Überraschende Folgen Wie die Finanzkrise auf die Realwirtschaft durchschlägt

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Lindenau-Werft: 500 Arbeitsplätze sind akut bedroht Quelle: dpa

Dass pralle Auftragsbücher nichts helfen, wenn das Geld für Vormaterialien und Löhne fehlt und die Zeit bis zum Eingang der Außenstände zu überbrücken ist, zeigt die Lindenau-Werft in Kiel. Das Familienunternehmen musste vor Wochen drohende Insolvenz anmelden, obgleich die Werft Aufträge in Höhe von mehr als 225 Millionen Euro in den Büchern hat. Das Unternehmen war nicht mehr flüssig, weil die Banken die Zwischenfinanzierung immer weiter hinauszögerten und die Werft selbst nicht genügend auf der hohen Kante hatte. „Die Banken kommen immer wieder mit neuen Auflagen“, sagt ein Lindenau-Manager, „rücken dann aber keine Kredite heraus.“ Jetzt sind insgesamt über 500 Arbeitsplätze in dem Kieler Unternehmen akut bedroht. „Bei ihren Engagements in undurchsichtige Finanzprodukte waren die Banker schnell bei der Hand, bei uns prüfen sie bis zum Gehtnichtmehr“, schimpft ein hochrangiger Lindenau-Manager.

„Immer mehr Unternehmen kommen jetzt in die Schieflage, die volle Auftragsbücher haben und im Grunde nicht insolvent sind“, sagt Hans Haarmeyer, Professor für Wirtschafts- und Arbeitsrecht am Rhein-AhrCampus in Remagen. Statt weiter Kredite zu vergeben, wollten viele Banken vor allem ihr Risiko senken. Oder sie könnten die Löcher, die Kredite in ihrer Bilanz hinterließen, nicht wie früher durch kurzfristige Ausleihungen bei anderen Banken stopfen. Der langjährige Insolvenzrichter plädiert deshalb für ein Moratorium. Heute müssen Unternehmen binnen 21 Tagen den Gang zum Insolvenzrichter antreten, wenn sie für weniger als 90 Prozent ihrer fälligen Verbindlichkeiten flüssige Mittel vorweisen könnten. „Diese Frist ist unter den gegebenen Bedingungen zu kurz“, sagt Haarmeyer, „Unternehmen, die unter normalen Marktverhältnissen locker überleben würden, kommen jetzt in die Klemme.“

Auch das gesprochene Wort verliert an Wert, grassiert im Geldgewerbe erst mal die Angst. „Die kippen von heute auf morgen alles“, sagt ein bayrischer Maschinenbauer, dem eine US-Bank einen Kredit in Höhe von zwei Millionen US-Dollar zugesagt hatte. „Das war alles in trockenen Tüchern, nur die Unterschrift fehlte“, erzählt der Geschäftsführer des 1000-Mitarbeiter-Unternehmens. „Die haben ihre Zinsen auf zwölf Prozent mehr als verdoppelt, und dann war für mich die Geschichte natürlich gelaufen.“ Der Bayer kann nur von Glück reden, dass er im Gegensatz zu vielen Mittelständlern die Verbindung zu anderen Banken in den vergangen Jahren nicht kappte.

Auf der Suche nach neuen Kreditgebern

„Weniger ist mehr, war die Devise in den vergangenen Jahren“, sagt ein Finanzmanager von Bilfinger Berger – nur dass der Mannheimer Baukonzern sich dem Trend entzog und weiter mit 15 Finanzinstituten arbeitete. Heute sind die Badener froh über ihre altmodisch-üppigen Bankverbindungen. Die erleichtern die Kreditbeschaffung und Risikostreuung. „Brauchte man für die Finanzierung eines Projekts früher vier Banken, sind es jetzt zehn.“ Zwar ist Bilfinger Berger nicht von Kreditkündigungen betroffen, da die Baubranche vor allem von langfristigen und gut abgesicherten Darlehen lebt. „Wenn wir im Moment dringend Geld bräuchten, wäre es aber schwierig“, gibt der Finanzmanager zu. „Und teurer werden die Kredite langfristig sowieso.“

Die Angst vor dem Konkurs von Banken hat inzwischen aber auch die Unternehmen sensibilisiert. Bei einem großen rheinischen Dienstleister schrillten nach den Zusammenbrüchen der vergangenen Wochen die Alarmglocken, als es darum ging, kurzfristig 100 Millionen Euro bei einer seiner Banken zu parken. Das Unternehmen schichtete schnell um. „Heute liegen höchstens 30 Millionen Euro bei jeder unserer Hausbanken“, sagt der Konzernchef. Ähnlich vorsichtig, nur einige Nummern größer, handelte auch Karl-Gerhard Eick, Finanzchef der Deutschen Telekom. Er parkte flüssige Mittel von 17 Milliarden Euro in Paketen zu maximal 600 Millionen Euro auf 29 Banken verstreut.

Fallen die Banken als Kreditgeber aus, könnten hie und da auch andere Geldgeber in die Lücke springen. So wollte Peter Kowalsky, der Erfinder der Lifestylebrause Bionade, zusammen mit dem schwäbischen Nudelhersteller Alb Gold im US-Bundesstaat Iowa eine Produktionsanlage errichten und diese ausschließlich mit Bankkrediten finanzieren. „Das hat sich im Zuge der Finanzkrise geändert“, sagt Alb-Gold-Inhaber Klaus Freidler. Erst Anfang 2009 – ein halbes Jahr später als geplant – soll der Bau der Fabrik nun beginnen. Im Gegensatz zu seinem Geschäftspartner macht Bionade-Chef Kowalsky dafür Schwierigkeiten mit den US-Zulassungsbehörden verantwortlich. Die Finanzierungsstruktur will er aber dennoch ändern: Statt Banken sollen jetzt private Investoren Mittel für den Fabrikbau aufbringen und in einem Fonds bündeln. Geldgeber, mit denen er früher nie etwas zu tun haben wollte.

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