In einem solchen Umfeld verliert die Geldpolitik an Schlagkraft, wie die folgende Tabelle zeigt:
FED Tightening | FED Easing | Differenz | |
durchschnittliche US-Inflationsrate | |||
1970-1979 | 7,8% | 4,3% | +3,5% |
1980-1989 | 6,1% | 5,1% | +1,0% |
1990-1999 | 3,0% | 2,5% | +0,4% |
2000-Heute | 2,1% | 2,2% | -0,1% |
Veränderung der US-Inflationsrate während eines Zinszyklus | |||
1970-1979 | +5,3% | -2,2% | +7,5% |
1980-1989 | -0,3% | -2,4% | +2,1% |
1990-1999 | +0,7% | -2,1% | +2,8% |
2000-Heute | -0,5% | -0,7% | +0,2% |
Quelle: Bloomberg; eigene Berechnung
Die durchschnittlichen Inflationsraten während eines Zinszyklus der FED haben sich seit den siebziger Jahren immer mehr angenähert. Noch deutlicher ist, dass auch die Veränderung der Inflationsraten bei Verknappung oder Vergrößerung der Geldmenge immer geringer geworden und damit der Einfluss der Notenbanken auf das allgemeine Preisniveau stetig zurückgegangen ist. Seit 2000 unterscheiden sich Inflationsraten in beiden Zinsregimen kaum noch.
Im Übrigen ist auch zu beachten, dass der Ankauf von Anleihen zwar das allgemeine Zinsniveau senkt (und dabei viele strukturelle und politische Probleme aufwirft), aber dass damit eben nicht wirklich „Geld gedruckt“ wird. Es findet ein Vermögenstausch zwischen dem Inhaber einer Anleihe und der Zentralbank statt, nicht mehr und nicht weniger. Die Auswirkungen dieser Transaktion auf das allgemeine Preisniveau hängen alleine davon ab, was der bisherige Besitzer der Anleihe mit der neuen Liquidität unternimmt. Wahrscheinlich ist, dass diese neue Liquidität zunächst in andere Wertpapiere der gleichen Risikoklasse und damit in festverzinsliche Wertpapiere investiert wird, was die Abwärtsspirale der Zinsen weiter befeuert.
Welche Ziele verfolgen die Zentralbanken?
Die beschriebenen Sachverhalte sind kein Geheimnis und natürlich auch im Kalkül der Notenbanken berücksichtigt. Es stellt sich daher die Frage, ob die großen Zentralbanken über ihren eigentlichen Auftrag, nämlich eine Geldwertstabilität zu gewährleisten, noch andere Ziele verfolgen. Die FED hat ihr Anleihenkaufprogramm zum Höhepunkt der Subprime-Krise begonnen, die EZB am Gipfel der Eurokrise. Anlass waren in beiden Fällen nicht vordergründig Deflationssorgen – diese kamen erst viel später dazu. Stattdessen muss vermutet werden, dass hier finanzielle Krisenhilfe geleistet wurde und es etwa der EZB um den Schutz des Euro gehen musste. Die EZB erweitert die Grenzen ihres eigentlich eng formulierten Auftrags, dabei muss aber gesagt werden, dass genau dies auch von allen Seiten erwartet wird.
Vielleicht wird man im Rückblick eines Tages zu dem Schluss kommen, dass es ein Glücksfall der Geschichte war, dass beide großen Finanzkrisen vom Beginn des Jahrhunderts zu einem Zeitpunkt absolut niedriger Inflationsraten gekommen sind. Nur dadurch hatten Zentralbanken anschließend überhaupt den Handlungsspielraum für ihre unkonventionellen Maßnahmen. Wie diese Experimente am Ende ausgehen werden, bleibt hingegen noch abzuwarten.