US-Notenbank Die Fed muss endlich den Zins erhöhen!

Nach den jüngsten Börsenturbulenzen könnte die US-Notenbank Fed ihre Zinswende weiter in die Zukunft verlegen. Doch das wäre ein Fehler.

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Fed-Chefin Janet Yellen im Juli 2015. Quelle: AP

Zugegeben, von ruhigen Zeiten kann an den Finanzmärkten im Moment nicht die Rede sein. Sorgen um eine schwächelnde chinesische Wirtschaft haben die Börsen am Montag weltweit zum Absturz gebracht, die Nachrichtenportale sind voll mit Fotos von Börsenhändlern, die mit sorgenfaltigen Gesichtern auf nahezu senkrecht nach unten zeigende Kurscharts blicken. Kurzum: die Börsen haben kurzfristig wieder in den Krisenmodus geschaltet.

Auch wenn ein Teil der Verluste bereits am Dienstag wieder eingefahren war: das Marktumfeld bleibt alles andere als gut. Der Dax hat innerhalb des vergangenen Monats knapp 15 Prozent eingebüßt, auch die US-Börsen gaben um rund neun Prozent nach. Kein Wunder also, dass viele Ökonomen behaupten es käme zur „Unzeit“, wenn die US-Notenbank Fed tatsächlich im September den Leitzins erhöhen würde. Nobelpreisträger Paul Krugman forderte kürzlich gar, stattdessen lieber mehr neue Schulden aufzunehmen.

Hören sollten die Notenbanker darauf allerdings nicht. Es wäre fatal, wenn die Fed sich von den Märkten diktieren ließe, was zu tun ist. Im Gegenteil: Gerade jetzt muss sie den Finanzmärkten Orientierung geben und endlich klare Kante zeigen, indem sie das Experiment der ultra-expansiven Geldpolitik schrittweise beendet. Die Märkte müssen dringend vom süßen Gift des billigen Geldes entwöhnt werden.

Denn einen Teil der Markt-Turbulenzen hat sich die Fed selber zuzuschreiben. Seit Monaten heißt es, eine Zinserhöhung in diesem Jahr sei möglich. Bisher ist aber nichts passiert, die Märkte hängen in der Luft. Auch die Abwertung des Yuan durch die chinesische Notenbank wird von einigen Beobachtern als proaktives Manöver zur Zinswende gewertet. Keiner weiß, wie die erste Zinserhöhung der Fed seit neun Jahren wirken wird. „Viele junge Händler wissen ja gar nicht mehr, wie sie mit einem Umfeld steigender Zinsen umgehen müssen“, feixen Analysten.

Es gibt Fehlerquellen

Historisch ist die Angst vor der Zinswende durchaus nachvollziehbar. Vor allem 1994 verlief das Manöver nicht wie erhofft. Die Fed machte den Dollar zu schnell zu teuer und stürzte damit vor allem kleinere Volkswirtschaften wie Mexiko in eine Krise.

Notenbanken rund um den Globus lockern ihre Geldpolitik

Schwellenländer wie Brasilien, Russland oder Südafrika könnten auch diesmal die größten Verlierer steigender US-Zinsen sein – in dem die Fed die sich im Umlauf befindende Dollarmenge reduziert, steigt der Wert des Greenback. Investoren ziehen deshalb ihr Kapital aus den Emerging Markets ab und stecken es lieber in die stabileren US-Märkte.

Während der Finanzkrise waren die Schwellenländer ein willkommener Zufluchtsort für das Geld der internationalen Investoren, jetzt werden die Schwellen-Dollars wieder nach Hause geholt.

Kommt das "Fed-Beben"?

Dieser Kapitalabfluss schwächt die jeweiligen Währungen, Beobachter warnen vor einem „Fed-Beben“ in den jeweiligen Ländern. Allerdings: ein großer Teil des Kapitals ist bereits 2013 abgeflossen, als die Fed erstmals öffentlich von Tapering, also einer weniger expansiven Geldpolitik, sprach.

Fondsmanager mussten mitansehen, wie innerhalb eines Jahres so viel Geld abfloss, wie vorher in zehn Jahren investiert wurde. Seit dem sind die Kapitalabflüsse gesunken, selbst im Fall einer Zinserhöhung rechnen viele Beobachter nicht mehr mit einem heftigen Ausschlag. Die Fed hat die Märkte lange vorbereitet, eine Zinswende ist eingepreist.

Hinzu kommt: aktuell ist die US-Wirtschaft eins der wenigen kleinen Zugpferde für das globale Wirtschaftswachstum. Es hilft der Welt also herzlich wenig, wenn die US-Notenbank eine für die heimische Wirtschaft falsche Geldpolitik betreibt, weil sie sich zu stark an den globalen Märkten orientiert.

Geht es nach den reinen Zahlen, hat die Fed ihre selbst definierten Auflagen längst erreicht. Die Arbeitslosenquote liegt mit 5,3 Prozent deutlich unter den von der Notenbank angestrebten 6,5 Prozent. Die Zahlen sind allerdings recht umstritten, da zum einen weiterhin mehr als acht Millionen Amerikaner auf Jobsuche sind. Zum anderen ist der Anteil der Teilzeitbeschäftigten hoch, viele sind auf mehrere Jobs angewiesen.

Zu spät wäre fatal

Allerdings steigen auch die realen Löhne wieder. Das erhöht den Inflationsdruck, die Löhne sind eine wichtige Komponente der Preisdynamik. Aktuell werden die Inflationsraten durch die niedrigen Preise für Öl gedämpft, weshalb viele Marktbeobachter keinen Grund für eine Zinserhöhung sehen.

Das sind die Gewinner und Verlierer der Währungsschwäche

Vergessen wird dabei allerdings, dass eine Zinserhöhung eine gewisse Zeit braucht, um ihre volle Wirkung zu entfalten. In der Realwirtschaft sind die Folgen mit bis zu anderthalb Jahren Verzögerung spürbar. Reagiert die Fed also zu spät, läuft sie Gefahr, die Zinsen in großen Schritten erhöhen zu müssen, um eine übersteuernde Wirtschaft zu verhindern.

Die Gefahr des Übersteuerns ist groß, denn Vorhersagen deuten darauf hin, dass die realwirtschaftlichen Auswirkungen des Anleihekaufprogramms QE3 die US-Wirtschaft erst im kommenden Jahr voll treffen werden.

Umso wichtiger ist es, die Zinsen rechtzeitig zu erhöhen. Zu große Zinssprünge könnten der Weltwirtschaft schaden, zudem müssen die verzerrten Märkte wieder eingefangen werden. Das gilt insbesondere für die Rentenmärkte. Werfen Staatsanleihen wieder eine höhere Rendite ab, sinkt automatisch die Blasengefahr bei Aktien oder Immobilien.

Das wichtigste Argument, welches Fed-Chefin Yellen in den Aktionsmodus versetzen sollte, ist aber ein anderes. Verschiebt sie die Zinswende weiter, riskiert sie nicht weniger als die Glaubwürdigkeit der Notenbank. Findet sich immer wieder ein Argument, um die Zinswende aufzuschieben, wissen die Märkte nicht mehr, woran sie glauben sollen.

Also Frau Yellen: fassen Sie sich ein Herz und drehen Sie an der Zinsschraube. Es muss zunächst gar nicht viel sein. Aber der erste Schritt muss gemacht werden, und der Zeitpunkt dafür sollte nicht von den Märkte bestimmt werden!

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