Systemkritik Kapitalismus in der Reichtumsfalle

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CO₂ ist der Abfall der kapitalistischen Maschine

Das Eon-Steinkohlekraftwerk Scholven in Gelsenkirchen: Die Zahl des CO2-Austosses ist eng mit der Zahl der Dinge verknüpft, die die Leute besitzen. Von Jahrzehnt zu Jahrzehnt ist die Zahl gewachsen. Früher konnte man die Emissionen noch als Preis für etwas Gutes ansehen, als Tribut für neue Arbeitsplätze und wachsenden Mehrwert. Ist mit dem Scheinwachstum Öl verbrennen und Gas verheizen noch gerechtfertigt? Quelle: AP

Am Anfang der Krise setzten Finanzinvestoren mit neuartigen Wertpapieren auf ein weiteres Wachstum des amerikanischen Immobilienmarkts. Sie spekulierten darauf, dass noch mehr Häuser, noch mehr Wohnungen gebaut würden. Aber der Markt war satt. Die Wertpapiere verloren ihren Wert. So begann die Finanzkrise.

Viele der Finanzinvestoren waren Banken. Ihr traditionelles Geschäft besteht darin, wachsende Märkte mit Krediten zu versorgen, zum Beispiel Autoherstellern neues Geld zu leihen. Aber die Märkte wuchsen nicht mehr recht. Deshalb verlegten sich viele Banken vom alten Kreditgeschäft auf das neue Investmentgeschäft. Als dieses wegen der Finanzkrise einbrach, hatten sie nichts mehr, um die Verluste auszugleichen. So begann die Bankenkrise.

Um die Banken zu retten, blieb den Industriestaaten nichts anderes übrig, als riesige Kredite aufzunehmen. Leider waren sie schon vorher hoch verschuldet. Jahrelang hatten sie darauf gehofft, die Verbindlichkeiten durch höheres Wirtschaftswachstum und, damit verbunden, höhere Steuereinnahmen begleichen zu können. Das Wachstum blieb aus, die Steuereinnahmen blieben auch aus, jetzt, durch die Bankenrettung, stiegen die Verbindlichkeiten ins Unermessliche. So begann die Schuldenkrise.

Finanzen, Banken, Schulden. Das Problem ist das fehlende Wachstum.

Alle politischen Maßnahmen, die in den drei Jahren der Krise ergriffen wurden, zielten darauf ab, das Wirtschaftswachstum zu erhöhen, die Maschine wieder zum Laufen zu bringen, auch daran erkennt man die wahre Natur dieser Krise. Die deutsche, die amerikanische, die japanische Regierung senkten Steuern, zahlten Zuschüsse, schrieben Abwrackprämien aus. Immer ging es darum, die Leute in die Geschäfte zu bringen.

Vielleicht klappt es ja. Vielleicht fangen die Leute auf wundersame Art wieder an zu kaufen, und die Unternehmen wachsen. Vielleicht sind bald die Inder und Chinesen so reich, dass sie ganz allein all die neuen Autos und Waschmaschinen bestellen, die deutsche Fabriken jedes Jahr produzieren. Vielleicht erfindet jemand ein sensationelles Produkt, das riesigen neuen Konsumhunger entstehen lässt. Ein Handy, mit dem man fliegen kann, zum Beispiel.

Wenn nicht, bleiben der industrialisierten Welt nur zwei Wege in die Zukunft. Der erste liegt darin, um jeden Preis Wachstum zu erzeugen und die Wirtschaft am Leben zu halten, so wie bisher, durch weitere Staatsausgaben, weitere Schulden. Und weiteren Abfall.

Der Abfall ist das Klimagas CO₂, das die kapitalistische Maschine ausstößt. Seine Menge ist eng verbunden mit der Zahl der Dinge, die die Leute besitzen. Sie ist gewachsen, von Jahrzehnt zu Jahrzehnt. Das war schon bisher schwer zu rechtfertigen, aber früher konnte man die Emissionen noch als Preis für etwas Gutes ansehen, als Tribut für neue Arbeitsplätze und wachsenden Mehrwert. Man konnte sogar argumentieren, nur bei zunehmendem Wohlstand sei genug Geld da, um neue Umwelttechnologien zu finanzieren.

Wenn das Wachstum aber bloß noch Scheinwachstum ist und nur dazu dient, den nächsten Börsencrash zu verhindern, dann stellt sich die Frage, mit welcher Berechtigung die Industrieländer noch mehr Öl verbrennen und Gas verheizen.

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