Warum eigentlich ...irren sich die Konjunkturforscher so häufig – und wie kommen ihre Prognosen zustande?

In drei Wochen ist es wieder so weit. Dann treffen sich die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute aus Deutschland, Österreich und der Schweiz (Foto), um im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft das Herbstgutachten zur deutschen und internationalen Konjunktur zu erstellen.

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Voll daneben

In tagelangen Marathonsitzungen werden die Volkswirte der Institute Tabellen, Zahlenkolonnen und Grafiken analysieren und sich den Kopf darüber zerbrechen, wie stark der derzeitige Abschwung wohl ausfällt. Das Interesse der Öffentlichkeit am Ergebnis ihrer Beratungen ist den Forschern gewiss. Denn ob die Wirtschaft 2009 um ein Prozent oder nur um ein halbes Prozent wächst, ist für alle am Wirtschaftsprozess Beteiligten von Bedeutung. Für die Unternehmen sind die Wachstumsprognosen eine unverzichtbare Grundlage für ihre Investitions- und Produktionsplanung, für die Arbeitnehmer ein Indikator für die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze und für den Finanzminister die Basis seiner Steuer- und Budgetplanung.

Auch die Finanzmärkte sind auf Konjunkturprognosen angewiesen. Sie gehen in die Schätzungen zur Entwicklung der Unternehmensgewinne ein und beeinflussen so die Anlageentscheidungen der Finanzmanager. Aus diesem Grund besitzen die meisten Banken eine eigene volkswirtschaftliche Abteilung, deren Aufgabe darin besteht, den Verlauf von Wachstum, Zinsen, Wechselkursen und Rohstoffpreisen möglichst genau vorherzusagen.

Da es bei Konjunkturprognosen also um viel Geld geht, hagelt es stets heftige Kritik, wenn die Auguren mit ihren Vorhersagen danebenliegen. Der Vorwurf, die Prognostiker betrieben unseriöse Kaffeesatzleserei, zählt da noch zu den sanften Rüffeln. Schmerzhafter wird es, wenn der Entzug von Aufträgen droht oder – wie im Finanzsektor – den Prognostikern Bonuszahlungen gekürzt werden.

Dabei gilt: Je weiter der Vorhersagezeitraum in die Zukunft ragt, desto geringer wird die Treffsicherheit der Schätzungen. Dass es häufig zu Fehlprognosen kommt, liegt aber nicht nur daran, dass Aussagen über die Zukunft immer mit Risiken verbunden sind. Manche Fehler haben die Auguren selbst zu verantworten. Häufig missachten sie die Signale wichtiger Frühindikatoren. Vor allem an konjunkturellen Wendepunkten, wenn ein Boom in einen Abschwung mündet oder sich umgekehrt nach einer Rezession der nächste Aufschwung ankündigt, trauen viele Experten dem Richtungswechsel umfragebasierter Frühindikatoren wie dem ifo-Geschäftsklimaindex nicht und halten viel zu lange an ihren alten Prognosen fest. Das hat auch damit zu tun, dass sie fürchten, Revisionen könnten ihnen als Eingeständnis eines Irrtums ausgelegt werden.

Daten aus der Vergangenheit, Prognosen für die Zukunft

Besonders hoch ist die Gefahr von Fehlprognosen, wenn mehrere Einflussgrößen in unterschiedliche Richtungen deuten. So können niedrige Zinsen und eine schwache Währung auf eine Belebung der Binnennachfrage und der Exporte hindeuten, höhere Ölpreise und eine Abkühlung der Auslandskonjunktur aber das Gegenteil nahelegen. Wer sich in solchen unklaren Situationen nur auf sein Fingerspitzengefühl verlässt, läuft Gefahr, schnell danebenzuliegen. Die meisten Analysten stützen ihre Prognosen deshalb zusätzlich auf ökonometrische Methoden. Ausgefeilte mathematisch-statistische Verfahren erlauben es ihnen, die Zusammenhänge zwischen einzelnen wirtschaftlichen Größen zu quantifizieren. So lässt sich etwa mithilfe von Regressionsanalysen feststellen, ob die Exporte stärker auf Wechselkurse oder die Auslandskonjunktur reagieren. Werden mehrere solcher Schätzgleichungen zu einem Strukturmodell zusammengefasst, das über die Außenhandelsverflechtungen mit dem Rest der Welt verknüpft ist, können die Ökonomen damit die Interdependenzen der globalen Wirtschaft erfassen. Neben den auf Kausalzusammenhängen beruhenden Strukturmodellen haben sich zeitreihenanalytische Prognoseverfahren bewährt, bei denen die Prognosewerte allein aus der Vergangenheitsentwicklung der eigenen Zeitreihe abgeleitet werden. Solche autoregressiven Schätzmethoden eignen sich besonders gut für kurzfristige Prognosehorizonte.

Trotz aller mathematischen Finessen sind ökonometrische Wirtschaftsmodelle aber kein Garant für exakte Prognosen. Denn ihre Ergebnisse gründen auf der Analyse von Daten aus der Vergangenheit. Ändern sich die wirtschaftlichen Zusammenhänge im Verlauf des Prognosenzeitraums, treten Strukturbrüche auf, die die Prognosekraft der Modelle mindern. Aus diesem Grund fahren die Institutsökonomen bei den Herbst- und Frühjahrsgutachten zweigleisig und ziehen die Ergebnisse der mathematisch-statistischen Modellprognosen heran, um ihre intuitiven Prognosen zu überprüfen.

Ärgerlich für die Auguren ist nur, wenn Politiker und Zentralbanker ihnen einen Strich durch die Rechnung machen und überraschend an der Steuer- oder Zinsschraube drehen. Dann nämlich verändern sie schlagartig die Grundlagen der bestehenden Prognosen – und zwingen die Ökonomen, ihr Zahlenwerk neu durchzurechnen.

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