US-Haushaltsstreit Top-Ökonomen warnen vor globalem Sturm

Die Angst vor einer US-Pleite wächst. Bleibt der Haushaltsstreit weiter ungelöst, rechnen Ökonomen mit dem Schlimmsten. Selbst eine konzertierte Aktion der Notenbanken könnte dann eine globale Krise nicht verhindern.

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Das Washingtoner Kapitol, wo sich Demokraten und Republikaner in diesen Tagen eine heiße Debatte über den Haushalt liefern. Quelle: AFP

Berlin Führende Ökonomen in Deutschland rechnen für den Fall eines Zahlungsausfalls der USA mit drastischen Folgen für die globale Konjunktur und die Weltfinanzmärkte. „Käme es zu einer  Zahlungsunfähigkeit  der US-Regierung droht als erstes eine Panik auf den Finanzmärkten, die rasch auch die Realwirtschaft im globalen Maßstab zum Erliegen bringen würde“, sagte der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, Handelsblatt Online.

„Für  den Euro-Raum hieße dies mit Sicherheit den  Rückfall in eine tiefe  Rezession. Für Deutschland würde es bedeuten, dass  sämtliche Wachstumserwartungen für das  kommende Jahr, die ohnehin eher  bescheiden sind, sich als Illusion erweisen dürften.“

Mindestens eine Stagnation, wenn nicht gar eine Rezession wäre  die Folge. „Die  Lage wäre  zudem ziemlich hoffnungslos, da  die Geldpolitik ihr Arsenal durch die Bekämpfung der Finanzmarktkrise beziehungsweise der Krise  des Euro-Raums bereits weitgehend ausgeschöpft hat“, fügte Horn hinzu.

Überdies sei die Bereitschaft angesichts  hoher Staatsverschuldung  fiskalpolitisch zu handeln, aktuell „nur gering ausgeprägt“, sodass wertvolle Zeit wahrscheinlich verloren ginge bis sich die Einsicht in die Notwendigkeit einer Stimulanz durchsetzen würde.

„Bis dahin hätte  sich wahrscheinlich eine globale Krise voll entfaltet“, sagte Horn.  Dafür verantwortlich sei die konservative Tea Party, die versuche, die Weltwirtschaft in Geiselhaft  zu nehmen. „Der Vorgang ist  ungeheuerlich: um ihre  radikalen politischen Wertvorstellungen  durchzusetzen, riskieren die Republikaner Millionen und Abermillionen Jobs in und außerhalb der USA.“ 

Der Direktor des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA), Klaus F. Zimmermann, sieht wegen des Etatstreits die Glaubwürdigkeit der USA als führende Wirtschaftsmacht auf dem Spiel. „Das ist angesichts der hohen Verschuldung der Vereinigten Staaten bedrohlich“, sagte Zimmermann Handelsblatt Online.

Er habe in diesem Zusammenhang schon vor einiger Zeit von einer „drohenden Griechenlandisierung Amerikas“ gesprochen. „Das politische Durcheinander passt neben der hohen Verschuldung dazu.“ Damit stehe auch das Vertrauen der globalen Märkte in eine nachhaltige und verlässliche Haushalts- und Stabilitätspolitik auf dem Spiel. „Was das bedeuten kann, haben wir an der Euro-Krise gesehen“, sagte der IZA-Chef.

Kurz vor Ablauf der Frist ringen Demokraten und Republikaner weiter um einen Kompromiss zur Erhöhung der staatlichen Verschuldungsgrenze. Senatsführer beider Parteien verbreiteten erneut Optimismus, dass es am heutigen Mittwoch doch noch zu einem Durchbruch kommt.

Doch sind die Republikaner im Repräsentantenhaus zerstritten. Eine für Dienstag angesetzte Abstimmung mussten sie deshalb absagen. Präsident Barack Obama zeigte sich entnervt über den nicht enden wollenden Streit. „Die Leute haben so die Nase voll davon“, sagte Obama dem Sender KMEX in Los Angeles.


„USA brauchen eine Schuldenbremse"

IZA-Chef Zimmermann hält trotz der schwierigen Lage eine Lösung für möglich. „Aus diesem Konflikt kommen die USA nur heraus, wenn sie nach dem Beispiel Deutschlands und anderer EU-Staaten eine Schuldenbremse in ihrer Verfassung verankern, die für die Zukunft zugleich ein solches unwürdiges parteipolitisches Schachern verhindert“, sagte er. Auch die USA kämen an einer nachhaltigen Haushaltskonsolidierung nicht vorbei. „Hier sitzen alle führenden Wirtschaftsnationen in einem Boot.“

Harsche Kritik äußerte Zimmermann an der Art der Auseinandersetzung zwischen Demokraten und Republikanern. „Der Streit geht ja nicht wirklich um den Haushalt, es ist ein Stellvertreterkrieg um Obamacare, der Gesundheitsreform, die in weiten Teilen der Vereinigten Staaten äußerst unbeliebt ist“, sagte der Ökonom. Und es gehe schon um die Vorbereitung für den Wahlkampf um die nächste Präsidentschaft Amerikas. „Ein üblicher Grabenkrieg praktischer Politik“, konstatierte Zimmermann.

Die Auseinandersetzung trete in „schöner Regelmäßigkeit“ auf, da die Verfassung eine absolute Schuldenobergrenze vorsehe, sagte Zimmermann weiter. In einer wachsenden Wirtschaft sei dies eine „absurde“ Regelung. „Deshalb sind solche Konflikte regelmäßig vorprogrammiert und sollten auch nicht überbewertet werden.“

Nach Einschätzung von Thorsten Polleit, Honorarprofessor an der Frankfurt School of Finance and Management, könnten die USA einen Default (Zahlungsausfall) durch Umschichtungen im Haushalt noch abwenden. Ein Zahlungsausfall hingegen könne „eine Entwicklung auslösen, die größer ist als die Verwerfungen in 2008/2009“, sagte Polleit Handelsblatt Online.

Das habe auch damit zu tun, dass das internationale Kredit- und Geldsystem auf dem US-Dollar und Dollar-Schuldpapieren aufgebaut sei. „Ein Zahlungsausfall der Amerikaner hätte daher nicht nur zur Folge, dass Sparer ihre Forderungen gegenüber Amerika verlieren. Vor allem auch Geschäftsbanken würden ins Trudeln geraten, schließlich dienen ihnen US-Staatsanleihen als Besicherung von Kredit- und Derivativen-Transaktionen.“


Banken droht finanzielle Überforderung

Der Ausfall von US-Papieren würde nach Polleits Einschätzung die Banken zwingen, sich eine neue Unterlegung zu beschaffen. „Die damit verbundene Verteuerung der Besicherung würde vermutlich viele Banken finanziell überfordern.“  Um die Zahlungsunfähigkeit der Banken abzuwenden, bliebe dann nur noch die Geldvermehrung durch die Zentralbanken – also de facto eine Monetisierung der Staatsschulden. „Eine Politik, die früher oder später den Geldwert zersetzt“, warnte der Frankfurter Ökonom.

Das sei im Übrigen auch die große Gefahr im Papiergeldsystem, sagte Polleit weiter. „Ist es erst einmal zu einer Überschuldung gekommen, wird das Anwerfen der elektronischen Notenpresse von Regierenden und Regierten als die Politik des vergleichbar kleinsten Übels angesehen.“ Geldmengenvermehrung werde Zahlungsausfällen vorgezogen.

Allerdings, warnte Polleit, gebe es aus einem jahrzehntelangen Kreditgeldvermehren keinen „schmerzfreien“ Ausweg mehr. „Das Papiergeld-Finanzvermögen in Form von beispielsweise Bankeinlagen und Schuldverschreibungen könnte vielleicht schon im nächsten Abschwung durch Zahlungsausfälle, Konfiskation und/oder Geldentwertung entwertet werden“, sagte der Ökonom. Nur so viel scheine daher sicher zu sein: „In diesem Stadium des Kreditgeld-Booms, den die Zentralbankräte unbarmherzig versuchen fortzuführen, ist wohl kaum mehr etwas sicher.“

Nach Darstellung von US-Finanzminister Jacob Lew sind ab Donnerstag sämtliche Kreditlinien der USA ausgeschöpft, wenn nicht die Verschuldungsgrenze von derzeit 16,7 Billionen Dollar (12,3 Billionen Euro) angehoben wird. Danach hätten die USA nur noch rund 30 Milliarden Dollar Barreserven und könnten bis Monatsende schlimmstenfalls zahlungsunfähig werden.

Daneben geht es in dem Haushaltsstreit auch um kurzfristige Ausgabengesetze. Seit 1. Oktober sind weite Teile der US-Bundesverwaltung geschlossen und 350 000 Beschäftigte im Zwangsurlaub, weil sich Republikaner und Demokraten zu Beginn des Fiskaljahrs nicht auf einen Haushalt einigen konnten.


Fitch droht mit der Ratingkeule

Die beiden führenden Köpfe im Senat - Mehrheitsführer Harry Reid von den Demokraten und der Chef der republikanischen Minderheitsfraktion, Mitch McConnell, hatten am Dienstag eine Übergangslösung für beide Probleme diskutiert: Mit dem Vorschlag wäre die Regierung bis 15. Dezember handlungsfähig, und das Schuldenlimit würde bis 7. Februar angehoben. Man sei vorsichtig optimistisch, bis spätestens Mittwoch eine Übereinkunft zu erzielen, erklärten Mitarbeiter Reids und McConnells.

Verworren ist die Lage jedoch im von den Republikanern dominierten Repräsentantenhaus. Dort ließ der republikanische Parlamentspräsident John Boehner zwei Versionen eines Gesetzentwurfs ausarbeiten, eine davon mit denselben Eckdaten wie der Senatsentwurf. Letztlich stellte Boehner aber am Dienstag keinen der Entwürfe zur Abstimmung, weil er Ablehnung aus den eigenen Reihen fürchtete.

Die einflussreiche Gruppe Heritage Action for America erklärte die Vorlagen für zu wenig konservativ. Sie trügen nicht dazu bei, „Amerikanern zu helfen, die negativ von Obamacare betroffen sind“, erklärte die Gruppe. Gemeint ist die Gesundheitsreform des Präsidenten, die die Republikaner unbedingt im Zusammenhang mit den Haushaltsgesetzen stoppen wollen. Die Demokraten wollen dieses Junktim keinesfalls akzeptieren - einer der Hauptknackpunkte in dem Streit.

Die Finanzwelt reagiert zunehmend negativ auf das Hin und Her in Washington. Der New York Stock Exchange fiel um 133 Punkte. Die Ratingagentur Fitch erklärte, angesichts des Haushaltsstreits und seiner Folgen prüfe sie eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA.

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