Das zeigt sich auch bei den Steuereinnahmen. Derzeit wissen die Stadtoberen nicht wohin mit all dem Geld, das auf sie niederregnet. 2012 kassierte die Stadt über 442 Millionen Euro an Gewerbesteuer – ein Zuwachs von 273 Prozent gegenüber 2008. Wolfsburg ist seit 2012 schuldenfrei und kann in den kommenden Jahren mal eben 200 Millionen Euro in die Modernisierung seiner Schulen investieren, speziell in die naturwissenschaftliche Ausstattung.
Das Spiegelbild zu Wolfsburg liegt 526 Kilometer südlich. Im bayrischen Ingolstadt arbeiten rund um das zentrale Werk von Audi gut 50.000 Menschen, das Werksgelände ist doppelt so groß wie die historische Altstadt. Jobs gibt es hier en masse. In Ingolstadt liegt die Arbeitslosenquote bei 2,1 Prozent, das ist die niedrigste Quote aller deutschen Großstädte. Das Problem ist eher, überhaupt noch Fachkräfte zu finden. An dem kleinen Außenposten, den die Bundesagentur für Arbeit noch in Ingolstadt unterhält, baumelt ein Werbeplakat mit der Frage: „Sie suchen qualifizierte Arbeitskräfte?“ Ob es Arbeitsplätze gibt, muss hier keiner fragen. Im Dynamikranking liegt Ingolstadt hinter Wolfsburg auf Rang 2, im Niveauranking hinter Platzhirsch München ebenfalls auf Rang 2.
In Ingolstadt zeigt sich im Guten, welche Folgen eine übermächtige Branche haben kann. An der Ausfallstraße Richtung Manching, zwischen Saunaclub und Matratzen-Outlet, hat der Familienbetrieb Büchl seinen Sitz. Auf den ersten Blick ein mittelständiger Entsorgungsbetrieb, wie es ihn in den Industriegebieten dieses Landes hundertfach gibt. Doch Büchl ist anders. 400 Mitarbeiter, Standorte in Ungarn und Mexiko. Die Erklärung für die Expansion ist einfach: Überall wo Audi hingeht, geht Büchl mit. Denn vom gewöhnlichen Müllentsorger ist das Unternehmen nach und nach zum Spezialdienstleister für Autofabriken geworden. Alles begann mit einem kleinen Auftrag aus dem Ingolstädter Audi-Werk, als der Konzern 1993 eine neue Fertigung in Ungarn eröffnete, übernahm Büchl gleich die komplette Werksentsorgung. Heute arbeiten fast 200 Mitarbeiter für Büchl in Györ.
Regionale Unterschiede
Der Städtetest zeigt zudem, wie groß auch im allgemeinen Aufschwung die regionalen Unterschiede ausfallen. Auffällig gut schneidet etwa die Rhein-Main-Region ab. Berlin erfreut sich einer regen Gründerszene, hat aber bezogen auf die Einwohnerzahl nach Bremerhaven und Gelsenkirchen die meisten Hartz-IV-Empfänger. In Köln gibt es mehr Jobs und mehr Einwohner, aber eine miserable Aufklärungsquote bei Straftaten. Stuttgart darf sich über Platz 5 im Niveauranking, die höchsten Patentzahlen und den fünfthöchsten Anteil Hochqualifizierter freuen.
Viele Strukturdaten haben sich aber verschlechtert, sodass es im Dynamikranking nur zu Platz 42 reicht. In Ostdeutschland zeichnet sich derweil eine Art Marktbereinigung unter den Städten ab. Während die Bevölkerung insgesamt schrumpft, profitieren einige Städte von internen Wanderungen. Rostock ist eine der Wachstumsgeschichten im Osten und punktet mit einem dynamischen Arbeitsmarkt (Platz 15) und hoher Lebensqualität. Ähnlich stark: Leipzig und Dresden. Nirgendwo stieg die Zahl der Beschäftigten schneller als in Leipzig (plus 20 Prozent seit 2007), nirgends sank die Jugendarbeitslosigkeit schneller als in Dresden (minus 5,7 Prozentpunkte). Wegen ihrer hübschen Altstädte müssen sich die Oststädte zudem um eines keine Sorgen machen: das Besucher lieber den Hinterausgang nehmen.