Anders als ihr Vorvorgänger Alan Greenspan lasse Yellen andere Meinungen gelten und sei offen für Argumente, wenn sie der Wahrheitsfindung dienten, heißt es in Finanzkreisen. Diesen kollegialen Führungsstil wird sie benötigen. Denn als neuen Vize hat ihr US-Präsident Barack Obama den erfahrenen Notenbanker Stanley Fischer an die Seite gestellt. Der 70-Jährige gilt als unabhängiger, intellektueller Kopf, der ein großes Netzwerk an internationalen Kontakten mitbringt. Als Professor am Massachusetts Institute of Technology gehörten Ben Bernanke und Mario Draghi, der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), zu seinen Studenten.
Später war Fischer Chefökonom der Weltbank, die Nummer zwei beim Internationalen Währungsfonds (IWF) und zuletzt Chef der Zentralbank von Israel. Während der Finanzkrise 2008 gelang es ihm, Israel vor den schlimmsten Auswirkungen der Krise zu bewahren, indem er frühzeitig den Leitzins senkte, aber aus der lockeren Geldpolitik auch schnell wieder ausstieg.
Geldpolitisch liegen Fischer und Yellen auf einer Linie. Zwar hatte Fischer die expansive Geldpolitik der Fed in den vergangenen Monaten als sehr risikoreich, aber eben doch als notwendig bezeichnet. „Ohne die außergewöhnlichen Maßnahmen der Fed wäre die Wirtschaft heute in einer viel schlechteren Lage“, so Fischer.
Fischer als Aufpasser an die Seite von Yellen zu setzen sei ein kluger Schachzug, meint Fredrick Cannon, Global Director of Research und Chief Equity Strategist beim New Yorker Finanzinstitut Keefe, Bruyette & Woods: „Er hat eine Erfahrung, die Yellen fehlt: Fischer weiß, wie die quantitative Lockerung einer Zentralbank wieder zurückgefahren werden kann.“
Runter vom Gas
Genau darauf wird es in nächster Zeit ankommen. Nach der Lehman-Pleite hat die Fed die globalen Finanzmärkte mit Liquidität überschwemmt, ihre Bilanzsumme hat sich durch den Ankauf von Anleihen auf über vier Billionen Dollar mehr als vervierfacht. Nun muss sie die geldpolitische Schieflage korrigieren. Denn die US-Konjunktur hat den Krisenmodus überwunden. Im dritten Quartal wuchs die Wirtschaft mit einer auf das Jahr hochgerechneten Rate von 4,1 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Ein großer Teil der Ungleichgewichte, die in den vergangenen Jahren auf der Wirtschaft lasteten, ist abgebaut. Die privaten Haushalte haben ihre Schulden abgeschüttelt, im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegen sie nur noch bei rund 80 Prozent, so niedrig wie zuletzt im Jahr 2002.
Die Überkapazitäten am Immobilienmarkt sind verschwunden, die Häuserpreise steigen mit Raten von rund 13 Prozent. Zudem gelang es der Regierung, durch einen Mix aus Ausgabenkürzungen, Steuererhöhungen und konjunkturbedingten Mehreinnahmen das Defizit im Bundeshaushalt in den vergangenen vier Jahren um rund sechs Prozentpunkte zu senken. In diesem Haushaltsjahr könnte das Defizit nach Schätzung der Ökonomen der Commerzbank auf drei Prozent vom BIP sinken.
Die Bürger konsumieren und die Unternehmen investieren wieder. „Ich bin bei diesem Aufschwung weniger skeptisch als früher“, sagt Martin Feldstein, Professor an der Harvard-Universität. Auch der IWF zeigt sich zuversichtlich. Er hat seine Wachstumsprognose für die USA auf 2,8 Prozent (2014) und 3,0 Prozent (2015) heraufgesetzt.
Fragwürdige Strategie
Angesichts der besseren Konjunktur hat die Fed begonnen, die Liquiditätszufuhr zu drosseln. Statt monatlich für 85 Milliarden Dollar Staatsanleihen- und Hypothekenpapiere zu kaufen, sind es jetzt nur noch 75 Milliarden Dollar. Ethan Harris, US-Chefökonom der Bank of America Merrill Lynch, geht davon aus, dass die Fed die Käufe in den nächsten Monaten weiter zurückfährt. „Die Fed dürfte bei jeder Sitzung die Käufe um weitere zehn Milliarden Dollar drosseln, sofern sich an der Entwicklung fundamentaler Daten wie dem Arbeitsmarkt nichts ändert“, sagt Harris. Spätestens Ende des Jahres werde sie das Kaufprogramm beenden.
Ein echter Kurswechsel in der Geldpolitik ist das aber nicht. Denn die Notenbanker wollen den Leitzins für längere Zeit auf dem aktuellen Niveau von 0 bis 0,25 Prozent belassen – auch wenn die Arbeitslosenquote unter die Marke von 6,5 Prozent sinkt (siehe Kasten). Ursprünglich hatten die Währungshüter signalisiert, höhere Leitzinsen zu erwägen, sobald die Quote unter diese Marke rutscht.