Schweizerische Nationalbank Negativzinsen in der Schweiz in der Kritik

Die Zinsen in der Schweiz sind mit minus 0,75 Prozent so tief wie nirgendwo sonst. Damit soll die Frankenaufwertung gebremst und die Wirtschaft angekurbelt werden. Banken könnten die Strafzinsen an Sparer weiterreichen.

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Neben Negativzinsen verkauft die Schweizerische Notenbank bei Bedarf Franken über den Devisenmarkt. Quelle: dpa

Zürich In der Schweiz gerät die Zentralbank trotz der traditionellen Zurückhaltung der Eidgenossen immer stärker in die Kritik. Zuletzt mehrten sich die Stimmen von Wirtschaftsakteuren und Politikern, die ihre umstrittene Geldpolitik anprangern: Ex-UBS-Chef Oswald Grübel tat dabei ebenso seinen Unmut kund wie der Wortführer der stimmenstärksten Partei SVP, Christoph Blocher.

Das sind ungewöhnliche Töne in einem Land, in dem laute Kritik in der Öffentlichkeit eigentlich verpönt ist. Stein des Anstoßes sind die Negativzinsen, die in der Schweiz mit minus 0,75 Prozent so tief sind, wie nirgendwo sonst auf der Welt. Die Schweizerische Nationalbank (SNB), die am Donnerstag zur Zinssitzung zusammenkommt, hat sie vor anderthalb Jahren eingeführt.

Damit soll die für Exporteure schädliche Frankenaufwertung gebremst und die Wirtschaft angekurbelt werden. Doch nun wächst der Druck auf die SNB, dieses Kriseninstrument zu überdenken: Denn Pensionskassen und Versicherungen haben angesichts der tiefen Zinsen Probleme, die versprochenen Erträge zu erzielen.

Nach Angaben der Credit Suisse werfen gut zwei Drittel aller investitionswürdigen Franken-Anleihen (Investmentgrade) eine negative Rendite ab. Und Banken drohen verstärkt damit, die Strafzinsen an Sparer weiterzureichen, sollte die Notenbank diese noch lange auf dem Rekordtief halten oder weiter senken. Damit sind sie kein abstraktes Phänomen mehr, sondern kommen zunehmend beim Bürger an.

„Als Folge davon wird der politische Druck gegen die Negativzinsen und damit auf die SNB steigen“, schrieb der Anlagechef der St. Galler Kantonalbank, Thomas Stucki. Er war früher in der gleichen Funktion bei der SNB tätig. Was also tun? Steht die Notenbank vor einem Kurswechsel?

Das erwarten Analysten für die nächste vierteljährliche Zinssitzung am Donnerstag noch nicht: 29 der 31 von Reuters befragten Experten rechnen mit einer unveränderten Zinspolitik. Bei der Entscheidung dürfte das Notenbank-Gremium um Präsident Thomas Jordan jedoch auch die Nebenwirkungen der Geldpolitik berücksichtigen, schrieben die Experten der Zürcher Privatbank Julius Bär.

Jordan selbst hatte kürzlich eingeräumt, dass die negativen Renditen für Pensionskassen schwierig seien. Zugleich wird die SNB aber nicht müde, die Notwendigkeit der Negativzinsen zu beteuern, um den Franken zu schwächen und damit die Exportwirtschaft zu stützen.


Abkehr vom Krisenmodus

Die SNB steckt in einer Zwickmühle: Sie ist sich über die Folgen ihrer Geldpolitik im Klaren – aber solange die Zinsen international auf historischen Tiefstständen sind, hat sie kaum Spielraum für eine Zinserhöhung. Damit würde sie riskieren, dass der Franken an Wert gewinnt – was der Wirtschaft schadet.

Viele andere gute Möglichkeiten, die eigene Währung zu schwächen, haben die Währungshüter nicht. Neben Negativzinsen verkauft die Notenbank bei Bedarf Franken über den Devisenmarkt. Doch diese milliardenschweren Interventionen blähen die SNB-Bilanz auf. Und diese ist bereits größer, als die jährliche Wirtschaftsleistung des Landes.

Erst wenn die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Geldpolitik strafft oder ihr billionenschweres Anleihenkaufprogramm beendet, könnte es auch in der Schweiz zu einem Kurswechsel kommen, prophezeite der UBS-Chefökonom für die Schweiz, Daniel Kalt. „Dann könnte man sich schon vorstellen, dass die SNB die nächstmögliche Gelegenheit nutzen könnte, die Zinsen zu erhöhen oder das mindestens verbal zu signalisieren.“

Voraussetzung dafür sei jedoch, dass sich Europa politisch und wirtschaftlich stabil entwickle. Denn bei weiteren Turbulenzen dürfte der Franken, der in unsicheren Zeiten stets als Fluchtwährung gefragt ist, an Wert gewinnen.

Für eine Abkehr vom Krisenmodus würde auch das mit einem Plus von 0,6 Prozent überraschend starke Schweizer Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal sprechen. In den 19 Ländern der Euro-Zone wuchs die Konjunktur im selben Zeitraum mit 0,3 Prozent nur halb so stark.

Die SNB habe als Begründung für die Negativzinsen immer die Gefahren für die Wirtschaft angeführt, sagte ein Banker: „Diese Geschichte ist jetzt nicht mehr stimmig.“

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