2002 ging der Ökonomie-Nobelpreis an zwei experimentelle Wirtschaftsforscher, die US-Amerikaner Vernon L. Smith und Daniel Kahneman. Smith ist Erfinder eines der bekanntesten Marktexperimente, der sogenannten Double Auction. Hierbei handeln die Teilnehmer gleichzeitig fiktive Güter untereinander. Jeder Proband übernimmt entweder die Rolle des Käufers oder Verkäufers und muss versuchen, seinen Gewinn im Verlauf des Experiments zu maximieren. Ein Verkäufer sollte seine Güter zu einem möglichst hohen Preis veräußern. Er kann Angebote der Käufer annehmen oder selber ein Gebot abgeben. Das Experiment, das aus etwa 30 Perioden à 120 Sekunden besteht, wurde unzählige Male an Universitäten durchgeführt. Es lässt sich stets beobachten, dass die Teilnehmer nach wenigen Perioden ein Marktgleichgewicht erreichen.
Auch die Probleme einer Währungsunion lassen sich experimentell abbilden. Selten etwa verglich die Situation mit und ohne Währungsunion mit Probanden anhand eines vereinfachten Zwei-Länder-Modells. Einige der Teilnehmer schlüpften in die Rolle der Regierungen und Zentralbanken beider Länder, andere spielten Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände oder Unternehmen. Dabei konnten Selten und seine Bonner Kollegen zeigen, dass eine Währungsunion zwar Vorteile bietet. Eine Kooperation der Zentralbanken führte allerdings zum gleichen Ergebnis. Je mehr die Währungshüter auf stabile Wechselkurse achteten, desto besser war die durchschnittliche Wettbewerbsfähigkeit beider Länder. Da die Zentralbanker im Experiment in den meisten Fällen vernünftig handelten und Wechselkursschwankungen weitgehend ausblieben, ließ sich anhand der Untersuchung kein deutlicher Unterschied zwischen der Situation mit und ohne Währungsunion nachweisen.
Ginge es nach Selten, hätten viel mehr Experimente einen aktuellen politischen Bezug, etwa zu den möglichen Auswirkungen einer Reform oder zur Schuldenkrise der Euro-Staaten. Allerdings wäre dafür eine große Anzahl von Teilnehmern nötig – und dafür reichen die Kapazitäten der bestehenden Laboratorien an den Universitäten nicht aus. „Für derart umfangreiche Experimente fehlt es den Laboratorien schlicht an Infrastruktur und Personal. Dafür bedarf es der Unterstützung der Politik, auch finanziell“, sagt Selten.
Mittlerweile geht die experimentelle Wirtschaftsforschung noch einen Schritt weiter – raus aus dem Labor und rein ins reale Leben. Von sogenannten Feldexperimenten erhoffen sich die Forscher noch realitätsnähere Ergebnisse. Sie sind besonders dann vorteilhaft, wenn das Umfeld der Teilnehmer eine bedeutende Rolle spielt.
Vom Labor ins Feld
Außerordentlich wichtig sind Feldexperimente zur Erforschung der Ökonomie von Entwicklungsländern. Die Ökonomen Pascaline Dupas und Jonathan Robinson etwa untersuchten in Kenia, inwiefern fehlende Infrastruktur den Erfolg von Unternehmen schmälert. Eine zufällig ausgewählte Gruppe Selbstständiger in Kenia erhielt ein zinsfreies Bankkonto. Obwohl die Versuchspersonen sogar Gebühren für das Geldabheben zahlen mussten, wurde das Konto viel genutzt, besonders von Frauen. Bereits nach einem halben Jahr erhöhte sich das Einkommen der weiblichen Teilnehmer deutlich, auch die Ausgaben waren gewachsen, die Unternehmen der Frauen konnten expandieren. Das Experiment zeigte, dass ein größeres Angebot an Bankdienstleistungen das Wirtschaftswachstum von Entwicklungsländern ankurbeln kann.
Und was macht ein Nobelpreisträger privat? Wer glaubt, Spieltheoretiker würden in ihrer Freizeit am liebsten Schach spielen oder pokern, liegt falsch. Viel lieber schnappte sich Naturliebhaber Selten ein Buch zur Pflanzenbestimmung und machte lange Spaziergänge durchs Siebengebirge. Beim gemeinsamen Abendbrot mit seiner Frau sprach Reinhard Selten zudem manchmal Esperanto, eine internationale, systematisch und einfach aufgebaute Plansprache. Bereits sein Vater war Esperantist, den Ökonomen selber haben vor allem die damit verbundenen humanistischen Ideale berührt. Statt wie andere Kinder die Ferien zu genießen, lernte der ehrgeizige Selten in den Osterferien von früh bis spät Esperanto. Als die Schule wieder anfing sprach er die 1887 erfundene Sprache bereits nahezu fließend. Bei der Europawahl 2009 zog Selten sogar als Spitzenkandidat der Partei Europa-Demokratie-Esperanto (EDE) in den Wahlkampf.