgaben oder niedrigere Steuern, zu mehr Wachstum ohne zu große Inflation führt, dann wird am Ende doch die Staatsverschuldung steigen, die ohnehin schon oberhalb von 100 Prozent des Bruttoinlandprodukts liegt.

Denkbar ist auch, dass die Verschuldung stabil bleibt. Nehmen wir an, dass das reale Wachstum und die Inflation steigen und zusammen etwa fünf bis sechs Prozent pro Jahr erreichen. Dann könnten die Staatsschulden im selben Ausmaß steigen, ohne dass die Verschuldungsquote sich verändert. Denn dann bewegen sich nominales Wachstum und Schuldenstand genau im Gleichschritt.

Das würde aber eine sehr disziplinierte, zielgenaue Politik erfordern. Glauben Sie daran?

Das wäre der optimale Fall. Wenn ich aber sehe, welch gewaltigen Ausbau der Infrastruktur Trump und seine Leute ankündigen, dann gehe ich eher von einem Anstieg der Verschuldung aus, obwohl das eine Einigung mit den den fiskalisch konservativen Kräften der republikanischen Partei voraussetzt.

Um Infrastruktur auszubauen, braucht man ja Bauarbeiter, und die sind jetzt zum Teil schon knapp. Wie soll das funktionieren, wenn die USA zugleich die Grenzen gegen Einwanderer dichtmachen?

Vielleicht spricht zu sehr der rationale Volkswirt aus mir, aber ich glaube, dass Trump auch hier als Geschäftsmann handeln wird. Er kann ja die Grenze sichern und trotzdem gezielt Leute hereinlassen, die gebraucht werden.

Insgesamt sind die wirtschaftlichen Aussichten also gar nicht so schlecht.

Wenn Trump das tut, was ich erhoffe, und sich zumindest in wirtschaftlichen Fragen einigermaßen rational verhält. Aber er will ja den Erfolg. Er will sagen können: „Ich bin gekommen, und schon gab es den Aufschwung.“

Vielen Dank für das Gespräch.

Jürgen Odenius ist als Chefvolkswirt beim US-Versicherer Prudential der Vermögensverwaltung zugeordnet. Der Deutsche hat in Bonn, Fiesole bei Florenz und Pittsburgh studiert und danach zuerst bei UBS und dann beim Internationalen Währungsfonds in Washington gearbeitet. Im Jahr 2011 wechselte er zu seinem heutigen Arbeitgebern.

Prudential ist einer der großen amerikanischen Versicherungskonzerne, nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen britischen Konkurrenten. Die traditionsreiche Firma sitzt in Newark bei New York und ist einer größten Vermögensverwalter Amerikas im festverzinslichen Bereich. Sie bietet Asset Management, auch in Europa, unter der Bezeichnung PGIM an. Ein starkes Standbein besitzt Prudential auch in Japan.

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