Serie Geistesblitze (IV) Der Preis der Knappheit

Mit einem einzigen Forschungsartikel legte Harold Hotelling vor 80 Jahren den Grundstein für die moderne Ressourcenökonomik. Seine Hotelling-Regel erklärt die Preisbildung von Rohstoffen.

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Der US-amerikanische Volkswirt und Statistiker Harold Hotelling hat vor 80 Jahren ein Modell geliefert, das die moderne Ressourcenökonomik begründete. Quelle: NC State University

Die Geschichte der Ressourcenökonomik beginnt mit einem Nein. Als der US-Statistiker Harold Hotelling 1931 beim angesehenen "Economic Journal" einen Beitrag vorlegt, lehnen die Redakteure sie ab. Die Mathematik darin sei zu kompliziert für die Leser, heißt es zur Begründung. Das ist bemerkenswert, denn der damalige Chefredakteur des Journals heißt John Maynard Keynes.

Die größten Ökonomen
Adam Smith, Karl Marx, John Maynard Keynes und Milton Friedman: Die größten Wirtschafts-Denker der Neuzeit im Überblick.
Gustav Stolper war Gründer und Herausgeber der Zeitschrift "Der deutsche Volkswirt", dem publizistischen Vorläufer der WirtschaftsWoche. Er schrieb gege die große Depression, kurzsichtige Wirtschaftspolitik, den Versailler Vertrag, gegen die Unheil bringende Sparpolitik des Reichskanzlers Brüning und die Inflationspolitik des John Maynard Keynes, vor allem aber gegen die Nationalsozialisten. Quelle: Bundesarchiv, Bild 146-2006-0113 / CC-BY-SA
Der österreichische Ökonom Ludwig von Mises hat in seinen Arbeiten zur Geld- und Konjunkturtheorie bereits in den Zwanzigerjahren gezeigt, wie eine übermäßige Geld- und Kreditexpansion eine mit Fehlinvestitionen verbundene Blase auslöst, deren Platzen in einen Teufelskreislauf führt. Mises wies nach, dass Änderungen des Geldumlaufs nicht nur – wie die Klassiker behaupteten – die Preise, sondern auch die Umlaufgeschwindigkeit sowie das reale Produktionsvolumen beeinflussen. Zudem reagieren die Preise nicht synchron, sondern in unterschiedlichem Tempo und Ausmaß auf Änderungen der Geldmenge. Das verschiebt die Preisrelationen, beeinträchtigt die Signalfunktion der Preise und führt zu Fehlallokationen. Quelle: Mises Institute, Auburn, Alabama, USA
Gary Becker hat die mikroökonomische Theorie revolutioniert, indem er ihre Grenzen niederriss. In seinen Arbeiten schafft er einen unkonventionellen Brückenschlag zwischen Ökonomie, Psychologie und Soziologie und gilt als einer der wichtigsten Vertreter der „Rational-Choice-Theorie“. Entgegen dem aktuellen volkswirtschaftlichen Mainstream, der den Homo oeconomicus für tot erklärt, glaubt Becker unverdrossen an die Rationalität des Menschen. Seine Grundthese gleicht der von Adam Smith, dem Urvater der Nationalökonomie: Jeder Mensch strebt danach, seinen individuellen Nutzen zu maximieren. Dazu wägt er – oft unbewusst – in jeder Lebens- und Entscheidungssituation ab, welche Alternativen es gibt und welche Nutzen und Kosten diese verursachen. Für Becker gilt dies nicht nur bei wirtschaftlichen Fragen wie einem Jobwechsel oder Hauskauf, sondern gerade auch im zwischenmenschlichen Bereich – Heirat, Scheidung, Ausbildung, Kinderzahl – sowie bei sozialen und gesellschaftlichen Phänomenen wie Diskriminierung, Drogensucht oder Kriminalität. Quelle: dpa
Jeder Student der Volkswirtschaft kommt an Robert Mundell nicht vorbei: Der 79-jährige gehört zu den bedeutendsten Makroökonomen des vergangenen Jahrhunderts. Der Kanadier entwickelte zahlreiche Standardmodelle – unter anderem die Theorie der optimalen Währungsräume -, entwarf für die USA das Wirtschaftsmodell der Reaganomics und gilt als Vordenker der europäischen Währungsunion. 1999 bekam für seine Grundlagenforschung zu Wechselkurssystemen den Nobelpreis. Der exzentrische Ökonom lebt heute in einem abgelegenen Schloss in Italien. Quelle: dpa
Der Ökonom, Historiker und Soziologe Werner Sombart (1863-1941) stand in der Tradition der Historischen Schule (Gustav Schmoller, Karl Bücher) und stellte geschichtliche Erfahrungen, kollektive Bewusstheiten und institutionelle Konstellationen, die den Handlungsspielraum des Menschen bedingen in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. In seinen Schriften versuchte er zu erklären, wie das kapitalistische System  entstanden ist. Mit seinen Gedanken eckte er durchaus an: Seine Verehrung und gleichzeitige Verachtung für Marx, seine widersprüchliche Haltung zum Judentum. Eine seiner großen Stärken war seine erzählerische Kraft. Quelle: dpa
Amartya Sen Quelle: dpa

Den Aufsatz "The Economics of Exhaustible Resources", der sich im Kern mit dem Zusammenhang von Rohstoffpreisen und Zinsen beschäftigt, bringt Hotelling schließlich im "Journal of Political Economy" unter. Und zwar zu einer Zeit, in der das Interesse an Fragen zur Endlichkeit der Rohstoffreserven gering ist. Die USA stecken mitten in der Großen Depression; Öffentlichkeit und Wissenschaft haben Besseres zu tun, als sich mit Ressourcenökonomie zu beschäftigen. Hotellings Arbeit bleibt rund 40 Jahre beinahe unbeachtet liegen - bis die Diskussion um die natürlichen Ressourcen der Erde in den Siebzigerjahren wieder aufflammt: Der Club of Rome veröffentlicht seine Studie "Die Grenzen des Wachstums", die Ölpreise steigen in bis dahin nie gekannte Höhen. Weltweit fragen sich Ökonomen, wie lange die Rohstoffe der Erde halten. Plötzlich ist Hotelling überall.

Der Zins entscheidet

Was er zur Zeit der Jahrhundertkrise entwickelte, ist heute Grundlage sämtlicher Forschungsarbeiten in der Ressourcenökonomik. Die Hotelling-Regel beschreibt in ihrer simpelsten Form eine Bedingung, die bei jedem effizienten Pfad der Ressourcenextraktion erfüllt sein muss: Der Preis einer erschöpfbaren natürlichen Ressource steigt im Gleichgewicht mit der Zinsrate an.

Was den Ölpreis bestimmt

Hotelling ging davon aus, dass die Theorie statischer Gleichgewichte auf Märkten, bei denen sich der Preis aus Angebot und Nachfrage bildet, unpassend für eine Industrie ist, in der "die unendliche Erhaltung einer ständigen Produktionsrate physikalisch unmöglich ist". Öl, Gas und Kohle werden irgendwann ausgehen, deshalb muss ihre Produktionsrate eigentlich mit der Zeit abnehmen. Es muss somit in ferner Zukunft einen Punkt geben, an dem niemand mehr Öl fördert. Weil es keines mehr gibt oder weil es so teuer geworden ist, dass es niemand mehr kauft.

In der einfachsten aller Welten gibt es kleine, abgeschlossene Märkte, auf denen viele Anbieter zu den gleichen Bedingungen ihre Waren anbieten. Die Marktgesetze diktieren den Preis. Firmen verkaufen ihre Produkte deshalb nach dem Prinzip Grenzerlös gleich Grenzkosten - die letzte produzierte Einheit wird gerade kostendeckend hergestellt.

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