Staatsanleihenkauf EZB will Anfang 2015 Entscheidung treffen

EZB-Präsident Mario Draghi hat die Tür für Staatsanleihenkäufe weit aufgemacht. Bereits Anfang 2015 könnte die Notenbank eine Grundsatzentscheidung treffen. Doch ein Solcher Schritt ist in Europa heftig umstritten.

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EZB-Präsident Mario Draghi in der Frankfurter Oper: „Wir werden das tun, was wir tun müssen“. Quelle: dpa

Frankfurt/London Die Europäische Zentralbank (EZB) könnte bereits im ersten Quartal kommenden Jahres eine Grundsatzentscheidung über den Kauf von Staatsanleihen im Kampf gegen die drohende Deflation treffen. Die EZB erwarte zwar, dass sich ihre Bilanz durch die bereits beschlossenen Maßnahmen wie Geldspritzen für die Banken und den Kauf von Kreditverbriefungen und Pfandbriefen wieder auf das Niveau von Anfang 2012 und damit um gut eine Billion Euro aufblähe. „Wir müssen aber natürlich genau darauf gucken, ob sich das Tempo der Ausweitung mit dieser Erwartung deckt“, sagte EZB-Vizepräsident Vitor Constancio am Mittwoch in London. „Während des ersten Quartals kommenden Jahres sollten wir in der Lage sein, besser zu beurteilen ob das der Fall ist.“

„Falls nicht, müssen wir überlegen andere Wertpapiere zu kaufen, auch Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt, dem umfangreichsten und liquidesten Markt, den es gibt“, fügte der Portugiese hinzu und setzte den Euro am Devisenmarkt unter Druck. Eine solche Entscheidung der EZB wäre nach seinen Worten dann rein geldpolitisch motiviert. Die Käufe würden entsprechend des Kapitalschlüssels der Euro-Länder an der EZB vorgenommen, im Rahmen des EZB-Mandats und ihrer rechtlichen Möglichkeiten. Die Option breit angelegter Staatsanleihenkäufe nach dem Vorbild anderer Notenbanken ist in Europa heftig umstritten, vor allem in Deutschland.

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann sieht enorme Risiken einer solchen Politik und Umverteilungseffekte zwischen den Volkswirtschaften in der Währungsunion. Erst vor wenigen Tagen hatte Weidmann rechtliche Hürden eines solchen Schritts der Notenbank betont. Kritiker bemängeln zudem, dass die EZB den auf den Regierungen der 18 Euro-Länder lastenden Druck zu Strukturreformen mildern würde. Constancio hielt dagegen: Es sei nicht Aufgabe einer dem Ziel stabiler Preise verpflichteter Notenbank, Druck auf Regierungen zu erhöhen oder abzumildern.

EZB-Präsident Mario Draghi hatte vergangenen Freitag die Tür für Staatsanleihenkäufe – im Fachjargon der Zentralbanker QE oder Quantitative Easing genannt – sperrangelweit aufgemacht. Draghi hatte erklärt, die EZB werde tun, was sie tun muss, um eine für die Wirtschaft desaströse Deflation zu verhindern. Darunter versteht man einen Verfall der Preise auf breiter Front, mit der Folge, dass Verbraucher in Erwartung weiter fallender Preise weniger konsumieren, Unternehmen Investitionsentscheidungen auf die lange Bank schieben und die Löhne sinken. Am Ende einer solchen Abwärtsspirale, wie sie Japan in den 1990er-Jahren erleben musste, steht der konjunkturelle Totalschaden.

Ökonomen werteten Constancios Aussagen als bislang klarsten Hinweis auf den möglichen Zeitpunkt einer Entscheidung der EZB für oder gegen QE. „Diese Rede hat sicherlich die Chancen erhöht, dass wir im ersten Quartal Staatsanleihenkäufe sehen könnten“, sagte Christian Schulz, Ökonom bei der Berenberg Bank. „Die Finanzmärkte könnten enttäuscht sein und das Vertrauen könnte einen weiteren Knacks bekommen, sollte die EZB nicht liefern.“ Der EZB-Rat entscheidet im ersten Vierteljahr 2015 zweimal über den Einsatz geldpolitischer Maßnahmen: am 22. Januar und am 5. März. Beide Male ist auch Bundesbank-Chef Weidmann stimmberechtigt.

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