Der Auslöser für die jüngste Schuldenspirale war der starke Wirtschaftseinbruch nach der Lehman-Pleite im Jahr 2007. Vor allem die Industrienationen haben als Reaktion darauf sowohl klassische Konjunkturprogramme als auch Bankenrettungsprogramme aufgelegt. Beides wurde durch eine weitere Kreditaufnahme finanziert. In den G7-Ländern ist die Staatsverschuldung von etwa 80 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) im Jahr 2007 bis zum Jahr 2011 auf rund 120 Prozent gestiegen. Seitdem haben sich die Schulden auf diesem Niveau „stabilisiert“. Im Unterschied dazu hat sich die Staatsverschuldung der Schwellenländer im selben Zeitraum nicht nennenswert verändert.
Notenbanken rund um den Globus lockern ihre Geldpolitik
Im Kampf gegen einen gefährlichen Abwärtssog aus fallenden Preisen und schrumpfenden Investitionen senken immer mehr Notenbanken weltweit die Zinsen. Ein Überblick über die einzelnen Schritte seit dem 1. Januar.
Quelle: Reuters; Stand März 2015
Die Zentralbank von Usbekistan setzt ihren Refinanzierungssatz auf neun Prozent von bislang zehn Prozent nach unten.
Die Schweizer Notenbank (SNB) vollzieht eine radikale Kehrtwende und schafft den Mindestkurs des Franken zum Euro ab. Die Währungshüter begründen ihre überraschende Entscheidung mit dem immer stärker werdenden Dollar und dem anhaltend fallenden Euro. Gleichzeitig wird der Strafzins auf Einlagen von Banken bei der Notenbank auf 0,75 Prozent von 0,25 Prozent angehoben.
Die Notenbank von Ägypten senkt überraschend die Leitzinsen um 0,5 Punkte. Die Sätze für Übernachteinlagen und Kredite werden auf 8,75 beziehungsweise 9,75 Prozent gekürzt.
Perus Zentralbank senkt überraschend den Leitzins auf 3,25 von bislang 3,5 Prozent. Konjunkturdaten für das Land, die kurz vorher veröffentlicht wurden, waren sehr schwach ausgefallen.
Die Bank von Kanada senkt die Zinsen auf 0,75 Prozent. Damit beendete sie den längsten Zeitraum mit unveränderten Zinsen seit 1950 - seit September 2010 hatte der Schlüsselzins bei einem Prozent gelegen.
Die Europäische Zentralbank (EZB) kündigt eines der bislang größten Anleihe-Kaufprogramme aller Zeiten an. Insgesamt wollen die Währungshüter Staatsbonds sowie andere Wertpapiere im Volumen von 1,14 Billionen Euro erwerben. Mit den Käufen soll im März begonnen werden.
Pakistans Zentralbank senkt den Leitzins auf 8,5 von bislang 9,5 Prozent. Sie begründete dies mit einem schwächeren Inflationsdruck im Zuge der weltweit sinkenden Ölpreise.
Die Zentralbank von Singapur (MAS) lockert ihre Geldpolitik, um die niedrige Inflation anzuheizen. Sie kündigt an, den Kursanstieg des Singapur-Dollar gegen einen Korb ausländischer Währungsmittel einzudämmen. Die Inflationserwartungen hätten sich seit Oktober 2014 erheblich verändert, begründeten die Notenbanker des Stadtstaats den Schritt.
Die albanische Notenbank setzt den Schlüsselzins herab auf das Rekordtief von zwei Prozent. Im vergangenen Jahr hatte sie die Zinsen bereits drei Mal gesenkt, zuletzt im November.
Russlands Notenbank kappt den Schlüsselzins für die Versorgung der Banken mit Geld auf 15 von 17 Prozent. Das ist eine scharfe Kehrtwende, da die Notenbank 2014 die Zinszügel erst kräftig angezogen hatte. Die westlichen Sanktionen wegen des Ukraine-Konflikts und der Ölpreisverfall haben eine Kapitalflucht aus Russland ausgelöst und den Rubel auf Talfahrt geschickt.
Die australische Zentralbank RBA senkt den Leitzins auf ein Rekordtief. Der Schlüsselzins liegt damit nun bei 2,25 Prozent. Mit dem Schritt wollen die Währungshüter unter anderem die Konjunktur ankurbeln.
Rumäniens Zentralbank senkt in zwei Schritten den Leitzins um insgesamt 0,5 Punkte auf ein Rekordtief von 2,25 Prozent.
Die dänische Zentralbank setzt vier Mal innerhalb weniger als drei Wochen ihre Leitzinsen herab. Sie interveniert zudem regelmäßig am Devisenmarkt, um die Koppelung der Krone an den Euro zu verteidigen.
Schwedens Zentralbank senkt ihren Leitzins für Wertpapier-Rückkaufgeschäfte mit den Geschäftsbanken - den sogenannten Repo-Satz - auf minus 0,1 Prozent von zuvor null Prozent. Zugleich kündigt sie an, für zehn Milliarden Kronen Staatsanleihen zu kaufen.
Die Zentralbank von Indonesien setzt überraschend die Zinsen um 0,25 Punkte auf 7,5 Prozent herab. Es ist die erste Senkung seit drei Jahren. Volkswirte hatten dies nicht erwartet.
Die Notenbank von Botsuana senkt ihren Leitzins um einen Punkt auf 6,5 Prozent. Die Konjunkturentwicklung und die Inflationsaussichten würden einen solchen Schritt ermöglichen, erklärten die Währungshüter des afrikanischen Landes.
Die Bank von Israel kappt ihren Leitzins auf 0,1 von bislang 0,25 Prozent. Es ist die erste Senkung seit sechs Monaten. Hintergrund ist unter anderem der Kampf gegen Deflationsgefahren und die Aufwertung der Landeswährung Schekel.
Die Zentralbank der Türkei senkt ihren Schlüsselzins in zwei Schritten um insgesamt 0,75 Punkte auf 7,5 Prozent. Ministerpräsident Ahmet Davutoglu forderte nach der zweiten Zinslockerung die Notenbank auf, noch größere Schritte einzuleiten, um die Wirtschaft anzukurbeln.
Die chinesische Notenbank senkt ihren Schlüsselzinssatz auf 5,35 von zuvor 5,6 Prozent. Der neue Satz sei der Entwicklung des Wirtschaftswachstums, den Preisen und der Beschäftigungslage angemessen. Die Zentralbank hatte zuvor bereits Anfang Februar angekündigt, dass die Finanzinstitute künftig nicht mehr so viel Kapital als Mindestreserve bereithalten müssen. Damit soll für mehr Liquidität im Finanzkreislauf der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft gesorgt und die Kreditvergabe angeschoben werden.
Die indische Notenbank setzt den Leitzins in zwei Schritten um jeweils 0,25 Punkte auf 7,5 Prozent nach unten. Die Reserve Bank of India (RSB) reagiert mit der geldpolitischen Lockerung auf zuletzt magere Konjunkturdaten zur Produktion und Kreditvergabe. Indiens Wirtschaft durchläuft derzeit eine Phase vergleichweise schwachen Wachstums.
Nun sind Schulden nichts grundsätzlich Schlechtes. Erst ab einer bestimmten Höhe wirken sie destabilisierend. Die Frage ist nun, ob der starke Anstieg der Verschuldung bereits eine destabilisierte Wirkung hat. Von einer Destabilisierung muss man sprechen, wenn die Zinsausgaben der Länder stark ansteigen und damit ihr finanzpolitischer Handlungsspielraum merklich eingeschränkt wird. Fakt ist, dass die Zinsausgaben (in Prozent des BIP) mit Ausnahme von Italien so gut wie nicht gestiegen sind. In einigen Ländern, darunter in Deutschland, haben sie sich sogar trotz steigender Schuldenstände spürbar verringert.
Und wie verhält es sich, wenn die Zinssätze wieder ansteigen?
Die Höhe der Zinsen wird im Wesentlichen von den Zentralbanken und von den Risikoprämien bestimmt. Letztere waren während der Staatsschuldenkrise stark auseinander gelaufen. Für einzelne Euro-Länder war die Risikoprämie so stark angestiegen, dass diese Länder sich nicht mehr refinanzieren konnten. Nur das beherzte Eingreifen der Europäischen Zentralbank konnte einen Zahlungsausfall verhindern. Seit die EZB Staatsanleihen aufkauft, sind die Risikoprämien für alle Euro-Länder wieder deutlich gesunken. Ähnliche Programme gab es auch in den USA, Großbritannien und Japan. Auch dort haben sie zu einem Rückgang der Risikoprämien beigetragen.
Die zentrale Bestimmungsgröße von Zinsen und Renditen ist also die Politik der Notenbanken und das von ihnen festgesetzte Niveau der Leitzinsen. In den vergangenen Jahren haben die Notenbanken die Leitzinsen extrem stark gesenkt. Sie liegen seit 2008 fast überall nahe null.
Diese extrem niedrigen Zinsen erleichtern es nicht nur Staaten, sich zu finanzieren. Auch Unternehmen und private Haushalte können sich seitdem günstiger finanzieren. Dieses günstige Umfeld wurde sowohl von Unternehmen als auch von Privathaushalten genutzt. Global ist die Verschuldung des Privatsektors in den letzten Jahren erheblich gestiegen.
Differenziert man nach Industrieländern und Schwellenländern, dann wird allerdings sichtbar, dass der Anstieg der privaten Verschuldung in den Schwellenländern wesentlich stärker erfolgte als in den Industrieländern. In den Industrieländern fand teilweise sogar ein Abbau der zuvor kräftig aufgebauten privaten Verschuldung statt. Wir haben hier also gleichsam das Spiegelbild zur Entwicklung der staatlichen Verschuldung, die in den Industrieländern wesentlich stärker angestiegen ist als in den Emerging Markets.
Die Zinsschritte der US-Notenbank Fed
Summa summarum sind die Schulden in der globalen Wirtschaft jedoch deutlich gestiegen. Die niedrigen Notenbankzinsen haben es für Staaten, Unternehmen und private Haushalte eben sehr leicht gemacht, sich zu verschulden. Und die drei Sektoren haben dies auch genutzt.
Welches Niveau an Gesamtverschuldung verträgt die Weltwirtschaft?
Das hängt von der Zinsbelastung ab. Und diese wird im Wesentlichen von den Notenbanken bestimmt. Der Anstieg der Verschuldung, den letztendlich die Notenbanken ermöglicht haben, war für die Stabilisierung der Weltwirtschaft äußerst hilfreich. Jedoch ist auch klar, dass mit steigenden Zinsen die Schuldentragfähigkeit der Staaten und Unternehmen wieder fällt. Strukturell schwächere Länder und Unternehmen werden in Schwierigkeiten kommen. Und wenn die Investoren wieder höhere Risikoprämien verlangen. Würde das zu einem Anstieg der Zinsbelastung führen.
Große Notenbanken zaudern
Diese Überlegung verdeutlicht das Dilemma der Notenbanken. Janet Yellen, die Chefin der US-Notenbank droht schon seit mehr als einen Jahr mit einer Zinsanhebung. Doch bislang konnte sie sich nicht zur Umsetzung ihrer Drohung durchringen. Ein ähnliches Vorgehen ist bei der Bank of England zu beobachten. Das Zaudern der großen Notenbanken ist auf die Sorge zurückzuführen, dass Zinsanhebungen die Schuldentragfähigkeit der Wirtschaft schwächen werden. Möglicherweise sogar so sehr, dass das aktuelle Verschuldungsniveau nicht mehr tragbar ist.
Der Instrumentenkasten der EZB
Wieder einmal blicken alle in der Euro-Schuldenkrise gebannt nach Frankfurt: die Europäische Zentralbank (EZB) soll es im schlimmsten Fall richten, mit ihrem Waffenarsenal intervenieren und so die Märkte beruhigen.
Zwar streiten sich Fachleute und auch die Notenbanker darüber, wie effektiv, nachhaltig und sinnvoll weitere Eingriffe der Geldpolitik sein könnten. Fest steht aber: die EZB verfügt als einzige Institution über einen gut gefüllten und theoretisch sofort verfügbaren Instrumentenkasten, um angeschlagenen Banken unter die Arme zu greifen, Institute im Falle eines Bank-Runs mit neuem Geld zu schützen und durch ihre Finanz-Feuerkraft wenigsten für eine begrenzte Zeit wieder für Ruhe an den Börsen zu sorgen.
Vor dem Wahlsonntag in Athen verdichten sich die Hinweise, dass die großen Notenbanken der Welt gemeinsame Sache machen und die Märkte mit Geld fluten könnten. Eine solche konzertierte Aktion der Zentralbanken gab es schon einmal - Anfang Oktober 2008, kurz nach dem Kollaps der US-Investmentbank Lehman Brothers, als weltweit die Finanzströme zu versiegen drohten.
In der aktuellen Krise rund um die Überschuldung Griechenlands und anderer südeuropäischer Länder hat bislang nur die britische Notenbank angekündigt, dass sie gemeinsam mit dem Finanzminister in London ihren Bankensektor zum Schutz vor aus Griechenland überschwappenden Problemen mit 100 Milliarden Pfund fluten will. Am Freitag sorgte die Aussicht auf eine gemeinsame Intervention der Zentralbanken zunächst für bessere Stimmung an den Märkten.
Aktuell steht der Leitzins der EZB bei 0,75 Prozent. Die Notenbank kann natürlich jederzeit an dieser in normalen Zeiten wichtigsten Stellschraube drehen. Es wäre ein historischer Schritt: Noch nie seit Bestehen der Währungsunion lag der Schlüsselzins für die Versorgung des Finanzsystems mit frischer Liquidität niedriger.
Allerdings nimmt der Spielraum der EZB mit jeder weiteren Leitzinssenkung ab - schließlich rückt damit die Nulllinie unausweichlich immer näher. Fachleute erwarten, dass die Zentralbank mit weiteren Zinssenkungen so lange wartet wie nur möglich, um für den Fall echter Verwerfungen an den Finanzmärkten, wie sie etwa bei einem Austritt der Griechen aus der Euro-Zone drohen würden, noch Munition zu haben.
Um den Geldmarkt wiederzubeleben und die Banken zu ermuntern mehr Geld in den Wirtschaftskreislauf zu geben, könnte die EZB den sogenannten Einlagezinssatz auf null Prozent kappen. Dieser Zins liegt aktuell bei 0,25 Prozent. Das bedeutet, dass Banken, die keiner anderen Bank mehr trauen, immerhin noch Geld dafür bekommen, wenn sie überschüssige Liquidität bei der EZB parken. Bei einem Einlagezinssatz von einem Prozent entfiele der Anreiz dies zu tun. Doch ob die Banken der EZB den Gefallen tun oder das Geld dann lieber horten, ist fraglich. Aktuell parken sie jedenfalls knapp 800 Milliarden Euro in Frankfurt.
Im Dezember und im Februar ist es der EZB gelungen, mit zwei jeweils drei Jahre laufenden Refinanzierungsgeschäften die Gemüter der Banker wenigstens für eine Zeit lang zu beruhigen. Damals sicherten sich die Geldhäuser insgesamt rund eine Billion Euro bei der Zentralbank zum Billigtarif von nur einem Prozent.
Einige Experten glauben, dass weitere langlaufende Geschäfte dieser Art das durch die Unsicherheit über die Zukunft der Euro-Zone untergrabene Vertrauen wieder zurückbringen könnten. Die Banken, die sich um den Jahreswechsel bei der EZB bedient haben, sind allerdings ohnehin bis mindestens Ende 2014 abgesichert. Außerdem kann jede Bank darüber hinaus bei den wöchentlichen Hauptrefinanzierungsgeschäften der Notenbank aus dem Vollen schöpfen.
Damit den Banken die Sicherheiten nicht ausgehen, die diese als Pfand bei den Refinanzierungsgeschäften mit der Notenbank stellen müssen, kann die EZB weitere Erleichterungen bei den Anforderungen beschließen. Sie kann dabei auch selektiv nach Ländern vorgehen, um gezielter zu helfen. Allerdings sind Erleichterungen bei den Sicherheiten immer auch ein Politikum, weil dadurch die Risiken steigen, die die Zentralbank durch die Refinanzierung in ihrer Bilanz ansammelt. Im Fall der Fälle müssten diese von den Steuerzahlern der Mitgliedsländer getragen werden.
Die EZB hat seit Mai 2010 Staatsanleihen hoch verschuldeter Euro-Länder für mehr als 200 Milliarden Euro gekauft. Das im Fachjargon SMP (Securities Markets Programme) genannte Programm ist wegen seiner möglichen Nebenwirkungen in Deutschland und einigen anderen nord- und mitteleuropäischen Ländern umstritten. Es ruht derzeit, kann allerdings jederzeit wieder vom EZB-Rat in Kraft gesetzt werden.
Ob es allerdings noch seine erhofften positiven Wirkungen am Bondmarkt entfalten kann, ist unklar. Wegen der Erfahrungen bei der Umschuldung Griechenlands im Frühjahr dürften wenige private Investoren wie Banken oder Versicherungen der EZB folgen und wieder in den Markt gehen, weil sie fürchten, dass die Zentralbank erneut einen Sonderstatus als Gläubiger durchsetzen könnte, wie sie es im Fall Griechenland getan hat.
Theoretisch kann die EZB neben Staatsanleihen auch andere Arten von Wertpapieren kaufen und auf diese Weise Geld schaffen: zum Beispiel Bankschuldverschreibungen, Aktien und Unternehmensanleihen. Während der Ankauf von Bank Bonds eine durchaus denkbare Möglichkeit wäre, Liquidität bei den Banken zu schaffen, scheinen andere Wege wenig erfolgversprechend. So könnte die EZB wohl schlecht erklären, warum sie etwa Aktien von Banken kauft, nicht aber von Auto- oder Chemiekonzernen. Oder sie setzt sich dem Verdacht aus, der einen Bank mehr Aktien abzukaufen als anderen oder zum Beispiel spanische Institute deutschen oder österreichischen Banken vorzuziehen.
Theoretisch kann die EZB auch ihre Anforderungen an die Mindestreserve der Banken, die diese bei ihr halten müssen, absenken. Sie hat dies um den Jahreswechsel bereits getan und den Satz ihrer gesamten Einlagen, den jede Geschäftsbank bei ihr parken muss, von zwei auf ein Prozent halbiert. Dadurch hatte sie damals eine Summe von rund 100 Milliarden Euro für die Banken freigemacht. Ein solcher Schritt würde es für Banken in Südeuropa, die wohl am ehesten unter einer Kapitalflucht leiden würden, leichter machen, Mittel flüssig zu halten.
Aber ist es tatsächlich so, dass die Zinsen, nachdem sie historische Tiefststände erreicht haben, auch wieder steigen müssen? Richtig ist, dass eine zu lange durchgehaltene Niedrigzinspolitik große Gefahren birgt. Wenn die Inflation sich dann schneller als erwartet beschleunigt, ist es nicht mehr mit kleinen Zinsschritten getan. In diesem Fall müssten die Notenbanken mit kräftigen Zinsanhebungen gegenhalten. Und das würde unvermeidlich eine starke Abkühlung der Weltwirtschaft auslösen.
Die entscheidende Frage ist daher: Wie groß ist die Gefahr einer Inflationsbeschleunigung? Zurzeit ist die Inflation – bedingt vor allem durch den Ölpreis – fast überall niedrig. Das Wirtschaftswachstum und die Lohnentwicklung deuten ebenfalls nicht auf eine Inflationsbeschleunigung. Aktuell sind die Notenbanken noch nicht gezwungen, mit dem Zinsanhebungszyklus zu beginnen.
Normalisierung um das Jahr 2020
Solange die Inflation nicht deutlich über die Zielgröße der Notenbanken von rund zwei Prozent steigt, ist es vertretbar, auf Zinsanhebungen zu verzichten. Die Hoffnung ist, dass die weltweite Schuldenlast durch eine maßvolle Inflation langsam abgebaut wird. Solange Wirtschaftswachstum und Lohnentwicklung moderat bleiben, kann man argumentieren, dass das Risiko eines plötzlichen und starken Anstiegs der Inflationsraten nicht so hoch ist, dass es in den Überlegungen der Notenbanken Priorität haben müsste. Diese Notenbankpolitik könnte bis zum Ende des laufenden Zyklus durchgehalten werden.
Dies würde bedeuten, dass eine Normalisierung des Zinsniveaus erst um das Jahr 2020 vollzogen wäre. Erst im nächsten Wachstumszyklus, könnte die Notenbankpolitik dann wieder zu einer normalen, "lehrbuchmäßigen" Zinspolitik zurückkehren.
Doch für die Notenbanken ist eine solche Politik eine Gratwanderung. Einerseits ist die Gefahr einer schnellen Inflationsbeschleunigung niemals vollständig zu leugnen, und damit die Gefahr, dass die notwendigen starken Gegenmaßnahmen die Weltwirtschaft abermals destabilisieren würden. Andererseits, wenn die Notenbanken diese Politik erfolgreich umsetzen, hätten wir die Möglichkeit, die in der Wirtschaftskrise entstandenen Ungleichgewichte langsam abzubauen und mit einer gesunden Wirtschaftsstruktur den nächsten Aufschwung zu beginnen.