Wenn sie könnten, wie sie wollten, würde es unter deutschen Unternehmern eine größere Völkerwanderung geben. Denn viele von Ihnen sind offenbar keineswegs so zufrieden mit ihrem Standort wie, es öffentliche Bekenntnisse bei Preisverleihungen und Standortmessen in den meisten Fällen vermuten lassen. In einer Befragung der WirtschaftsWoche und des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) gaben nur zwei Drittel aller Unternehmen an, dass sie sich im Zweifel erneut für den gleichen Standort entscheiden würden. Mit anderen Worten: 30 Prozent aller deutschen Unternehmen spielen mit Abwanderungsgedanken.
Befragt wurden je 80 Unternehmen aus den 50 größten deutschen Städten, also insgesamt Vertreter von 4000 Betrieben. Neben der allgemeinen Zufriedenheit mit dem Standort wurde die Einschätzung der Stadtverwaltung, des Images, der öffentlichen Sicherheit sowie der Infrastruktur in den Bereichen Verkehr, Kultur und Bildung erhoben.
Große Metropolen sichern sich Spitzenplätze
Besonders ausgeprägt ist der Abwanderungswille im Ruhrgebiet. In Herne, Hagen, Wuppertal oder Gelsenkirchen ist es nur gut die Hälfte aller Unternehmen, die sich erneut für den gewählten Standort entscheiden würden. Insgesamt landen sieben Städte aus dem einstigen industriellen Herzen der Republik auf den hinteren zehn Rängen. Dies ist besonders bedenklich, wenn man ans andere Ende der Skala schaut, wo Zustimmungsquoten von beinahe 90 Prozent erreicht werden. Besonders beliebt sind demnach die großen Metropolen des Landes: Hamburg, Frankfurt, München und Stuttgart teilen sich die ersten fünf Plätze, unterbrochen nur von Freiburg. Auch Düsseldorf (Platz 10) und Nürnberg (11) schlagen sich noch recht beachtlich, während Berlin (Platz 23) abfällt.
Unzufriedenheit im Ruhrgebiet
Auffallend ist, dass viele Unternehmer aus dem Ruhrgebiet ihre Unzufriedenheit offenbar nicht mit allgemeinen Standortfaktoren, sondern vor allem dem Zustand der öffentlichen Verwaltung verbinden. Sowohl beim Kostenbewusstsein der ohnehin schon klammen Kommunen als auch bei der Wirtschaftsfreundlichkeit und der Modernität der Abläufe in der Öffentlichen Verwaltung landen viele Ruhrgebietsstädte ganz hinten. Letztere Kategorie erfasst Fragen zur Geschwindigkeit von Verwaltungsverfahren und zur Serviceorientierung der Beamten.
Vor allem Duisburg, Oberhausen, Hagen und Mülheim finden sich hier häufig auf den letzten Plätzen. Es wäre jedoch falsch, angesichts dieser Ballung die gesamte Region in die Kritik miteinzubeziehen. So attestieren 60 Prozent aller Unternehmen der Stadtverwaltung von Hamm hohes Kostenbewusstsein (Platz 3), auch Gelsenkirchen landet in dieser Kategorie immerhin auf dem siebten Platz. Hamm erzielt zudem in den Kategorien Wirtschaftsfreundlichkeit (13) und Modernität (6) einen vorderen Platz. Bochum und Dortmund erzielen zwar in keiner der Kategorien hervorragende Ergebnisse, halten aber zumindest stets den Abstand zum unteren Drittel.
Imagepflege durch gutes Verwaltungsmanagement
Erstaunlich an den Ergebnissen ist, wie es einigen Kommunen gelingt über ein gutes Management ihrer Verwaltung ihr gesamtes Bild positiv zu gestalten. Beispiele sind hier Braunschweig und Chemnitz, beides keine Städte die aufgrund touristischer Attraktivität oder kultureller Highlights auf eine besondere Anziehungskraft zurückgreifen können. Braunschweig belegt jedoch bei allen Fragen nach der öffentlichen Verwaltung einen der ersten drei Plätze, Chemnitz kommt zumindest in zwei der drei Kategorien unter die ersten fünf Städte. Sehr gute Platzierungen bei den Fragen nach der öffentlichen Verwaltung sorgen so dafür, dass deutlich weniger Unternehmen als in vergleichbaren Städten hier ihre Standortwahl infrage stellen.
Bei einigen Großstädten zeigt sich das umgekehrte Bild. In Berlin und Köln stellt zwar nur eine moderate Zahl der Unternehmen ihre Standortwahl grundsätzlich infrage, dies liegt jedoch allein an der generellen Attraktivität des Standorts in Bezug auf Kultur oder Image. Denn mit der Verwaltung sind die Unternehmen mehr als unzufrieden: Sowohl Berlin als auch Köln landen bei Kostenbewusstsein und Modernität auf den hintersten Plätzen, auch bei der Wirtschaftsfreundlichkeit (Platz 34 und 38) sieht es nur unwesentlich besser aus.