Zugegeben, von ruhigen Zeiten kann an den Finanzmärkten im Moment nicht die Rede sein. Sorgen um eine schwächelnde chinesische Wirtschaft haben die Börsen am Montag weltweit zum Absturz gebracht, die Nachrichtenportale sind voll mit Fotos von Börsenhändlern, die mit sorgenfaltigen Gesichtern auf nahezu senkrecht nach unten zeigende Kurscharts blicken. Kurzum: die Börsen haben kurzfristig wieder in den Krisenmodus geschaltet.
Auch wenn ein Teil der Verluste bereits am Dienstag wieder eingefahren war: das Marktumfeld bleibt alles andere als gut. Der Dax hat innerhalb des vergangenen Monats knapp 15 Prozent eingebüßt, auch die US-Börsen gaben um rund neun Prozent nach. Kein Wunder also, dass viele Ökonomen behaupten es käme zur „Unzeit“, wenn die US-Notenbank Fed tatsächlich im September den Leitzins erhöhen würde. Nobelpreisträger Paul Krugman forderte kürzlich gar, stattdessen lieber mehr neue Schulden aufzunehmen.
Hören sollten die Notenbanker darauf allerdings nicht. Es wäre fatal, wenn die Fed sich von den Märkten diktieren ließe, was zu tun ist. Im Gegenteil: Gerade jetzt muss sie den Finanzmärkten Orientierung geben und endlich klare Kante zeigen, indem sie das Experiment der ultra-expansiven Geldpolitik schrittweise beendet. Die Märkte müssen dringend vom süßen Gift des billigen Geldes entwöhnt werden.
Denn einen Teil der Markt-Turbulenzen hat sich die Fed selber zuzuschreiben. Seit Monaten heißt es, eine Zinserhöhung in diesem Jahr sei möglich. Bisher ist aber nichts passiert, die Märkte hängen in der Luft. Auch die Abwertung des Yuan durch die chinesische Notenbank wird von einigen Beobachtern als proaktives Manöver zur Zinswende gewertet. Keiner weiß, wie die erste Zinserhöhung der Fed seit neun Jahren wirken wird. „Viele junge Händler wissen ja gar nicht mehr, wie sie mit einem Umfeld steigender Zinsen umgehen müssen“, feixen Analysten.
Es gibt Fehlerquellen
Historisch ist die Angst vor der Zinswende durchaus nachvollziehbar. Vor allem 1994 verlief das Manöver nicht wie erhofft. Die Fed machte den Dollar zu schnell zu teuer und stürzte damit vor allem kleinere Volkswirtschaften wie Mexiko in eine Krise.
Notenbanken rund um den Globus lockern ihre Geldpolitik
Im Kampf gegen einen gefährlichen Abwärtssog aus fallenden Preisen und schrumpfenden Investitionen senken immer mehr Notenbanken weltweit die Zinsen. Ein Überblick über die einzelnen Schritte seit dem 1. Januar.
Quelle: Reuters; Stand März 2015
Die Zentralbank von Usbekistan setzt ihren Refinanzierungssatz auf neun Prozent von bislang zehn Prozent nach unten.
Die Schweizer Notenbank (SNB) vollzieht eine radikale Kehrtwende und schafft den Mindestkurs des Franken zum Euro ab. Die Währungshüter begründen ihre überraschende Entscheidung mit dem immer stärker werdenden Dollar und dem anhaltend fallenden Euro. Gleichzeitig wird der Strafzins auf Einlagen von Banken bei der Notenbank auf 0,75 Prozent von 0,25 Prozent angehoben.
Die Notenbank von Ägypten senkt überraschend die Leitzinsen um 0,5 Punkte. Die Sätze für Übernachteinlagen und Kredite werden auf 8,75 beziehungsweise 9,75 Prozent gekürzt.
Perus Zentralbank senkt überraschend den Leitzins auf 3,25 von bislang 3,5 Prozent. Konjunkturdaten für das Land, die kurz vorher veröffentlicht wurden, waren sehr schwach ausgefallen.
Die Bank von Kanada senkt die Zinsen auf 0,75 Prozent. Damit beendete sie den längsten Zeitraum mit unveränderten Zinsen seit 1950 - seit September 2010 hatte der Schlüsselzins bei einem Prozent gelegen.
Die Europäische Zentralbank (EZB) kündigt eines der bislang größten Anleihe-Kaufprogramme aller Zeiten an. Insgesamt wollen die Währungshüter Staatsbonds sowie andere Wertpapiere im Volumen von 1,14 Billionen Euro erwerben. Mit den Käufen soll im März begonnen werden.
Pakistans Zentralbank senkt den Leitzins auf 8,5 von bislang 9,5 Prozent. Sie begründete dies mit einem schwächeren Inflationsdruck im Zuge der weltweit sinkenden Ölpreise.
Die Zentralbank von Singapur (MAS) lockert ihre Geldpolitik, um die niedrige Inflation anzuheizen. Sie kündigt an, den Kursanstieg des Singapur-Dollar gegen einen Korb ausländischer Währungsmittel einzudämmen. Die Inflationserwartungen hätten sich seit Oktober 2014 erheblich verändert, begründeten die Notenbanker des Stadtstaats den Schritt.
Die albanische Notenbank setzt den Schlüsselzins herab auf das Rekordtief von zwei Prozent. Im vergangenen Jahr hatte sie die Zinsen bereits drei Mal gesenkt, zuletzt im November.
Russlands Notenbank kappt den Schlüsselzins für die Versorgung der Banken mit Geld auf 15 von 17 Prozent. Das ist eine scharfe Kehrtwende, da die Notenbank 2014 die Zinszügel erst kräftig angezogen hatte. Die westlichen Sanktionen wegen des Ukraine-Konflikts und der Ölpreisverfall haben eine Kapitalflucht aus Russland ausgelöst und den Rubel auf Talfahrt geschickt.
Die australische Zentralbank RBA senkt den Leitzins auf ein Rekordtief. Der Schlüsselzins liegt damit nun bei 2,25 Prozent. Mit dem Schritt wollen die Währungshüter unter anderem die Konjunktur ankurbeln.
Rumäniens Zentralbank senkt in zwei Schritten den Leitzins um insgesamt 0,5 Punkte auf ein Rekordtief von 2,25 Prozent.
Die dänische Zentralbank setzt vier Mal innerhalb weniger als drei Wochen ihre Leitzinsen herab. Sie interveniert zudem regelmäßig am Devisenmarkt, um die Koppelung der Krone an den Euro zu verteidigen.
Schwedens Zentralbank senkt ihren Leitzins für Wertpapier-Rückkaufgeschäfte mit den Geschäftsbanken - den sogenannten Repo-Satz - auf minus 0,1 Prozent von zuvor null Prozent. Zugleich kündigt sie an, für zehn Milliarden Kronen Staatsanleihen zu kaufen.
Die Zentralbank von Indonesien setzt überraschend die Zinsen um 0,25 Punkte auf 7,5 Prozent herab. Es ist die erste Senkung seit drei Jahren. Volkswirte hatten dies nicht erwartet.
Die Notenbank von Botsuana senkt ihren Leitzins um einen Punkt auf 6,5 Prozent. Die Konjunkturentwicklung und die Inflationsaussichten würden einen solchen Schritt ermöglichen, erklärten die Währungshüter des afrikanischen Landes.
Die Bank von Israel kappt ihren Leitzins auf 0,1 von bislang 0,25 Prozent. Es ist die erste Senkung seit sechs Monaten. Hintergrund ist unter anderem der Kampf gegen Deflationsgefahren und die Aufwertung der Landeswährung Schekel.
Die Zentralbank der Türkei senkt ihren Schlüsselzins in zwei Schritten um insgesamt 0,75 Punkte auf 7,5 Prozent. Ministerpräsident Ahmet Davutoglu forderte nach der zweiten Zinslockerung die Notenbank auf, noch größere Schritte einzuleiten, um die Wirtschaft anzukurbeln.
Die chinesische Notenbank senkt ihren Schlüsselzinssatz auf 5,35 von zuvor 5,6 Prozent. Der neue Satz sei der Entwicklung des Wirtschaftswachstums, den Preisen und der Beschäftigungslage angemessen. Die Zentralbank hatte zuvor bereits Anfang Februar angekündigt, dass die Finanzinstitute künftig nicht mehr so viel Kapital als Mindestreserve bereithalten müssen. Damit soll für mehr Liquidität im Finanzkreislauf der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft gesorgt und die Kreditvergabe angeschoben werden.
Die indische Notenbank setzt den Leitzins in zwei Schritten um jeweils 0,25 Punkte auf 7,5 Prozent nach unten. Die Reserve Bank of India (RSB) reagiert mit der geldpolitischen Lockerung auf zuletzt magere Konjunkturdaten zur Produktion und Kreditvergabe. Indiens Wirtschaft durchläuft derzeit eine Phase vergleichweise schwachen Wachstums.
Schwellenländer wie Brasilien, Russland oder Südafrika könnten auch diesmal die größten Verlierer steigender US-Zinsen sein – in dem die Fed die sich im Umlauf befindende Dollarmenge reduziert, steigt der Wert des Greenback. Investoren ziehen deshalb ihr Kapital aus den Emerging Markets ab und stecken es lieber in die stabileren US-Märkte.
Während der Finanzkrise waren die Schwellenländer ein willkommener Zufluchtsort für das Geld der internationalen Investoren, jetzt werden die Schwellen-Dollars wieder nach Hause geholt.